Josef Marner: Die klimatischen Bedingungen für die Siedlung von Nordeuropäern in den Tropen. 13
36 ) Nr. 26, S. 285.
37 ) Nr. 19, S. 528.
wird, würde also bei 20° und 100% relativer Feuchte dasselbe sein wie bei 25° und 35% relativer Feuchte
oder etwa 28° und 10% relativer Feuchte. Man stellte Versuche an, bei welcher effektiven Temperatur
Schwülegefühl cintritt. Das ist die von Büttner in Figur 2 eingetragene, vorhin erwähnte Grenzlinie der
effektiven Temperatur von 24°.
Es soll nicht unterlassen werden darauf hinzuweisen, daß die Versuche nur feststellen konnten, welche
Wärmegefühle bei verschiedener relativer Feuchte und verschiedenen Temperaturen hervorgerufen werden.
Man hat aber nicht die Dauer dieser Gefühle prüfen können, und bei maximaler relativer Feuchte kann
nicht dauernd ein Behagensgefühl bestehen.
Die neueren psychrometrischen Kurvenbilder pflegen nur ein Gebiet mit weniger als 70 % relativer
Feuchte als Behagenszone anzugeben. Für die Tropen reicht sie allerdings, nach’ neuesten Untersuchungen
in Batavia, bis 90%, worin ohne Zweifel eine Gewöhnung an die höhere Feuchte zu sehen ist 36 ). Ich habe
das Ergebnis dieser Forschungen in unsere Darstellungsweise übertragen und zum Vergleich mit der
„C a s t e n s“-Kurve in Figur 4 veranschaulicht. Unter den für die Tropen in Frage kommenden Temperatur-
und Feuchte Verhältnissen würde demgemäß nach Stone ein größerer Bereich zur Behaglichkeit zu rechnen
sein, als es nach der „Lancaster-Castens“-Kurve anzunehmen wäre. Der Unterschied mag darin begründet
sein, daß die Angabe der Amerikaner zwar auch für den ruhenden, normal bekleideten Menschen gilt, aber
nur für 50% der Versuchspersonen zutrifft.
Die Schwülebeobachtungen Büttners auf seiner 1937 zu
bioklimatischen Forschungen ausgeführten Reise in die afrikani
schen Tropen bestätigen die Erfahrungen, die man in Batavia
gewonnen hat 37 ).
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die „effektive
Temperatur“ zwar ein brauchbares Summenmaß der Wirkung von
Temperatur und Feuchte auf das Behagensgefühl des Menschen
liefert, doch ist dieser Zahl nicht anzusehen, aus welcher Temperatur
und Feuchte sie kombiniert ist. Das ist aber für unsere Unter
suchungen von großer Bedeutung. Für die Gesundheit und das Wohl
befinden ist es nicht gleichgültig, in welchem Verhältnis Temperatur
und Feuchte zueinander stehen, d. h. in welchem Maße der Körper
sich durch Ausstrahlung oder Verdunstung entwärmt.
Eine Überschreitung der Schwülegrenze bedeutet jedoch keines
wegs, daß für den Weißen unmittelbare Gefahr des Hitjschlages
droht. Noch jenseits der Schwülegrenze gibt es eine Erträglichkeits
zone, in der, zum mindesten vorübergehend, der Europäer ohne
Schaden sogar noch körperliche Arbeit leisten kann, wie das Beispiel
jedes die Tropen durchfahrenden Schiffes zeigt. Wesentlich ist aber
das Maß der Überschreitung und die Andauer der Schwüle.
Es soll nochmals ausdrücklich betont werden, daß die „Schwüle
grenze“, die u. a. in den farbigen Klimagrammen auf den Tafeln 1
bis 5 als mathematische Kurve erscheint, in Wirklichkeit und unter
Berücksichtigung der individuellen Eigenarten der Menschen eine
mehr oder weniger breite Übergangs-Fläche ist; denn durch starke
Einstrahlung, Kleidungsvermehrung, höheres Alter, Alkohol, an
gestrengte körperliche und geistige Arbeit, zuviel Flüssigkeit und reich
liches Essen tritt das Gefühl der Schwüle rascher ein, d.h. die Schwüle
grenze wird in der Richtung nach der Behaglichkeitszone verschoben. Umgekehrt setjen Lufthewegung,
Kleidungsverminderung, erhöhte Ausstrahlung, Gewöhnung und seelische Hochstimmung die Schwüle herab.
Über das Maß dieser Verschiebung des Schwülegefühls ist noch sehr wenig bekannt. Aus Arbeiten von
Figur 4.
I: Sckwiilegrenze nach Castens;
II: Schwülegrenze nach Stone für die
Tropen (bestätigt an 50% der Ver
suchspersonen in Batavia).