Josef Marner: Die klimatischen Bedingungen für die Siedlung von Nordeuropäern in den Tropen.
9
22 ) Nr. 15, S. 183. 23 ) Nr. 15, S. 181. 24 ) Nach Mitteilung von Herrn Dr. Sem in eihack.
Nähe der Grenze der Temperaturen, die der Mensch überhaupt dauernd ertragen kann, sollen Unterschiede
von 2 bis 3° in ihrer Wirkung auf den Menschen schon sehr beachtlich sein. Daher ist es nicht gleichgültig,
ob ein tropisches Gebiet ein Jahresmittel von 23° oder 26° besitzt.
Im Tiefland und im Küstengebiet verschwindet die Hitze manchenorts nur während einiger Wochen,
und von einer wirklichen Kühle kann in vielen Nächten nicht die Rede sein.
Der geringen jährlichen Schwankung steht vielenorts in den Tropen zu gewissen-Jahreszeiten eine
größere tägliche Temperaturschwankung gegenüber, und der Unterschied zwischen dem täglichen
Maximum und Minimum erreicht in den Tropen weit größere Beträge als in den gemäßigten Breiten.
Die große Jahresschwankung der Temperatur unserer Breiten gilt als günstig. Sie soll anregend auf
Körper und Geist wirken und die Lebensfrische erhalten. Dagegen wird die geringe jährliche Schwankung
in den Tropen allgemein als ungünstig angesehen. Das Fehlen der im Temperaturgang zum Ausdruck
kommenden Jahreszeiten soll niederdrückend auf das seelische Befinden wirken.
Über den Einfluß der täglichen Schwankungen finden sich kaum Angaben. Castens ist der Ansicht“),
daß die zu Zeiten große tägliche Schwankung einen günstigen Faktor des tropischen Klimas darstellt und als
Ausgleich für die geringe Wetterhaftigkeit vom Weißen möglichst ausgenutzt werden sollte. Die Lebens
weise kann dafür entscheidend sein, ob diese Gunstkomponente wirksam wird oder nicht. Aus der Über
sicht 1 geht hervor, daß die täglichen Temperaturschwankungen im Freien größer als im bungalowartigen
Haus (leichtes Haus mit vorgebauten Holzveranden) sind und sich wesentlich von den Schwankungen im
arabischen Haus unterscheiden 23 ).
Übersicht 1.
D a r e s s
a I a m ,
Januar
T a b o r a , Oktober
a
b
c
a
b
C
mittl. tägl. Maximum
31°
29°
30°
33°
29°
30°
mittl. tägl. Minimum
25
27
26
18
22
20
mittl. tägl. Schwankung
6
2
4
15
7
10
a: Freiluft, b: arabisches Haus, c: bungalowartiges Haus.
Der Europäer, der sich vor der Strahlung und Hitje schützen will und das Haus bevorzugt, setjt die
günstige Wirkung der täglichen Temperaturschwankung in starkem Maße herab. Die dickwandigen, stark
geschlossenen, im arabischen oder subtropischen Stil gebauten Häuser leiten die Außenhitze nur langsam
nach innen. Das Maximum der Temperatur im Innern ist dadurch zwar kleiner, aber die Abkühlung ist auch
wesentlich herabgesetzt, so daß die Schwankung klein wird. Ein leichter, dünnwandiger, dem Winde gut
ausgesetzter Bau mit hohen Fenstern und einer rund um das Haus laufenden Holzveranda, die die direkte
Bestrahlung herabsetzt, läßt die tägliche Schwankung stärker wirksam werden. Beim Hausbau ist jedoeb
zu berücksichtigen, das Haus so aufzurichten, daß gerade die Abkühlung bringenden Winde (vornehmlich
nachts) durch das Haus streichen können, und daß die unter den Zimmerdecken ruhende Heißluftschicht
durch hinreichend große Öffnungen in den Seitenwänden unmittelbar unter den Decken beseitigt wird 24 ).
Wesentlich aber ist, schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die Temperatur nicht allein für das
Wohlbefinden des Menschen maßgebend ist; denn sie ist stets mit der Feuchte gekoppelt.
3. Die Temperatur-Wetterhaftigkeit.
Die „Wetterlosigkeit“ der Tropen zeigt sich im Fehlen größerer unperiodischer Schwankungen der
Temperatur, der Feuchte und des Luftdruckes. Den Betrag dieser rein wetterlichen Veränderungen be
zeichnet man mit „Wetterhaftigkeit“. Die Temperatur-Wetterhaftigkeit hat also nichts mit der täglichen
Temperaturschwankung zu tun. Sie ist vielmehr der Unterschied der Temperatur innerhalb mehrerer Tage.