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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineohservatoriums. — 59. Band. Nr. 10.
Es ist mm sehr interessant zu sehen (vgl. Tafel 1, Abb. 9), wie tatsächlich alle drei „Punkte“ diese
Forderung nach Zyklogenese erfüllen: Östlich von dem südwestlich Irland gelegenen neutralen Punkt ver
tieft sich das ostenglische Tief, nach Jütland ziehend, auf 988 mb —- Kopenhagen hat mittags 3stiindigen
Druckfall von 9'A mb! ——; nordöstlich von dem neufnndländischen neutralen Punkt erfolgt rasche Neu
bildung einer Zyklone von 996 mb, die gegen Südostgrönland vordringt; nur nordöstlich von dem dritten
— mittelatlantischen — neutralen Punkt, der noch ganz inmitten der einheitlichen alten Polarluft
liegt, hat erst schwacher Luftdruckfall eingesetzt.
Gegen diesen neutralen Punkt hin, der ein Dreimasseneck verspricht, sind aber, wie oben erwähnt, die
beiden heterogenen Fronten im Vormarsch, und ihr Abstand hat sich in 12 Stunden um etwa 560 km ver
ringert. Vom Mittag des 18. Oktober an muß hier der gegenseitige Frontenabstand jedoch beschleunigt
abnehmen, denn inzwischen ist —- durch die Tiefneubildung südlich Grönland hei gleichzeitigem Druckanstieg
über Neufundland — der Druckgradient innerhalb der frischen, polaren Kaltluft über dem Labradormeer
ganz erheblich angewachsen. Das Tief, das mit der subtropischen Warmluft nordwestlich der Azoren herauf-
konnnt, hat sich bislang nur schwach vertieft.
Nach 12 Stunden, am 19. Oktober 0 11 MGZ, hat sich das Dreimasseneck halbwegs zwischen Irland und
Neufundland gebildet (Abb. 13). Hier treffen jetzt die frische polare Kaltluft, aus dem Arktischen Archipel
Nordkanadas kommend, und die echte Tropikluft, tief aus dem Süden des Ozeans heraufgeholt, unmittelbar
zusammen, während im Winkel vor der Treffstelle die neutrale Masse gealterter Polarluft liegt. Das Tief
nördlich der Azoren ist also zur Dreimasseneck-Zyklone geworden und hat sich seit dem Vortermin schon
stärker — um etwa 10 mb •— vertieft.
Jetzt nimmt die Entwicklung ein ungeheures Tempo an: Im Delta der neu geschaffenen Fron
talzone, hei 58° N Br., 21° W Lg., fällt der Luftdruck in den nächsten 12 Stunden
um 4 5 mb! Wie die Wetterkarte vom 19. Oktober mittags (Tafel 2, Abb. 14) zeigt, hat sich in dieser
kurzen Zeitspanne aus dem Dreimasseneck-Tief eine Sturmzyklone von unter 970 mb Kerndruck
gebildet, von orkanartigen Winden bereits umgeben. Im Stromsystem dieser Sturmzyklone ist das
südostgrönländische Tief ganz aufgegangen, und dessen Front, die „Nordfront“ des Dreimassenecks, verliert
sich rasch, nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hat. Das Orkantief selbst bringt bald auch Südisland orkan
artigen Oststurm und lebt über dem Meeresraume südlich Island noch lange als Sturmzyklone fort.