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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 59. Bd., Nr. 8
In gewisser Hinsicht stellt dieses Tief damit das winterliche Gegenstück dar zu den
sommerlichen sogenannten Vb-Zyklonen. Diesen sowohl wie der oben betrachteten ist
gemeinsam, daß ihre weitere Entwicklung über dem europäischen Festlande durch die dort
anzutreffende monsunartige Temperaturverteilung bestimmt wird. In diesem Zusammenhang
bildet die in der Arbeit von K. Heischmann 11 , „Überraschende Ausbildung eines Vb-artigen
Tiefdruckgebietes über Mitteleuropa, 20. bis 21. August 1938“, geschilderte Entwicklung
einer Vb-Zyklone ein sehr schönes Beispiel.
Und zwar kam es in diesem Fall an der Frontalzone zwischen weit nach Süden vor
gedrungener maritimer Kaltluft und warmer Festlandsluft über Südfrankreich zur Neubildung
einer kräftigen rasch nordostwärts ziehenden Störung. Für unsere Untersuchungen ist dabei
beachtenswert, daß die isobaren Dichtefelder bei dieser zyklonenbildenden Frontalzone im
Gleichgewicht einen mit der Höhe zunehmenden Wind verlangten. Dementsprechend wurden
auch durch Pilotvisierungen im Bereich der Frontalzone Höhenwinde von über 100 Stunden
kilometern Geschwindigkeit festggestellt. Andererseits bilden jene Warm- und Kaltluft
massen für die mit der Höhenströmung driftende Zyklone die Wärme- und Kältereservoire,
wie sie, entsprechend den obigen Überlegungen, für einen mechanische Energie gewinnenden
Kreisprozeß erforderlich sind.
Zusammenfassend ist also festzustellen, so wie die durch die sommerliche monsunartige
Temperaturverteilung über dem europäischen Festlande bedingte Frontalzone zyklonenbildend
wirkt, so führen Energie- und Strömungsgleichgewichtsüberlegungen zu der Feststellung, daß
die winterliche, entgegengesetzt gerichtete, zyklonenauflösend wirkt.
4. Großräumige Zirkulationssysteme.
Die vorausgegangenen Betrachtungen ließen eindeutig erkennen, daß als entscheidend
für die rasche Zyklonenauflösung die anhaltend kräftige Kaltluftströmung an der arktischen
Frontalzone angesehen werden mußte. Es ist zu vermuten, daß die für die Aufrecht
erhaltung dieser Zirkulation erforderliche Energie auf eine anhaltende thermodynamische
Energiegewinnung innerhalb großräumiger, untereinander gekuppelter Strömungssysteme
zurückzuführen ist.
In unserem Fall ist eine solche Kupplung zu einem Energie gewinnenden Kreisprozeß
zwischen dem grönländisch-isländischen Tiefdrucksystem und dem russischen Hoch nahe
liegend. Wenn auch aus dem Kerngebiet dieser stationären Zyklone aerologische Messungen
gänzlich fehlen, so zeigen doch die Temperatur- und Feuchtemessungen aus dem atlantischen
Küstengebiet zusammen mit den Ergebnissen der zentralrussischen Radiosonden, daß die
stationäre Antizyklone während des ganzen Zeitraumes unserer Untersuchungen troposphärisch
11 Ann. d. Hydrogr. 1939, Heft 1, S. 42.