Bruno Heß: Zyklonenauflösung an einer Frontalzone.
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Figur 8 stellt in einem frontsenkrechten Schnitt längs der Linie Pic du Midi—Soester-
berg—Kjeller die Kaltluftbegrenzungen am 19. Januar, 8 Uhr, dar, wie sie durch das äqui
valentpotentielle Temperaturfeld nahegelegt sind.
Sieht man von dem nach Süden abgedrängten Teil der Warmluft ab, so zeigen diese
Betrachtungen, daß es sich hier um eine wirkliche Warmluftabhebung, also eine „Okklusion“
im eigentlichen Sinne handelt, wenn auch unter aktiver Beteiligung der in unteren Schichten
von Osten vorstoßenden Vorderseitenkaltluft und mit einem hochgelegenen (500 mb) Vorstoß
der Rückseitenkaltluft.
Einen weiteren Beleg für die in dieser Art abgehobene Warmluft bildet das etwa 300 km
breite, vom Skagerrak bis nach Ungarn reichende Gebiet mit geschlossener Wolkendecke,
aus der fast überall Schnee fiel. Auch in den Messungen der Wetterflugzeuge kündete sich
die auf den Kaltluftblock aufgleitende Warmluft an. So zeigen die Messungen von Berlin
zwischen dem 800- und 900-mb-Niveau vom 18. zum 19. Januar neben einer zwar nur
geringen Zunahme der äquivalentpotentiellen Temperaturen eine sprunghafte Zunahme in
den relativen Feuchten von weniger als 50 v. H. auf 85 bis 90 v. H. Auch die Aufstiege von
Hamburg lassen in dieser flachen Zone eine schwache äquipotentielle Erwärmung erkennen,
während die relative Feuchte gleichzeitig von 33 v. H. auf über 90 v. H. zunahm. Die dabei
gleichzeitig oberhalb der 600-mb-Fläche eingetretene Labilisierung und Feuchteabnahme
wurde bereits auf das Vordringen der Rückseitenkaltluit zurückgeführt.
Dehnt man die Diagnose nun weiter bis zum 20. Januar aus, so läßt sich eine erneute
Umgestaltung in der Troposphäre über dem mitteleuropäischen Raum feststellen. Die plane
tarische Temperaturverteilung ist nämlich nach weiteren 24 Stunden wieder einem fast gleich
mäßigen von Ost nach West gerichteten Temperaturanstieg gewichen. Von der Warmluft
der Zyklone ist zum 8-Uhr-Termin oberhalb der 600-mb-Fläche nur noch ein Rest über dem
Südosten Mitteleuropas angedeutet. Längs der Linie Soesterberg—Frankfurt a. M.—München
herrschen zu diesem Termin längs der Isobaren wieder nahezu gleiche äquivalenpotcntielle
Temperaturen (Fig. 9 und 10).
Wir können daraus bereits schließen, daß das planetarische Temperaturfeld, das am
20. Januar wieder völlig verschwunden war, keine große Erhaltungstendenz besaß.
Neben dieser großräumigen Umgestaltung läßt das Feld der äquivalentpotentiellen
Temperaturen noch einen anderen wichtigen Vorgang erkennen. So ist jener troposphärische
Kaltlufttropfen, der am 19. Januar über der südlichen Nordsee lag, und dessen Entstehungs
geschichte noch in einem anderen Zusammenhang untersucht werden wird, nach 24 Stunden
über der pommer,sehen Küste wieder zu finden. Auch am 21. Januar ist er noch, wenn auch durch
Temperatur- und Feuchtemessungen nicht mehr unmittelbar belegt, über der mittleren Ostsee
anzutreffen, um dann am nächsten Tage in den russischen Kaltluftblock einbezogen zu werden.