Bruno Heß: Zyklonenauüösung an einer Frontalzone,
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A. Einleitung.
1. Problemstellung.
Zur Prüfung und Erweiterung unserer Vorstellungen von der Zyklonenbildung und
-auflösung brachte der Januar 1937 um die Monatsmitte ein sehr aufschlußreiches Beispiel.
Kennzeichnend für die schon wochenlang nahezu unverändert anhaltende Großwetterlage war
eine ausgedehnte, mit ihrem Kern über Sibirien gelegene Antizyklone und ein ausgeprägtes
Tiefdrucksystem, dessen Schwerpunkt sich im Raume Island—Grönland bewegte. Das im
Grenzgebiet dieser beiden Strömungsgebilde gelegene Nordwestdeutschland konnte dabei
lange Zeit hindurch auf engem Raum recht beträchtliche Temperaturunterschiede aufweisen.
Während z. B. am Morgen des 18. Januar aus den Bezirken östlich der Weser allgemein
starker Frost gemeldet wurde mit Bodentemperaturen von stellenweise —9 Grad in Mecklen
burg und Brandenburg, herrschte im Westen überall Tauwetter. Und zwar hatte diese
scharf ausgeprägte Temperaturscheide schon seit länger als einer Woche kaum eine Ver
lagerung erfahren.
Um so mehr Beachtung fand daher eine vom Atlantik rasch ostwärts driftende Rand-
zyklone, die sich am 18. Januar morgens noch südlich Irlands befand und zu diesem Zeitpunkt
auf der Bodenkarte einen gut ausgeprägten großen Warmsektor erkennen ließ (Fig. 1).
Die Prognostiker standen damit vor der Frage, wird sich dieses Tief noch weiter ver
tiefen oder auch nur mit gleicher Energie weiter driften und dabei die Frostgrenze im Nord-
westen des Reiches merklich zurückdrängen. Berichte des Reichswetterdienstes lassen erkennen,
daß mit einem Ausgreifen jener Zyklone auf Nordwestdeutschland gerechnet wurde.
Die weitere Entwicklung zeigte jedoch unzweideutig, daß das Tief ohne erkennbare
Vertiefung am 19. Januar, 8 Uhr, zur südlichen Nordsee weitergezogen war, wobei der
Warmsektor am Boden völlig verschwunden war (Fig. 2). Im Zusammenhang damit erfuhr
die Frostgrenze über Nordwestdeutschland kaum eine Verlagerung, und statt eines Zuriick-
weichens der antizyklonalen Kaltluftströmung wurde in den Gebieten östlich der Elbe sogar
eine kräftige Zunahme der Ostwinde bis auf Sturmesstärke beobachtet. Damit gleichzeitig
konnten sich die Temperaturunterschiede im Elbe-Weser-Gebiet noch weiter verschärfen;
— 6 Grad in Hamburg standen am 19. Januar um 8 Uhr +5 Grad in Nordhorn gegenüber.