Ludwig Sehnebel; Beitrag zur Zyklogenese.
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Aus diesen Änderungen ergibt sich die Temperaturverteilung am 8. Juni. Das Wärme
zentrum hat sich mit dem Vordringen maritimer Luft und infolge des Abgleiteffektes in der
Antizyklone wesentlich nach Nordost verlagert. Auf allen Karten finden wir außerdem über
Südwesteuropa ein neues Wärmegebiet, welches im 650- und 700-mb-Niveau von dem ersten
durch zwei von Italien und England nach Mittelfrankreidi hineinreichende Kältezungen ge
trennt ist.
Bis zum vierten Tag hat sich das Gebiet negativer Temperaturänderungen weiter nach
Norden verlagert. Fast über dem ganzen Kontinent ist Erwärmung eingetreten. Demzufolge
sind die Kältezungen, die nodi am 8. Juni angetroffen wurden, stark zurüdegedrängt worden.
c) Druckfeld und Stabilität.
Das Gebiet geringster Stabilität erstreckt sich am 6. Juni auf den Karten mit den Aus
gangshöhen 900 mb und 800 mb zungenförmig von SW nach NE. Ein Gebiet maximaler Stabi
lität wird über Königsberg angetroffen. Nach dem Innern des russischen Kontinents zu nimmt
die Stabilität wieder sehr stark ab, um teilweise sogar in reine Labilitätswerte überzugehen.
Letztere fallen mit einer hochreichenden Zyklone zusammen. Daß wir auf der Stabilitätskarte
SK 1000/550 über Westeuropa erneut ein Stabilitätszentrum vorfinden, ist weniger auf den
Einfluß der Antizyklone, als vielmehr auf die noch nidit beseitigte Bodeninversion zurückzu
führen, welche sich in der Nacht dort gebildet hat. Aus der verhältnismäßig starken Abnahme
der Stabilität mit zunehmender Höhe geht aber hervor, daß nach Überwindung der Strah
lungsinversion am Boden eine dem Hochdruckgebiet entgegenwirkende Zirkulation einsetzen
kann.
Die am Boden weit nach Norden reichende Antizyklone verlagert sich mit zunehmender
Höhe mit ihrem Kern immer weiter nach Mittel- und Südeuropa. In der Höhe von 550 mb
treffen wir nur wenig östlich von der Stelle, an welcher am Boden der Kern der Antizyklone
lag, den Kern der östlichen Zyklone an. Diese überschwemmte auf ihrer Rückseite Nordost
europa mit kühlen Luftmassen. Der damit verbundene Druckanstieg, der bei starkem
zyklonalen Wetter normalerweise nur ein niedertroposphärisches Zwischenhoch ausbildet, hat
in diesem Falle eine Hochdruck-Brüdce nach dem eigentlichen Kern des Wärmehodis ent
wickelt. Aus der Überlagerung des niedertroposphärisch bedingten Hodidruckgebietes im
Nordosten und dem dynamischen Hoch über Mittel- und Osteuropa resultiert die Boden-Druck
verteilung. Aus dem Wolkenbild ist der Aufbau des Hochdruckgebietes eindeutig zu erkennen;
Trotz starker Überhitzung kommt es in seinem Kern nicht zur Kondensation; dagegen zeigt
der nördliche Teil morgens überwiegend Stratusbewölkung, weldie großräumig betraditet das
Bild einer schräg liegenden Abgleitfläche zeigt und über Tag konvektionsartig wird.
Im Verlauf des 6. Juni bestehen über dem westlichen Kontinent gute Einstrahlungs
bedingungen, was zur Bildung der Hitzetiefs führt. Durch die dadurch eingeleiteten Zirku
lationen wird der feuchtkühlen Meeresluft, entsprediend dem zunächst schwachen Gradient
feld, die Wanderung nach dem Festlandsinnern ermöglicht. Der starken Erwärmung der
unteren Troposphäre vom Boden her wirkt dieser Lufttransport entgegen, und die dadurch
verursachte Abkühlung ist sogar so groß, daß die vom Aufstiegsnetz erfaßte Troposphäre
Südwesteuropas am nächsten Tag durchweg niedrigere Temperaturen aufweist.
Der überwiegende Druckfall am Boden vom Morgen des 6. bis zum Morgen des 7. J u n i
ist auch in der Höhe ausgeprägt. Wo am Vortag noch die antizyklonale Druckanordnung das
Feld beherrschte, beobachten wir am Haupttag in der Höhe eine von England weit nach Süd
osten bis zum Mittelmeer ausgebildete zyklonale Ausbuchtung der Isolinien. Der warme Kern
der Mitteleuropa beherrschenden Antizyklone hat sich nordwärts verlagert, so daß wir jetzt
eine bedeutend bessere Übereinstimmung zwischen dem Boden- und Höhendruckfeld vor
finden als am 6. Juni.