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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 59. Band. Nr. 5
Weg 1 des obigen Schemas: Die bei den Absterbeprozessen freiwerdenden Proteine werden zunächst
teils chemisch, teils bakteriell über Aminosäuren ^^¿^ttarion^ ^ un d Methylamine (CH 3 NH 2 ) hinweg
zu Ammoniak abgebaut.
Weg 2: Das zu NH 4 OH hydrolisierte Ammoniak wird durch folgende exotherme Reaktion weiter oxi
diert: NH 4 OH + IV2 0 2 = HN0 2 + 2 H 2 0. Diese Reaktion verläuft an der gut durchgelüfteten Oberfläche
auf rein chemischem oder auch photochemischem Wege und außerdem in trüberen Flachwässern durdi Ein
wirkung NFI 3 oxydierender Stickstoffbakterien, wobei intermediär untersalpetrige Säure (HNO) gebildet
wird. Z. T. ist diese Reaktion durch reduzierend wirkende Bakterien reversibel.
Weg 3: Die weitere, ebenfalls exotherme Oxydation HNO a + % 0 2 = HNO3 erfolgt zur Hauptsache
durch nitrifizierende Bakterien, die die Nitritbakterien nach Beseitigung des Ammoniaks bei hohem Sauerstoff
gehalt meist spontan ablösen. Auch diese Reaktion ist durch Einwirkung denitrifizierender Bakterien rever
sibel, wobei der Nitratsauerstoff selbst bei Gegenwart größerer Mengen freien Sauerstoffs von den Bakterien
umgesetzt wird.
Weg 4: Dieser Weg stellt den Verbrauch des im Ammoniak, Nitrit und Nitrat vorhandenen Stickstoffes
durch das Phytoplankton dar. Die Assimilation beschränkt sich ja durchaus nicht auf N0 3 '—-N allein, wie
dies u. a. von C o o p e r nachgewiesen wurde (siehe Anm. 12 Seite 19) und auch im folgenden noch zum Aus
druck kommen wird. Besonders einige Diatomeenarten von Biddulphia und Nitzschia (die stark in der
Außenelbe vertreten sind) assimilieren ebenso gut NH 3 - und N0 2 '-, wie N0 3 '-N. Die Diskussion von
Weg 5 erübrigt sich.
Eine völlige Klärung der N0 2 '-Verteilung in der Unterelbe ist natürlich nur bei gleichzeitiger Unter
suchung aller Einzelkomponenten des so umfangreichen N-Kreislaufes möglich. Ein Teil dieses Kreislaufes
wird aber schon bei der Betrachtung der in Abb. 20 dargestellten Nitritmittel der gesamten Unterelbe erfaßt.
Die mit organischen Abwässern stark belastete Selbstreinigungszone macht sich besonders gut in der Nitrit
verteilung geltend. Oberhalb Pagensand, in der Gegend um Brunshausen, steigt der N0 2 '-Gehalt außer
ordentlich plötzlich von nur wenigen mg bis zu 40 mg NO s '—N/m 3 und mehr an, während die Werte ober
halb Brunshausen bis hin zum Hafengebiet langsam weiter auf 60 mg ansteigen. Das Brunshausengebiet
stellt die durchschnittliche untere Grenze der Selbstreinigungszone dar, bis zu welcher der organische Abbau
über Weg 1 und 2 unseres Schemas durchgeführt ist. Hier verlieren die Nitritbakterien die für sie
günstigen Bedingungen und werden wahrscheinlich spontan innerhalb weniger Stunden, auf einer Strecke von
nur wenig Seemeilen durch die Nitratbakterien (Weg 3 des Schemas) abgelöst. Übrigens setzt in diesem
Grenzgebiet der Selbstreinigungszone auch eine besonders starke Entwicklung der größeren Wasserfauna ein.
Das Nitrit ist somit bei einfachem Analysengang ein leicht zu ermittelndes, zuverlässiges Kriterium für Aus
dehnung und Abschluß der Selbstreinigungszone. Im einzelnen weicht die N0 2 '-Verteilung dieser Zone oft
stark vom Mittelwert ab, und zwar besonders im Sommer bei hoher Temperatur und entsprechender
Bakterienentwicklung. Dann liegt nämlich das Maximum nicht etwa im Hafengebiet selbst, sondern entwickelt
sich erst auf dem Wege elbabwärts bei gleichzeitig reziproker 0 2 -Verteilung. So wurden vom Hygien. Staats
institut zu Hamburg im August 1936 folgende Sauerstoffsättigungswerte zwischen dem Hamburger Hafen
und der Lühe festgestellt 13 :
St. Pauli (Hafen) 60%
Finkenwärder (unterhalb Stat. 28) .... 30%
Schulau 8%
Lühe 15%
Leider ließ sich eine gleichzeitige 0 2 -Analyse der Unterelbeproben aus Zeitmangel in dieser Arbeit
nicht durchführen, so wünschenswert sie auch bei der Erfassung des N-Kreislaufes an sich ist. Die Entwick
lung der Selbstreinigung, wie die weitere N0 2 '-Verteilung der Unterelbe macht von Monat zu Monat größere
Wandlungen durch. Nach einer nitritfreien Zone unterhalb des Pagensandes steigt der Gehalt mit den
beginnenden Absterbeprozessen des stärker stenohalinen Planktons im Brackwassergebiet erneut an, und
erreicht mitten im Wattgebiet (bei Elbe 4), in welchem die organischen Absterbeprozesse besonders stark
entwickelt sind, mit 17—18 mg im Mittel, ein sekundäres Maximum. Bemerkenswert ist die Lage dieses zweiten
Maximums grade im Grenzgebiet zwischen mesohaliner und polyhaliner Zone; in diesem stark ausgeprägten
Mischgebiet stirbt vor allem das Phytoplankton der polyhalinen Zone stärker ab und führt so zu der starken
NO s '-Entwicklung. Diese Tatsache erhärtet die von Kalle in den Konvergenzgebieten der südlichen Nordsee
beobachteten N0 2 '-Anreicherungen (siehe Anm. 3 Seite 5).
Die Nitritverteilung der Außenelbe in den einzelnen Jahreszeiten (Abb. 21) zeigt relativ hohe winter
liche Werte (bis zu 15 mg im Mittelgrundgebiet), die auf dem herbstlich-winterlichen Proteinabbau in der
Unterelbe und besonders in den schlickreichen Watten beruhen; in den an Organismen so reichen Schlick
watten muß ja jeder Nährstoffkreislauf besonders intensiv entwickelt sein. In diesem Zusammenhang seien
die Nitritbeobachtungen von Kalle im Lister Tief vor den Sylter Watten im Februar 1936 erwähnt, wo an
13 Müller: Verschmutzung der Unterelbe und ihre Folgen für die Fischerei. „Der Fischmarkt. - Cuxhaven 1936.
Seite 291—195.