6 Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums. — 58. ßd. Nr. 10.
Alle diese Untersuchungen werden aber dem wahren Charakter des Blitjes, wie er sich aus photo
graphischen Aufnahmen mit bewegter Kamera ergibt, nicht gerecht. Diese zuerst von B. Walter (1903) [5j
gewonnenen und erklärten Blitjaufnahmen zeigen nämlich, daß die Bli^entladung oft in mehreren nur
Bruchteile einer Sekunde auseinander liegenden Einzelentladungen in ein und demselben Blitjkanal erfolgt.
Es lag daher nahe, derartige Aufnahmen mit entsprechend feinen Messungen der Änderung des Feldes
zu vergleichen.
Derartige Messungen wurden von H. Heinze (1936) [9] ausgeführt. Er benutzte hierzu eine „Wilson
platte“, in deren Erdleitung sich ein Röhrenverstärker befand. Die auf diese Weise verstärkten, den
schnellen Änderungen des Feldes während eines Blitjes entsprechenden Ausgleichströme zwischen „W-Platte“
und Erde wurden mit einem elektromagnetischen Registrier-Instruinent, das ein etwa, zehnmal so großes zeit
liches Auflösungsvermögen als Wilsons Kapillarelektrometer hatte, aufgezeichnet. Um dieses große Auf
lösungsvermögen voll ausnutjen zu können, wurde die Zeitskala entsprechend groß gewählt. Während sie
bei Wilson von der Größenordnung 1 min. pro cm war, ging sie bei den Messungen von Heinze bis zu etwa
0.2 sec. pro cm, so daß im Zeitraum von 0.01 sec. aufeinander folgende Schwankungen deutlich getrennt
werden konnten. Die benutjte Kamera (Abart der „Boys-Kamera“ mit festen Objektiven und rotierender
Platte) gestattete in 0.0015 sec. aufeinander folgende Teilentladungen noch zu unterscheiden.
Auf Grund seiner Messungen aus 18 Gewittern kommt H. Heinze zu dem Ergebnis, daß alle Teil
entladungen eines Blitjes eine negative Feldschwankung hervorrufen, somit also auf eine Entladung einer
positiv geladenen Gewitterwolke hindeuten. Besonders bemerkenswert ist die Feststellung, daß der erste
Ausschlag einer jeden Blitjregistrierung den zu den Teilentladungen eines Blitjes zugehörigen Ausschlägen
entgegengesetjt ist, und somit einen plötjlichen, sehr schnellen Aufladungsvorgang anzeigt, der auch zwischen
den einzelnen Teilentladungen immer wieder einsetjt. Diese, den bisherigen Annahmen genau entgegen-
gesetjten Ergebnisse erklärt Heinze dadurch, daß Meßgeräte, wie sie von Wilson u. a. benutjt worden sind,
ihrer großen Trägheit wegen, die zu den Teilentladungen gehörigen Schwankungen gar nicht wiedergeben
konnten, sondern nur die Summe aller Aufladungs- und Entladungserscheinungen. Daraus folgerte er dann,
daß die mit jenen trägeren Instrumenten registrierte, von genannten Beobachtern als zu einem Blitj zu
gehörig angenommene Feldschwankung, vermutlich gar nicht die durch die Entladung hervorgerufene
Schwankung, sondern vielmehr umgekehrt, die durch die Summe der Aufladungserscheinungen bewirkte
Änderung des Feldes darsteilt.
Die Veranlassung zu den Messungen, die dieser Arbeit zugrunde liegen, gab sowohl die von Heinze
angeregte Wiederholung seiner Messungen unter gleichzeitiger Benutjung eines trägeren Regislrier-
instrumentes, um die oben genannte Erklärung Heinzes nachzuprüfen, als auch die Tatsache, daß die
Apparatur, wie sie Heinze benutjt hatte, lediglich Feldsprünge zu messen gestattete und nicht den wirklichen
Verlauf der Feldänderungen, worauf besonders P. Raethjen hinwies.
B. Apparatur.
I. Meßmethode.
Das für die Feldmessungen benutjte Verfahren ist die von C. T. R. Wilson [1] zur Messung von Ge
witterfeldern benutjte Methode.
Die Oberflächenladung eines Teils der Erdoberfläche steht mit dem darüber befindlichen Feld durch
die Gleichung
(1)
№ dV
ls= —— = 4 7t
d h
Q
F
in Beziehung, wobei (£ die Feldstärke, ■ ^ das Potentialgefälle, Q die Oberflächenladung und F den Flächen
inhalt bedeutet. Zu jeder Feldänderung gehört somit nach obiger Gleichung eine Veränderung der Ober
flächenladung. Bringt man ein bestimmtes Flächenstück, die sog. Wilsonplatte, isoliert so an, daß sie einen