Alfred Lohr: Beitrage zur Flugmeteorologie der Azoren
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III. Einwirkung- der Inseln auf das Stromfeld der Luft.
1. Allgemeine Strömungsverhältnisse im Inselbereiche.
Das Stromfeld der Luft über Inselbereichen wird nicht nur durch den Reibungsunterschied und die thermisch
bedingten Störungen beeinflußt, sondern in erhöhtem Maße dadurch, daß Steilküsten und Bergmassive als Hinder
nisse der Luftströmung wirken. Gebirgige Inseln, wie es die Azoren durchweg sind, geben für das Studium des
umgebenden Stromfeldes dasselbe Bild, wie wenn ein isolierter Block aus einer weiten Ebene hochragt, während bei
Gebirgen des Festlandes das Stromfeld durch das Vorgelände schon vollkommen gestört ist.
Die Strömungsverhältnisse um eine gebirgige Insel lassen sich folgendermaßen skizzieren: Setzt eine Strö
mung senkrecht auf eine Küste, so tritt Stau ein, der sich durch die Stauwolken, durch Stauniederschläge und auch
durch Staudunst äußern kann. Es findet ein Auseinanderfließen der Stromlinien statt, das Windabnahme im Ge
folge hat. An den Flanken gebirgiger Inseln werden beim Umströmen die Stromlinien zusammengedrängt und die
Luftteilchen beschleunigt. Neben dem Umströmen findet auch ein Überströmen der Inseln statt. Ersteres überwiegt
im Azorenbereich dann, wenn eine kräftige antizyklonale Temperaturumkehrschicht, die noch unterhalb des Strö
mungshindernisses liegt, die Luftströmung oben begrenzt Beim Umströmen der Inseln frischt oft ein Wind von
8—10 m/sec auf See auf 16—20 m/sec auf, wie wiederholte Windmessungen des Verf. auf San Miguel und Faial
ergaben. Besitzt eine Insel Steilküsten, so reißt die Strömung oft ab und schießt mit hoher Geschwindigkeit weiter,
während im Lee des Hindernisses der Totluftraum liegt. In solchen Fällen kann man dann auf See eine scharfe
Trennungslinie zwischen dem ruhigen Wasser des Totluftraumes und der durch die beschleunigte Strömung aufge
wühlten See weithin verfolgen. W. Ernst und H. Seilkopf (20) weisen darauf hin, daß diese abreißende Strö
mung sich durch erhebliche Böigkeit auszeichnet. Nach ihren Angaben sind in 10 sm Entfernung von einer Insel
derartige Böen schon angetroffen worden. Im Lee der Inseln senkt sich die Strömung und wird durch die geringere
Reibung auf dem Meere beschleunigt. In größerem Abstande von der Insel erreicht sie dann ihre richtige Ge
schwindigkeit. Wenn die Strömung sich senkt, so erreicht sie oft durch Fallböen, die aus Tälern ausschießen oder
durch sich bildende Leewirbel sehr große Böigkeit, die sich als kurze, scharfe Stoßböen äußern. Ist im Lee der Insel
eine Verstärkung des Luftdruckgradienten durch einen vorüberziehenden Tiefdruckwirbel bedingt, so fällt die Strö
mung eng an die Leehänge angeschmiegt steil auf das Meer ein. Dieser Vorgang ist vor allem hei steilen Küsten
durch heftigste Fallböen beim Fliegen gekennzeichnet. Die Böigkeit im Lee der Insel erstreckt sich meistens nur bis
zu einem Drittel der Höhe der Inselberge. Dann folgt ein Totluftraum, der häufig durch Leewolkenbildung kennt
lich gemacht ist, und darüber setzt dann etwas unterhalb der Kammlinie die normale Feldströmung ein. Sie ist nur
beschleunigt infolge Überströmens des Hinderniskammes. Gelegentlich der Studienfahrten der Deutschen Seewarte
nach Übersee sind schon wiederholt Beobachtungen über die Beeinflussung des Stromfeldes der Luft und des Luft
druckfeldes in Nähe der Inseln angeslellt worden. Es sei hier auf die Veröffentlichungen derartiger Beispiele durch
Perlewitz (19), Seilkopf (20), Soltau (21) und F. Wagner (22) hingewiesen. J. Georgi (23) hat Versuche im
Windkanal mit einem Modell der Insel Helgoland durchgeführt, die das Um- und Überströmen der Insel und die
Wirbelbildung im Bereiche der Insel zeigten. Eine Zusammenfassung auch der ausländischen Beobachtungsergeb
nisse über die Strömung an und um Inseln findet sich bei A. Baldit (24). Bei allen diesen Untersuchungen spielt
aber noch die Frage der thermodynamischen Einwirkung eine Rolle, die beispielsweise Perlewitz (a. a. O.) zur Er
klärung der Stromfeldstörungen mit herangezogen hat. Es müßten Vergleichsmessungen von Inseln aus verschiede
nen Klimazonen gesammelt werden, um den thermodynamisch bedingten Anteil abschätzen zu können.
Folgendes Beispiel für das gleichzeitige Über- und Umströmen eines Berges konnte der Verf. gelegentlich
einer Besteigung das Pico bobachten. Am SW-Abhang eines vor der portugiesischen Küste gelegenen Hochs herrschte
im Azorenbereich SE-Wind von Stärke 4—5. Zwischen 800 und 1300 m befand sich eine Sc-Schicht, aus der nur
einzelne Quellungen an den Bergflanken hochragten. Sowohl um die Nord- als auch um die Südseite des Pico zogen
Wolkenzungen in Form von Quellwolken nach der Leeseite, vereinigten sich aber hier nicht, sondern blieben durch
einen wolkenfreien Raum getrennt, wo die den Berg überströmenden Luftmassen herabströmten. Durch die Bewe-