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Full text: 58, 1938

Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens 
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bildung des gesamten Finnischen Meerbusens überhaupt. Die Festeisdecken der östlichen Küstengebiete sind dann 
wieder als weniger hinderlich anzusprechen, da in ihnen eine Eisbrecherhilfe effektiver ist. Selbst wenn also die 
absolute Bezwingung auch der größten Packeismassen kein Problem mehr ist, so ist damit keineswegs eine freie 
Passage für die Schiffahrt erreicht. Wirtschaftlich von Bedeutung kann die Eisbrecherhilfe nur dann sein, wenn 
eine entsprechend große Anzahl von Schiffen in einem kürzeren Zeitraum hinein und wieder hinaus geleitet 
werden kann. Dies ist aber nicht der Fall, selbst in normalen oder sogar milden W'intern besteht der Packeis 
gürtel östlich von Hogland fort. Schiffe, die nicht für Eisfahrt gebaut sind, also keine verstärkten Schiffswände 
besitzen und keine entsprechende Bugform aufweisen, sind dem Eis gegenüber machtlos. Selbst Kriegsschiffe, 
bei denen stärkere Panzerplatten auch stärkeren Widerstand bieten, können sich zufolge ihrer Größe und spitzen 
Bugform nur schwer im Eis bewegen, jedenfalls in Packeis. Die Erfahrungen mit den 1928/29 in der südlichen 
Ostsee zur Hilfe eingesetzten Kriegsschiffen bestätigen dies in mehreren Fällen. Die strategische Bedeutung eines 
Packeisgürtels von einer Breite, wie sie bei Hogland entwickelt ist, ist deshalb auch im modernen Zeitalter nicht 
zu unterschätzen. Es liegt nach dem Gesagten auf der Hand, daß folgende wichtige Eigenschaften der Kriegsschiffe 
illusorisch werden: schnelle Fahrt, große Beweglichkeit. Bei der Entwicklung des Flugwesens sind diese Nach 
teile weit bedeutender geworden, als die Vorteile durch die erfolgreichere Arbeit der Eisbrecher. Für seinen Holz 
handel wirkt sich die Absperrung Leningrads wirtschaftlich ganz besonders aus. 
Aber mit der Querung des Packeisgebietes bei Hogland ist die Schiffahrt nur in den seltensten Fällen wirklich 
frei. In normalen Wintern schließt sich westwärts ein mehr oder weniger langgestreckter Treibeisgürtel an, der 
mit den wechselnden Winden überlagert wird. Die Schiffahrt kann darum nicht regelmäßig hier auf gleich 
bleibende Eisverhältnisse rechnen. Selbst wenn westlich von Hogland nur loses Eis liegt, das den Handelsschiffen 
nur wenig Widerstand entgegensetzt, kann sich das während der Weiterfahrt nach Westen wesentlich ändern. Da 
auch der mittlere Teil des Finnischen Meerbusens mehrfach völlig mit Treibeis bedeckt ist, ergeben sich somit 
für die Schiffahrt hier unsichere Fahrtbedingungen. Treibeis, das ja auch aus großen Packeisschollen bestehen 
kann, die von dem Küsteneisrand abgebrochen sind, setzt den Schiffen bei starkem Wind arg zu. Die Pressungen 
sind bei großer Eisdichte erheblich, besonders bei ebenflächigem Eis. Arnold-Alabieff schreibt (Lit. Nr. 106, 
S. 63): „Von Interesse ist, daß ebenes Eis, sogar bei nicht sehr bedeutender Mächtigkeit, für Schiffe, welche für 
die Eisfahrt nicht geeignet sind, am gefährlichsten ist. Die Spannungen erreichen in diesem Eise höhere Größen 
als in der Packeisdecke, deren Zusammenpressen meistenteils auf Kosten der in ihm vorhandenen Zwischenräume 
geschieht. Außerdem wird der Bruch selbst wesentlich durch die ordnungslose Lagerung der Eisschollen er 
leichtert. — Die Zusammenpressung des Eises kann im Schiffe selbst Spannungen bewirken, die die Festigkeit 
der modernen Handelsschiffe mehrfach übertreffen. Beziehen wir den Druck einer ebenen Eisdecke, die sich dicht 
an die Außenwand des Schiffes anschmiegt, auf ein laufendes Meter längs der Wasserlinie, so werden wir mit 
extremen Werten zu tun haben, die nach Angaben über den zeitweiligen Druckwiderstand des Eises in der Ostsee 
einige zehn Tonnen betragen. — Eine annähernde Berechnung zeigt, daß der Grenzdruck des Eises auf die Schiffs 
seite in Tonnen, auf ein laufendes Meter längs der Wasserlinie bezogen, bei geringem, ständigen Frost 1 bis 1,5 
der in cm gemessenen Eisdicke beträgt. Mit zunehmendem Frost kann der Grenzdruck eine Größe erreichen, bei 
der die Anzahl der Tonnen doppelt so groß wird wie die Eisstärke in cm.“ 
Arnold-Alabieff weist in diesem Zusammenhang auf die Havarie der „Götaelf“ am 13. März 1929 hin 
(vgl. auch J. Richter, Die Eisverhältnisse der südlichen Ostsee und Beltsee im Winter 1928/29, Hamburg 1935), 
bei der die Schiffsseiten längs der Wasserlinie eingebogen wurden, das Eis sogar in das Schilfsinnere eindrang 
und das Deck herausgebogen wurde, die Wanten zerrissen. Das Schiff sank auf Grund dieses Eisschadens inner 
halb von 20 Minuten. 
Bei den finnischen Häfen nimmt die Periode, während der die Schiffahrt geschlossen bleiben muß, von 
Westen nach Osten zu, so daß Wiborg am längsten auf Schiffsverbindung verzichten muß. Da jedoch der Eis 
gürtel vor der finnischen Küste nicht so breit ist wie etwa vor Leningrad und die Möglichkeit, schnell in gün 
stiges Fahrwasser zu gelangen, relativ groß ist, wird die Schiffahrt lange mit Eisbrecherhilfe forciert. Finnland 
verfügt über eine größere Zahl kräftiger Eisbrecher, die zu Beginn und zum Schluß der Vereisung eingesetzt 
werden. Während die Schiffahrt bei Wiborg wegen der großen Eismengen im östlichen Finnischen Meerbusen 
am längsten geschlossen bleibt, wird schon bei Kotka ungleich länger, als seiner gegenüber Wiborg westlicheren 
Lage entspricht, die Schiffahrt offen gehalten. Wenn im Frühjahr schweres Eistreiben von Osten einsetzt, dann 
werden mitunter die Fahrwege innerhalb der Schären aufgebrochen, die im ruhigen Festeis liegen. Helsinki bleibt 
nur kürzere Zeit (1—2 Monate) unzugänglich.
	        
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