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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
VII. Bemerkungen zu den Tabellen der Eiswalirseheinlichkeit
nach Monatsdekaden.
Die beiden beigegebenen Tabellen gründen sich auf zweierlei Material. Die das gesamte Gebiet umfassende,
aber nur 23 Stationen zählende Tabelle verwertet das Material der Täglichen Eisberichte der Deutschen Seewarte.
Die andere Tabelle umfaßt nur estnische Stationen (insgesamt 29 Stationen) nach den „Sea Ice Observations made
in Estonia.“
Die zuerst genannte Tabelle gründet sich auf einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren und ist aus den
Diagrammen der gleichen Stationen (vgl. Abschnitt II) entstanden. Sie vermittelt in tabellarischer Form einen
Überblick über die Intensität der Vereisung, ausgedrückt in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Eis in einer
bestimmten Monatsdekade (jeder Monat zu 30 Tagen gerechnet). Die Zahlen geben keine Prozentwerte oder ähn
liche Verhältniszahlen an, sondern zeigen die absolute Zahl der Jahre von den insgesamt 10 Beobachtungsjahren
an, während der in dem betreffenden Monatszeitraum Eis aufgetreten ist. Hierbei ist es gleichgültig, wann und wie
lange das Eis während der betreffenden Dekade vorhanden war. Bei einer 10jährigen Berichtszeit sind Zufalls
ergebnisse selbst bei Dekaden nicht zu vermeiden, infolgedessen ist das Anwachsen und Abnehmen der Zahlen im
Herbst bzw. Frühjahr nicht kontinuierlich, sondern zeigt Unregelmäßigkeiten, selbst wenn in Wirklichkeit das
nicht deutlich zutage tritt. Längere, mindestens 20jährige Berichtsperioden, würden diese Ungleichmäßigkeiten aus-
gleichen und nur die wirklich ausgeprägten, konstanten Einschnitte im normalen Kurvenverlauf übrig lassen. Aus
demselben Grunde wäre die Eiswahrscheinlichkeit für Pentaden oder gar Tage bei nur 12 Jahren wesentlich unaus
geglichener als bei der Verwendung der Dekaden, die die durch die kurze Berichtszeit bedingten Schwankungen
stärker ausgleichen.
Aus den Zahlenreihen sind zunächst diejenigen auszusondern, die eine frühe Vereisung besitzen und gleich
zeitig im Hochwinter mindestens einen Monat über in jedem Jahre Eis zeigen. Ferner enteisen diese nicht vor An
fang Mai in mehreren Jahren. Zu dieser extremen Gruppe gehören die Stationen Kotka und Wiborg (Viipuri),
sie charakterisieren das Eisgebiet: östlicher Teil des Finnischen Meerbusens.
Helsingfors (Helsinki) vermittelt den Übergang zwischen dem letzteren und dem folgenden Eisgebiet der
finnischen Südküste, das die Stationen Porkala und Hangö (Hanko) Hafen sowie Hangö Westfjärd einschließt.
Es ist charakterisiert durch eine späte Beeisung; die Eis Wahrscheinlichkeit beginnt erst mit der ersten Dezember
dekade und steigt sehr langsam an. Die Wahrscheinlichkeit steigt auch im Maximum nicht auf zehn Jahre an, d. h.
also, daß hier bereits mindestens ein Winter ohne jede Eisbildung verlaufen ist. Die Enteisung erfolgt ebenso wie
im vorher besprochenen Eisgebiet sehr spät, die Wahrscheinlichkeit für Eis umfaßt sogar noch die letzte Dekade
des Mai.
Die Zahlen von Äbo (Turku) charakterisieren das Eisgebiet des Schärenmeeres, das an anderer Stelle bereits
behandelt wurde (vgl. Lit. Nr. 31, S. 45/46). Es ist durch einen frühen Beginn der Vereisung gekennzeichnet; die
Wahrscheinlichkeitskurve hat jedoch einen so flachen Anstieg, daß das Maximum, das hier alle Berichtsjahre um
faßt, erst Ende Februar erreicht wird und den März über andauert. Die Enteisung erfolgt rascher und sinkt von
7 Fällen in der letzten Aprildekade auf 2 in der ersten und 0 in der zweiten Maidekade.
Es folgt als nächstes Eisgebiet die Nordküste Estlands, bei der außer der ersten auch die zweite Tabelle
herangezogen werden kann, die einen Berichtszeitraum von 12 Jahren enthält und besonders wegen der dadurch
erreichten größeren Treffsicherheit und höheren Stationsdichte wichtig ist. Es ergibt sich, daß Hungerburg (Narva-
Joesuu) noch zu dem Eisgebiet 1 gerechnet werden muß, da die Wahrscheinlichkeitskurve dessen Eigenschaften auf
weist. Über die im Osten liegenden russischen Gebiete kann aus den Tabellen mangels von Belegstationen nichts
ausgesagt werden, es muß darum auf die gesonderte Besprechung der betreffenden Eisgebiete verwiesen werden.
Vorweg sei jedoch bemerkt, daß in der Bucht von Kronstadt die Eiswahrscheinlichkeit die höchsten Werte aufweist.
Die Nordküste Estlands von Purtse bis Odinsholm kann hinsichtlich der Eisgestaltung in zwei schmale
Längsstreifen untergegliedert werden: einen unmittelbaren Küstenstreifen und einen die Inseln umfassenden vor
gelagerten marinen Streifen. Zu ersterem gehören Reval (Tallinn), Suurup, Pakerort (Pakri), zu letzterem
Stenskär (Vainlu), Ekholm (Mohni), Kokskär (Keri),Nargö (Naissaar) und Odinsholm (Osmussaar). Die Küsten
gruppe ist in den Wahrscheinlichkeitswerten gekennzeichnet durch eine gegenüber den vorigen Eisgebieten später
eintretende Eiswahrscheinlichkeit, die erst im Dezember beginnt. Die nach den zehn Jahren aus den Tägl. Eis
berichten sich ergebende sehr späte Eiswahrscheinlichkeit für Reval steht in auffallendem Gegensatz zu den für die
gleiche Station geltenden Zahlen aus den estnischen Beobachtungen, nach denen die Wahrscheinlichkeit bereits im
November beginnt. Da jedoch die Tägl. Eisberichte sich nur auf die Fahrwässer beziehen, ist es erklärlich, daß die
estnischen Beobachtungen, die das gesamte Gebiet bei Reval betreffen, in den küstennächsten Teilen natürlich stär