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Aua dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
die Kulmination des Eises normalerweise erst im März zu erwarten ist, wird man die längere Zeit im März trotz
ihrer geringeren Intensität als natürlichere Hauptvereisung betrachten.
Der intensivste Vereisungswinter war der von 1925/26, in dem an nicht weniger als 88 Tagen hinterein
ander das Festeis bis zum Horizont reichte. Auch der Winter von 1927/28 wies eine lange Periode mit Festeis auf,
das aber in Gestalt zweier Maxima von Ende Januar bis Mitte Februar sowie von Mitte bis Ende März bis zum
Gesichtskreis ausgedehnt war. Dazwischen war es zurückverlegt, ohne jedoch aufzubrechen. Der Winter 1928/29
ließ sich zunächst milde an, nahm aber dann bald sehr an Intensität zu und zeigte eine relativ lange Festvereisung,
die sich über den Durchschnitt lange bis zum 8. Mai hinausschob, dann schloß sich noch die letzte Phase der
Enteisung in Gestalt einer lltägigen Treibeisperiode bis zum 19. Mai an.
Die Enteisung vollzieht sich in regelmäßigem Ablauf. Zuerst verliert das Eis seine Fahrbarkeit, sodann
bricht der periphere Teil auf, schließlich verliert der Küstenfesteisgürtel seine Gangbarkeit und wird nach weiteren
wenigen Tagen ganz aufgebrochen. Die Schlußphase besteht regelmäßig in einer mehrere Tage andauernden Treib
eiszeit, deren Länge im einzelnen schwankt, und natürlich von den Windrichtungen abhängt. Bei dieser Feststellung
ist der anormale Winter 1924/25 außer acht gelassen worden. Die Enteisung ist auch weniger großen zeitlichen
Schwankungen von Jahr zu Jahr unterworfen als die Beeisung. Eliminiert man die extrem milden Winter 1924/25
und 1929/30, die in den Diagrammen aus dem Rahmen herausfallen, so erhält man eine ziemlich ausgeglichene
Kurve der Enteisungsdaten.
Die milden Extremwinter zeigen in ihrer Reihenfolge das gleiche Bild: der erste von ihnen, 1924/25, ist
der mildeste, der letzte dagegen, 1932/33, ist nur hinsichtlich des Beeisungsdatums und des milden Verlaufs als
milder Winter anzusprechen, sein Abschluß fiel aber in eine Zeit, die nicht als extrem früh anzusehen ist. Er ent
eiste jedenfalls volle 20 Tage nach dem Termin, an dem die früheste Enteisung der 12jährigen Berichtsperiode
stattfand.
So ergibt sich für den Durchschnitt, daß die Beeisung zwischen 1.—31. Dezember zu erwarten ist, jedoch
sehr variabel ist und nicht zu der Hauptvereisung führt, deren Beginn erst etwa Mitte Januar liegt. Die Enteisung
findet etwa am 1. Mai statt, mit geringer Abweichungswahrscheinlichkeit. Bei der Lage von Kynö ist für die Ausbil
dung einer horizontweiten Festvereisung Voraussetzung, daß die umgebenden Gewässer bereits reichlich Treibeis auf
zuweisen haben, wiederum erst eine Folge lange anhaltenden und gleichmäßig weit verbreiteten Frostes. Die gerin
geren Kältesummen der letzten Winter haben zwar die Dauer der Vereisung noch nicht beschränkt, wohl aber die
Intensität; eine weitere Milderung der Wintertemperaturen würde dann auch zu einer Verkürzung der Vereisungs
periode führen müssen.
Da die Angaben für Kynö nach den Tägl. Eisberichten lückenhaft sind, wurde auf die Beigabe eines ent
sprechenden Diagramms mit Begleittext verzichtet. Das, was sich aus den vorhandenen Eismeldungen ergibt, deckt
sich mit den Ergebnissen des estnischen Materials.
KIHIfU \Dezember \ Januar I Februar I März I April I Mai
1923/24
1924/25
Abb. 41
1934/3 5