Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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matischen und marinen hydrographischen Einflüssen entzogen. Seine Lage am ausgehenden Strom des Rigabusens,
dessen Einfluß durchaus nicht gering ist, wie sich zeigen wird, modifiziert die Eisverhältnisse in charakteristischer
Weise.
Die Dauer der Vereisung ist überdurchschnittlich lang. Da Abruka im Grenzgebiet zwischen dem Küsten
bereich und dem freien Meerbusen liegt, ist an den Eisdiagrammen sowohl Festeis wie auch Treibeis beteiligt.
Obwohl die Vereisung lange währt, tritt doch nur relativ selten soweit ausgedehntes Festeis auf, daß sich kein
Treibeis mehr innerhalb Sichtweite befindet. Die Schwankungen sind zu Beginn der Vereisung groß, und zum
Schluß zwar geringer, aber noch wesentlich größer als bei anderen küstennaheren, und von Strömungen weniger be
rührten Stationen. Die Eisbildung ist lebhaft, aber sehr unregelmäßig. Besonders der milde Winter 1924/25 zeigt
unruhige Eisverhältnisse. Nachdem Anfang Dezember eine kurze Festeisperiode (Küstenfesteis) vorauf gegangen
war, zeigte sich vorerst lange kein Eis. Erst Mitte Februar, übrigens früher als bei anderen, kontinentaleren
Stationen, setzte die Eisbildung aufs neue ein. Es bildete sich Festeis, das mehrfach unterbrochen wurde und in
der zweiten Märzhälfte auch von Treibeis begleitet war. Im ganzen bestand der Winter aus fünf einzelnen Eis
perioden, von denen es schwer ist, eine einzelne als Hauptvereisung zu kennzeichnen. Vielmehr sind die dicht
hintereinander folgenden Perioden des Februar—März zusammen als „Hauptvereisung“ zu bezeichnen. Sonst hat
in den einzelnen Wintern eine Unterbrechung der Vereisung nur selten stattgefunden; merkwürdigerweise aber
einmal im tiefsten Hochwinter (29./30. Januar 1932). Dieser Zufall kann nur durch intensive Strömungsver
hältnisse im Zusammenhang mit ablandigen Winden erklärt werden. Die Vereisung ist also sonst kontinuierlich, wenn
auch nicht allzu stark. Der Küstenfesteisgürtel kann als regelmäßige Erscheinung betrachtet werden, dagegen
wechselt seewärts Treibeis, das wesentlich häufiger auftritt, mit Perioden ab, während der sich vorübergehend
Festeis, z. T. bis zum Horizont erstreckt. Es handelt sich dabei meistens um zusammengefrorenes Treibeis, das
durchaus aus anderen Eisgebieten stammen kann. Besonders wechselhaft waren in dieser Hinsicht die Jahre 1927/28,
1931/32 und 1933/34. Aber auch sonst, z. T. während der gesamten Vereisung, treten Zustandsänderungen des
Eises auf. Die Angaben der Tragfähigkeit wechseln weniger, weil sie sich vermutlich nur auf den naturgemäß
geringeren Änderungen unterworfenen Küstenfesteisgürtel beziehen.
Die milden Winter zeigen in ihrer Reihenfolge das gleiche Bild wie an den übrigen Eisbeobachtungsorten:
Sie nehmen an Intensität in den letzten Jahren zu. Gleichzeitig ist aber eine Abnahme der Vereisungsdauer der
normalen oder strengen Winter nicht festzustellen. Vielmehr fand die absolut früheste Eisbildung bei Abruka am
16. November 1933 statt. Sie führte sogar zu endgültiger Vereisung, die bis zum 22. April währte, einem Termin,
der kaum unter dem Durchschnitt liegt.
Wenn in acht von 12 Wintern die Vereisung mit festem Eis einsetzt, sei es auch nur für wenige Tage, so
hat das seine Ursache darin, daß seewärts zu diesem Zeitpunkt noch kein Treibeis vorhanden sein kann, das sich
meistens aus dem Abbruch des Küstenfesteises rekrutiert. Die höhere Wärmekapazität der offenen und tieferen See
verhindert auch für die ersten Vereisungsmonate eine maßgebliche Beteiligung von Schneeis, das an sich Haupt
lieferant des See-Eises ist. Die äußeren Teile des anfangs gebildeten Festeisgürtels brechen bei aufkommenden
Winden und stärkerer Strömung, sobald die Eisbildung bis zu einem gewissen Abstand von der Küste fort
geschritten ist, auf und bilden Treibeis.
Die Enteisung ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls beachtlichen Schwankungen unterworfen, besonders in den
letzten Jahren. Es hängt dies wohl allgemein mit dem nahezu ausschließlichen Auftreten von Treibeis, das leicht
zu extrem später oder früher Enteisung Anlaß geben kann, zusammen. Die Treibeisperiode am Schluß der Ver
eisung umfaßt in der Regel mehrere Wochen. Am längsten war sie in den Jahren 1930/31, 1931/32 und 1933/34
mit resp. 78, 56 und 57 Tagen mit Treibeis. An den jeweils letzten 15, 21 und 15 Tagen herrschte ausschließlich
Treibeis, der Küstenfesteisgürtel war dann bereits aufgebrochen. Die letzte Vereisung, von 1934/35, kann als
Mittel zwischen einem milden Typ und einem normalen angesehen werden. Sie war zwar kürzer (100 Tage) als
die des voraufgegangenen Winters (158 Tage), jedoch dehnte sich das Eis an 44 Tagen bis zum Horizont aus,
während dies 1933/34 überhaupt nicht der Fall war. Auch die Fahrbarkeit war nur um 16 Tage kürzer als
1933/34. Bemerkenswert bei dem letzten Beobachtungswinter ist, daß auch das Treibeis bis zum Horizont aus
gedehnt sein kann und nur vorübergehend fest wurde.
Die späteste Enteisung erfolgte am 15. Mai 1931, die früheste schon am 23. März 1930. Nacheisperioden
traten nur selten auf; von den einzelnen Eisperioden des Winters 1924/25 mögen ein oder zwei als solche ge
rechnet werden. Sonst findet sich nur die eine vom 26. April bis 3. Mai 1926. Dies ist aber, wie schon
angedeutet, bei Treibeis eine reine Zufälligkeit. Enteisung ohne Treibeis findet naturgemäß nur selten statt. Es
war 1925, 1930 und 1935 der Fall.
Das Auftreten des bis zum Horizont sich erstreckenden Festeises ist ein die Kulminationszeit gebunden;