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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte und des Marineobservatoriums — 58. Band, Nr. 3
Die Zahl der Eisperioden während eines Winters bei Dagerort erreicht bis zu neun (1925/26), von ganz
verschiedener Länge, trotzdem erreichte die Haupteisperiode nur einen Monat. Also auch das früheste Auftreten
von Eis besagte noch nichts für den Verlauf des Winters. In bezug auf die Intensität ist 1923/24 mit seiner etwas
längeren Hauptvereisung der strengste Eiswinter gewesen, eisfrei war 1924/25.
Zur Charakterisierung einer Hauptvereisung kann hier auch schweres Treibeis herangezogen werden, das
sich im wesentlichen nur durch die Tatsache, daß es in Bewegung ist, von starkem Festeis unterscheidet. Haupt-
Vereisungen, wo schweres Treibeis den Kern bildete, traten 1923/24, 1925/26 und 1928/29 auf, also in Wintern,
die nach den Erfahrungen bei anderen Stationen durchschnittlich als streng zu gelten haben. Im ersten Berichts
winter, 1922/23, war es nicht das schwere Treibeis, das eine Hauptvereisung kennzeichnete. Vielmehr ist als solche
die erste Eisperiode, die mit der stärksten Frostperiode zusammenfiel, anzusprechen.
Die Schwankungen des ersten und letzten Eises von Jahr zu Jahr sind erheblich und mehr von mechani
schen als thermischen Wirkungen abhängig. Eine Durchschnittsangabe besitzt bei Ristna nur theoretischen Wert,
wenn man sich nicht mit der Wahrscheinlichkeitsberechnung begnügen will (siehe S. 92 ff.).
Abb.29 nach: Tägl. Eisbericht der Dt. Seewarte.
27. Die Eisverhältnisse von Köpu.
Köpu ist an der Südwestküste der Halbinsel Dagerort (Ristna) gelegen, die den Nordwestzipfel der Insel
Dagö bildet. Durch den nach Nordwesten ragenden Sporn wird der baltische Strom zu einem Ausweichen nach
Westen gezwungen, woraus sich erklärt, daß die Eisverhältnisse von Köpu nicht in dem Maße marin beeinflußt
sind, wie es aus der freien, nach SW völlig geöffneten Lage zu erwarten wäre.
Die Schwankungen der Eisbildung sind sehr groß, dabei fällt jedoch das Vorherrschen von Festeis auf, das
nicht nur in den Hauptvereisungen, sondern auch in einzelnen kurzen Vor- und Nacheisperioden auftritt. Im
ganzen ist die Vereisung ziemlich gering, nur die Winter 1923/24 und 1925/26 besaßen eine etwas längere Dauer
der Vereisung von jeweils drei Monaten. Der strengste Winter war der von 1925/26, der auch die früheste Eis
bildung aufzuweisen hatte (21. Dezember). 1923/24 fand dagegen die späteste Enteisung statt (22. April). Der
Gegensatz gegenüber den Eisverhältnissen des wenig entfernten Emmaste ist auffallend. Winter, die dort als die
längsten galten, wie z. B. 1927/28 oder 1933/34, zeichnen sich bei Köpu durch ganz sporadische Eisbildung aus,
die nicht einmal zur Feststellung einer bescheidenen Kulminationsperiode ausreicht.
Das Zurücktreten des Treibeises gegenüber dem Festeis verwundert zunächst. Als Erklärung können nur
hydrographische Einwirkungen herangezogen werden. Durch die Ablenkung des Ostseestromes weiter nach Westen
hin, entsteht vor der Küste bei Köpu ein Stillwassergebiet ohne wesentliche Oberflächenströmung, wohl aber mit
Auftriebwässern bzw. ablandiger Wasserversetzung. Das Wasser wird in tieferen Schichten von Westen her ersetzt
und beeinflußt auf diese Weise die Eisbildung in ungünstigem Sinne. Allein aus dieser Feststellung mit ihren