Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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10. Die Eisverhältnisse von Hogland.
Die finnischen Eisberichte unterscheiden für das Seegebiet nördlich der Insel Hogland (Suursaari) meist
drei Eisarten: Festeis, Treibeis und Packeis. Während das Auftreten von Treibeis an keine Periode innerhalb
der Vereisung gebunden ist, erscheint Packeis erst in der zweiten Hälfte des Winters, wenn bereits genügend Eis
gebildet ist.
Bei der isolierten Lage, mitten im Seebereich, ist eine spätere Vereisung zu erwarten. Frühestens im De
zember, normalerweise im Januar, beginnt die Eisbildung. Das Festeis bildet sich zuerst, gelegentlich auch parallel
mit Treibeis (z. B. 1931/32). Wahrscheinlich ist, daß sich um die Insel ein Gürtel von Festeis bildet, an den
sich, insbesondere ostwärts, je nach Strömungs- und Windintensität ein verschieden breiter Gürtel von Treibeis,
im Hochwinter Packeis, anschließt. Ist der Winter mild und eisarm, dann kommt es nicht zu Packeisbildung oder
Eispressungen (1929/30), es kann dann auch der Fall eintreten, daß Treibeis herangetrieben wird, ohne daß die
Insel selbst Treibeis lieferndes Festeis aufweist. Dies war im März 1930 der Fall. Bei starkem, plötzlichem Frost
belegt sich der Meerbusen auch so schnell mit Festeis in den östlichen Teilen während des Hochwinters, daß das
Entstehen von Treibeis schon rein räumlich nicht mehr möglich ist bzw. stark behindert ist. Dann kann sich nur
Packeis bilden (1928/29).
Über den Beginn der Eisbildung gibt folgende Tabelle Auskunft:
Woche nach bzw. (Minuswerte) vor dem 1. Januar:
6.
2.
8.
4.
—2.
1.
11.
5.
—1.
'6.
—1.
—3.
3.
1.
FT
FT
F
F
F
T
T
F
T
T
F
FT
F
P
1931/32
30/31
29/30
28/29
27/28
26/27
24/25
22/23
19/20
18/19
16/17
15/16
14/15
13/14
F (Festeis), T (Treibeis), P (Packeis).
In der obigen Tabelle sind ferner die Eisarten angegeben, mit denen die Eisbildung beginnt. Es zeigt sich, daß
Treibeis und Festeis ziemlich gleichmäßig daran beteiligt sind, während Packeis nur ein einziges Mal (1913/14)
zuerst aufgetreten ist. Gleichzeitig geht aus der Aufstellung hervor, daß der Beginn erheblichen Schwankungen von
Jahr zu Jahr ausgesetzt ist.
Zur Charakterisierung des Auftretens von Packeis, das eine ausgesprochen hochwinterliche bis spätwinter
liche Erscheinung ist, sei tabellarisch der Wochenunterschied gegenüber dem oben angeführten Beginn festgehalten:
Packeis tritt auf in folgenden Wochen nach dem Eisbeginn:
9. 5. — 2. 5. 2. — 0. 4. — — — 1. . 0.
Jahr 1931/32 30/31 29/30 28/29 27/28 26/27 24/25 22/23 19/20 18/19 16/17 15/16 14/15 13/14
Daraus ergibt sich ein fast durchgehends späteres Einsetzen des Packeises, soweit überhaupt Packeis gebildet war.
Das Eismaximum scheint bei Hogland besonders lange anzuhalten: 1931/32 vom 11. 3. bis 22. 4., 1930/31
vom 13. 2. bis 17. 4. Der letztgenannte Winter zeigte während des langandauernden Paroxysmus des Eises deut
liche Schwankungen der auflagernden Schneedecke. In den Fällen, wo bei Treibeis und Festeis die gleiche Stärke
angegeben wird, kann man mit einiger Sicherheit annehmen, daß es sich hierbei genetisch um dasselbe Eis handelt.
Das Treibeis stammte in diesem Falle also von dem benachbarten Festeisgürtel. Treibeis von anderer Stärke
als das nahe Festeis dürfte herangetrieben sein. Der absolute Betrag der Stärke beider Eisarten erreicht sehr wech
selnde Werte. Als Durchschnitt dürften 30 cm gelten können, aber 1928/29 wuchs es auf 68 cm an.
Die größte Stärke besitzt natürlich das, vielfach auf Gründen festsitzende Packeis. Bei dem exponierten
Hogland können sich Strömung, Windrichtung und Eisdrift so kombinieren, daß Packeiswälle gigantische Aus
maße erreichen. Es sind 10 Meter und mehr hohe Berge über Wasser beobachtet worden. Je nach der Stärke der
Eisbildung und je nach der Intensität der mechanischen Faktoren wechselt die Höhe der Packeiswälle und gibt
nicht grundsätzlich ein Abbild der Strenge des Winters. So erreichte das Festeis 1928/29 hohe Stärkewerte
(68 cm) bei einer Höhe der Packeiswälle von nur 1 m im März und 60 cm im April (über Wasser gemessen ver
mutlich!). Die Bildungsmöglichkeiten für Packeis w'aren aber bei weitem nicht voll ausgenutzt, denn noch am
10. Mai entstand erneut Packeis, das zuvot bereits verschwunden war, und brachte es bis auf 1,5 m Höhe. In einem
anderen Falle (1927/28) trat das Maximum gleich zu Beginn der Packeisbildung ein während einer ausgesprochenen
Tauwetterperiode. Es erhellt daraus, daß die mechanischen Faktoren, die keine jahreszeitliche Periodizität besitzen,
sondern willkürlich episodisch einsetzen, für die Packeisbildung verantwortlich zu machen sind, das Vorhandensein
von ausreichend starkem Eis bildet den zeitlich begrenzenden Rahmen (zweite Hälfte des Winters), und die Eisstärke
wirkt modifizierend auf die Möglichkeiten der Packeisbildung ein.