Dr. Joachim Blüthg'en: Die Eisverhältnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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ohne Vor- oder Nacheisperioden und ohne jede Veränderung des Eischarakters. Auch die Vereisungen, in denen
bei sonst ähnlichen Verhältnissen, kurzfristige Lücken zu Beginn oder am Schluß der Eisperiode eintreten, gehören
durchaus diesem Typ an. Er setzt nicht nur eine ruhige Wetterlage, sondern auch eine günstige, geschützte topo
graphische Lage voraus. Wenigstens in den kritischen Zeiten vor und nach der Hauptvereisung müssen beide
Voraussetzungen bestehen. Bei diesen Wintern ist es für die Zuverlässigkeit der Angaben ziemlich belanglos, ob
während der Zeit der Hauptvereisung Eismeldungen nur spärlich gegeben werden oder ganz ausbleiben (1928/31).
Anders verhält es sich mit den veränderlichen Vereisungstypen, die bei Wiborg durch die Diagramme für
1922/23 und 1924/25 dargestellt werden. Während 1922/23 noch eine gewisse Konstanz erkennbar ist, die sich
in der ununterbrochenen Dauer des Packeises zu erkennen gibt, zeigt 1924/25 nicht nur unruhige Eisarten, son
dern auch deren raschen Wechsel. Erst im Februar reicht die Kälte aus, um die Eisverhältnisse in ruhigere
Bahnen zu zwingen (vgl. im übrigen die folgende Darstellung der Beziehung zur herrschenden Witterung). Ver
glichen mit freier liegenden Stationen (z. B. Porkala) sind diese veränderlichen Typen der Wiborger Eisver
hältnisse noch nicht extrem ausgebildet. Es herrschen dabei immer noch leichteres Treibeis und zusammen
geschobenes Eis vor, während Packeis (abgesehen von 1922/23) und schweres Eistreiben selten sind.
Für die Schiffahrt bedeutet dieser Vereisungstyp, wie ihn Wiborg im Durchschnitt darstellt, daß mit Eis
brecherhilfe ziemlich lange eine Rinne offen gehalten werden kann, da plötzliche Eishinderungen infolge wech
selnden Wetters unwahrscheinlich sind. Die Hauptvereisung, die hier im wesentlichen als Festeisperiode gekenn
zeichnet ist, dürfte aber größtenteils jede Schiffahrt verhindern (vgl. die Stärkeangaben der finnischen Berichte).
Hinzu kommt, daß sich andere Eisgebiete vor Wiborg befinden, die andere Schiffahrtsmöglichkeit besitzen, so daß
vielfach ein gewisser Nutzen ruhiger Eistypen für die Eisbrechertätigkeit aufgehoben wird. Das gilt natürlich auch
für die anderen Häfen ähnlicher Lage.
Der durchschnittliche Beginn der Eisbildung (d. h. in dem von den Tägl. Eisberichten erfaßten Fahrwasser)
fällt bei Wiborg in die ersten Tage des Dezember. In den Buchten liegt er früher. Da jedoch in mehreren
Wintern vorläufige Eisperioden auftraten, verschiebt sich der mittlere Beginn der Hauptvereisung wesentlich, bis
Ende Dezember. Allerdings ist er dann im einzelnen größeren Schwankungen unterworfen als der absolute
Eisbeginn. Der mildeste Winter mit dem zugleich spätesten Eisbeginn trat 1929/30 ein. Damals begann die vor
läufige Eisbildung am 27. 12., die Hauptvereisung erst am 28. 1. Demgegenüber war der früheste Termin des
Eisbeginns (zugleich auch der Hauptvereisung) der 14. November 1927. Die absolute Amplitude der zehn Be
richtsjahre beträgt also zweieinhalb Monate (bezgl. der Hauptvereisung).
Der Schluß der Vereisung ist geringeren Schwankungen von Jahr zu Jahr unterworfen. Er liegt in den
ersten Maitagen, hat sich aber im Laufe der zehn Jahre durchschnittlich mehr und mehr verfrüht. Als Extreme
stehen sich der 27. Mai 1923 und der 19. 4. 1925 bzw. 21. 4. 1930 gegenüber, also nur eine Schwankung von
eineinhalb Monaten maximal. Zudem vollzieht sich die Enteisung schnell, meist in Form von an Ort und Stelle
zerfallendem Eise, ohne Treibeis. Nur in einem Falle trat eine eintägige, vorläufige Eisfreiheit auf (1929).
Uber die Parallelität zwischen dem Gang der Temperatur und der Vereisung kann für die einzelnen Winter
folgendes festgehalten werden. Ende November treten in ganz Nordeuropa Temperaturen unter Null auf. Helsinki
zählte 1922/23 am 27. 11. 11 Kältegrade. Der Frost über Riga- und Finnenbusen hielt an. Die Windrichtung
wechselte, die Stärke war jedoch gering. Vorübergehend trat am 2. 12. warme Luft ein, die ebensowenig wie der
Wärmeeinbruch am 14. 12. das Eis nennenswert schwächte. Es zeigt sich also, daß bereits die erste intensive
Frostperiode genügend abgekühltes Wasser vorfand, um sofort eiswirksam zu werden. — 1923/24 beginnt leichter
Frost Ende November, der sich Anfang Dezember verstärkt und ebenfalls schon die endgültige Eisbildung bedingt.
W'ärmere Luft vom 5.—15. 12. macht sich zwar noch bemerkbar (schwächeres Eis), vermag aber die Kontinuität
nicht zu zerstören, bis um den 20. 12. erneut scharfer Frost eintritt und zu starker Festeisbildung führt. -—• Der
meist sehr mild verlaufende Winter 1924/25 zeigte am 4. 12. einen durch ein Tief über dem Finnischen Meerbusen
begünstigten plötzlichen Kaltlufteinbruch aus NNO, der in Wiborg zur Vereisung führte. Später wechseln die
Winde sehr, leichter Frost und Tauwetter lösen sich ab und verursachen recht unruhige Eisverhältnisse, die
schließlich am 6. Januar zu völliger Eisfreiheit führen. Erst der an diesem Tage einsetzende Polarluftvorstoß
bedingt Neueisbildung, und es wiederholt sich dasselbe wie zuvor bis Ende Januar, wo dann endgültig Frost
herrscht und Festeisbildung erzwungen wird. — Im folgenden Winter (1925/26) setzt schon am 20. 10. leichter
Frost ein, der aber noch eisunwirksam bleibt und bald von Warmluft abgelöst wird; erneuter leichter Frost am
1.11., darauf wieder Warmluft. Eine dritte Frostperiode beginnt am 8. 11., die nach einiger Zeit auch zu Eis
bildung führt. Folgende Warmluft vermag nichts mehr auszurichten. Der am 24. 11. einsetzende scharfe Frost ver
stärkt das vorhandene Eis rasch. Das Auftreten von Schneefall am 16. und später am 24. 11. hat vermutlich sehr
dazu beigetragen, eine Eisdecke zu schaffen. Die zwei eisunwirksamen Frostperioden vor der Eisbildung sowie der