Dr. Joachim Blüthgen: Die Eisverhähnisse des Finnischen und Rigaischen Meerbusens
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buchtenreiche Küste aufweist, besitzt der übrige See einen relativ geschlossenen und nur großzügig gebuchteten
Umriß.
Alle diese Tatsachen haben ihren besonderen Einfluß auf die Eisverhältnisse, und der Verlauf der Eisver
hältnisse wird ergeben, daß die bathymetrischen und topographischen Faktoren weitgehend zur Erklärung heran
gezogen werden müssen.
3. Strömungen.
Uber die Meeresströmungen im Bereich des Untersuchungsgebietes läßt sich nur sehr wenig sagen, da die
Beobachtungen sehr spärlich und verstreut sind. Aus der Bearbeitung der Eisverhältnisse ergaben sich wiederholt
untrügliche Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer Strömung, so daß es mangels direkter Messungen nötig
war, zur Charakterisierung der Strömungsverhältnisse auch derartige Deduktionen zu verwenden, obwohl ihnen
natürlich größere Unsicherheit anhaftet.
Die Wasser Versetzung erfolgt gegen den Sinn des Uhrzeigers an den östlichen Küsten der Ostsee entlang
nach Norden. Die Westküsten des Baltikums werden von dem relativ salzreichen und warmen Strom bespült, vor
den Inseln und vor der Pforte von Zerel sowie vor der nördlichen Mündung der Straße von Moon wird diese
Strömung seewärts verdrängt, da an diesen Stellen aus dem Inselschelfmeer und aus dem Rigabusen ausgehende,
allerdings schwache Ströme einmünden. Umgekehrt zweigt, wenn auch keineswegs deutlich ausgesprochen, ein Teil
des Ostseewassers um Domesnäs herum ab in den Rigaischen Meerbusen hinein, wo es bis zu dessen Ostküste spür
bar ist. Entlang der nordestnischen Küste verläuft der Ostseestrom innerhalb der tieferen Rinne nach Osten. Noch
bei Reval ist das wärmere, salzreiche Wasser aus dem Westen an der Milderung der dortigen Eisverhältnisse
maßgeblich beteiligt. Dagegen ist der östlichste, flache Teil des Finnenbusens nicht mehr, oder wenigstens nur
ganz sporadisch bei besonderen Wetterlagen, von dem genannten Strom berührt, der vielmehr auf der Höhe von
Hogland nordwärts umbiegt, sich mit dem aus dem Ostzipfel stammenden salzarmen Wasser vereinigt und ent
lang der Südküste Finnlands vor dem Schärengürtel westwärts strömt nach dem Schären- und Älandsmeer hin.
4. Temperaturverhältnisse an der Wasseroberfläche.
Die Oberflächentemperaturverhältnisse im Finnischen Meerbusen werden charakterisiert durch eine positive
Abweichung längs der estnischen Küste. Diese steht im Zusammenhang mit dem Einströmen wärmeren Ostsee
wassers aus dem Gotlandtief nach Nordosten, durch die Wirkung der Erdrotation an die estnische Küste gedrängt.
Die Nullgradisotherme des Oberflächenwassers im Februar verläuft aus dem Schärenmeer in ostsüdöstlicher Rich
tung durch die Mündung des Finnischen Meerbusens auf die estnische Küste in der Bucht von Kolkovik, östlich
von Reval.
Auch im Mai liegen die Verhältnisse ähnlich, nur daß hier die +4-Grad-Isotherme den gleichen Verlauf
zeigt und im Nordosten, nahe der Finnischen Küste vor Frederikshamn, ein Gebiet mit tieferen Temperaturen be
steht (unter +3°).
Anders ist der Temperaturverlauf im August. Hier sind die küstennahen Gewässer wärmer als die zen
traleren, tieferen. Besonders die nordöstliche Küste zwischen Wiborg und Leningrad besitzt diesen Wärmeüber
schuß, der in gleicher Höhe erst wieder im Bereich der ostpreußischen Küste (Frisches Haff) und der mecklen
burgischen Küste erreicht wird. Wenn auch diese Sommerwerte nicht unmittelbar wesentlich für den Verlauf im
Winter sind, so zeigen sie aber doch, in welcher Richtung etwaige kontinentale Einflüsse zu suchen sind •— wich
tig werden erst die positiven oder negativen Abweichungen der sommerlichen Meerestemperatur vom langjährigen
Mittel.
Die Umkehr dieses sommerlichen Temperaturgefälles zu dem winterlichen, wie es die Februartemperaturen
anzeigen, vollzieht sich im November bereits deutlich. Im Bereiche der Mündung des Finnischen Meerbusens
weisen die Küsten höhere Temperaturen auf als der mittlere Streifen. Dagegen queren die Isothermen östlich des
27. Längengrades den Meerbusen nördsüdlich mit einer raschen Temperaturabnahme des Oberflächenwassers nach
Osten. Die mittlere estnische Küste, die durch Halbinseln und Buchten reich gegliedert ist, bildet auch hier wieder
eine Isothermengrenze (vgl. Februar und Mai).
Der kontinentale, im Herbst abkühlende Einfluß macht sich von der Newabucht her geltend und setzt sich
konzentrisch westwärts fort. Erst westlich von Kap Jamina zeigt sich die thermische Bevorzugung der estnischen