Dr. J o a c h i ni Blüthgen : Eisbeobachtungen in der Gävlebucht
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Für die Eisbrechertätigkeit ist die Untersuchung des Eises seiner Beschaffenheit nach wesentlich. Die
in den offiziellen Eisberichten gemeldeten Eiszustände wurden den wirklich herrschenden, mannigfaltigen Ver
hältnissen nicht so gerecht, daß sie von wirklich praktischem Nutzen waren. Mehr als einen rohen Überblick
können sie nicht geben, und für einen Überblick ist eine ins Einzelne gehende Eisterminologie schwer zu hand
haben. Trotzdem sind zur Zeit in Schweden, wie ich beim Wetterdienst in Stockholm erfuhr, neue Eisbeob
achtungsanweisungen mit genaueren Begriffsfassungen ausgearbeitet und den Beobachtungsstationen zugestellt
worden. Daß noch eine Diskrepanz zwischen den tatsächlichen Eisverhältnissen und den Berichten besteht,
zeigen z. B. die in den Wintermonaten täglich über den schwedischen Rundfunk ausgegebenen Eisberichte, die
während der hier besprochenen Zeit die Eisverhältnisse um Eggegrund folgendermaßen charakterisieren: In den
Küstengewässern nach Gävle Festeis, seewärts nach allen Richtungen schweres Packeis. — Vergleicht man das
mit den hier mitgeteilten Beobachtungen, so ergibt sich eindeutig, welche Definitionsschwierigkeiten hier vorliegen.
Gävle ist der südlichste der norrländischen Häfen; er wird nach Möglichkeit den ganzen Winter über
offen gehalten. (Im Kgl. Kommerskollegium in Stockholm [Dr. H. Eneborg, unveröffentlicht] sind Unter
suchungen angestellt über die Bedeutung dieser Tatsache für die Wirtschaft.) Die Schiffahrt ist infolgedessen
auch im Winter lebhaft. Da nun gleichzeitig eine die Norm überschreitende kontinuierliche Vereisungsperiode
im Arbeitszeitraum eintrat, ergab sich die für die Durchführung der Untersuchungen günstige KonsteRation:
Schiffahrt trotz schwieriger Eisverhältnisse. In dieser Tatsache liegt die Grundvoraussetzung dafür, daß die
vorhegenden, umfangreichen Beobachtungen überhaupt möglich waren. Während der strengen Eisperiode war
es selbst mit Eisbrecherhilfe schwierig, die Schiffahrt aufrechtzuerhalten, was auch in den täglichen Telegram
men von „Ymer“ zum Ausdruck kam.
Klimatologisch ergab sich durch die angetroffene Wetterlage eine klare Bestätigung der bereits früher
ausgesprochenen Ansicht, daß im März und April, durch die Zyklonenbahnen begünstigt, die Eismeerkaltluft
vom Barentsmeer südwärts über Nordskandinavien vorstößt (am 13. März wurden in Lappland bei Boden, also
in niedriger, der Bottenwiek naher Lage, —32° gemessen) und ganz besonders die Eisblockierung der schwe
dischen Bottenküste begünstigt. Wenn auch durch die einmonatige Erfahrung selbstverständlich keine stärkeren
Beweise, als sie bisher vorgebracht sind, geliefert wurden, so war es möglich, den arktischen Charakter dieser
Winterwetterlage selbst zu erleben, besser als dies Instrumente auszudrücken imstande sind. Der Wind schwankte
meistens zwischen N und O, die Temperatur hielt sich konstant niedrig und zeigte selbst bei Sonnenschein
mittags keinen Anstieg (im Schatten gemessen); die Luft besaß eine hohe relative Feuchtigkeit, die in den
häufigen Schneefällen zum Ausdruck kam, besonders in dem Schneetreiben (winzige Kristalle) bei gleichzeitig
sichtbarem klarem Himmel. Diese Labilität in bezug auf Schnee ist auch eine aus der Arktis bekannte Tat
sache. Die Intensität der Schneefälle freilich hing zusammen mit der Nähe der südwärts befindlichen Tief
druckgebiete; in Lappland selbst äußert sich diese arktische Kaltluft eindeutiger, dort bleibt das Wetter im
Bereich dieser Luftkörper klarer und bringt nachts eher die Extremminima hervor, von denen vorhin die
Rede war.
Ich habe verzichtet, zu den vorliegenden Untersuchungen Literatur heranzuziehen. Was das Regionale
betrifft, so ist Literatur zitiert in der Arbeit des Verfassers über „Die Eisverhältnisse des Bottnischen Meer
busens“ (Archiv der Seewarte 55, 3); was aber die Eisterminologie betrifft, so müßte man Eisterminologien
arktischer Eisverhältnisse, von denen es einige gibt, heranziehen und dabei Versuche anstellen und Unterschiede
erarbeiten. Das erfordert eine Untersuchung für sich und kann nicht mit dem vorliegenden, nur aus der Gävle
bucht stammenden Beobachtungsmaterial besorgt werden. Es sei vorweg bemerkt: das Eis der Ostsee zeigt
manche wichtige Unterschiede gegenüber polarem Eis. Diese Arbeit kann aber erst nach Einsammlung weiterer
Erfahrungen über das Eis der Ostsee und vergleichsweise über polares Eis angefaßt werden. Die vorliegenden
Beobachtungen und ihre Auswertung sollen ein kleiner Beitrag dazu sein.