Dr. Joachim Blüthgen: Eisbeobachtungen in der Gävlebucht
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flächen (Abb. 18, 19). In der Gävlebucht überschritt die Höhe über Wasser nicht einen Meter, das ergibt für die
Tiefe unter Wasser maximal 7 m. Man ist zunächst beim Anblick dieser oberflächlich unbedeutend erscheinenden
Ausmaße geneigt, ihnen keine besondere Bedeutung beizumessen. Wenn man aber die Gleichgewichtsverhältnisse
von Eis und Wasser berücksichtigt, und gleichzeitig die Tätigkeit des Eisbrechers in solchen Eiswällen beob
achtet, dann erkennt man, welch beachtenswerte Hindernisse solche Eispressungen sind. Ein geringer Höhen
unterschied über Wasser vergrößert sich unter Wasser zumindest auf das Siebenfache. Beim Messen darf man
natürlich nicht Einzelheiten berücksichtigen. Eine einzelne hochkant stehende Scholle innerhalb eines Walles
ändert das Gleichgewicht nicht gegenüber flacher Lagerung. Es ist darum zuverlässiger bei Stärkeschätzungen,
flacher geschichtete Wälle heranzuziehen.
In dünnerem, aber festem Eis, auch in ehemaligem Tellereis, treten die Eiswälle dichter und in kleinerer
Form auf. Hier sind auch die Einzelstücke nicht groß. Man kann sie gewissermaßen als Miniaturausgaben der
großen Eiswälle betrachten. Ihr dichteres Auftreten führt dazu, daß man von Walleis sprechen kann. Beson
ders von den höheren Stellen des Schiffes, also bei steilerem Gesichtswinkel, erhält man einen guten Eindruck
dieser Phänomene.
Eispressungen größeren Maßstabes finden sich ebenfalls in der nördlichen Ostsee, aber Verfasser konnte
sie aus persönlicher Anschauung heraus nicht studieren. Sie scheinen doch mehr der Bottenwiek anzugehören,
und da vornehmlich der Außenzone des Schärengürtels. Berichten und Abbildungen nach zu urteilen, können
sie zu richtigen Eisbergen anwachsen, von mehreren Metern Überwasserhöhe, die auf Gründen festsitzen und
dort bis zum frühsommerlichen Abtauen festbleiben.
10. Waken und Wasserrinnen.
Im Gegensatz zu den Eiswällen stehen die Waken und Wasserrinnen. In schwerem Treibeis stellen die
Waken ungleichförmige, noch offene Wasserstellen dar (Abb. 23); oft sind sie durch Neueisbildung eingeengt
auf eine geringe Fläche, an deren Kante sich die Wasservögel aufhalten (Abb. 9). Waken sind also Über
bleibsel eines Driftvorganges, verbunden mit Neueisbildung. Auch innerhalb größerer Neueisflächen treten noch
derartige Waken auf (Abb. 25).
Anders verhält es sich mit den Wasserrinnen. Diese sind auf Zugkräfte zurückzuführen. Bei Wind in
Richtung zum offenen Wasser reißen größere Eisflächen an Schwächelinien oder -zonen ab und treiben ab.
Wasserrinnen haben größere Erstreckung und eher die Form eines Kanals. Ihre Begrenzung ist scharf. Han
delt es sich aber um Tellereis mit Eisbrei, dann liegen innerhalb der Wasserrinne oft noch kleinere Eisflächen
und Pfannkucheneis, das emporgequollen ist. Wo sich die Wasserrinne verästelt, ist sie im ganzen breiter.
Wasserrinnen spiegeln sich ebenso wie die offene See bei Stratus- oder Nimbuswolken mittlerer Höhe
deutlich als dunkle Streifen am Himmel. Es ist dadurch möglich, die Verteilung von Eis und offenem Wasser in
großen Zügen aus der Feme zu beurteilen (in den beigegebenen Karten berücksichtigt). Umgekehrt machen
sich größere Eisflächen als weißer Widerschein bemerkbar. Die Erscheinung des Eis- und Wasserhimmels, wie
dieses Phänomen allgemein genannt wird, ist im übrigen von Polarfahrten her bekannt.
11. Ei s gre n z 1 i n ien.
Bei der Besprechung der einzelnen Eisarten muß die Art ihrer gegenseitigen Abgrenzung besprochen
werden. Im allgemeinen wird man einen allmählichen Übergang erwarten. Dies trifft auch in der Mehrzahl
der Fälle zu, aber nicht immer. Die selteneren Fälle seien hier genauer betrachtet.
Zwischen festliegendem Eis, ganz gleich, welcher Zusammensetzung und Herkunft, und treibendem Eis
bildet sich eine messerscharfe Linie aus, die man als Verschiebungslinie (Abb. 26, 27) bezeichnen kann. Hier
ist das treibende Eis auf das feste Eis gestoßen und an ihm entlanggeglitten. Je stärker der Druck und die Eis
massen sind, um so deutlicher die Erscheinung. Die Linie ist überraschend gerade und kann als Leitlinie weit
verfolgt werden, für die Eisbrechertätigkeit war sie sogar als Orientierungslinie nützlich. Auf dem Festeis (im
weiteren Sinne) ist Schnee und Eisbrei aufgestaucht, die schwach gewölbte Verschiebungsfläche ist glatt, und ihr
vorgelagert sind Eisbrei und später Treibeis. Die Aufstauchung auf dem treibenden Eise entlang der Grenzlinie
ist nur gering. Das Querprofil zeigt demnach folgendes Bild:
Abb. 4