Erich Goedccke: Beiträge zur Hydrographie der südlichen Nordsee
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IV. Der Zusammenhang- zwischen der atmosphärischen Abkühlung- im Januar und
den zeitlichen Änderungen der Temperatur und des Salzgehaltes im Oberflächen
wasser der Ho ofden.
Es wurde eingangs schon in der Tabelle (siehe S. 6) darauf hingewiesen, daß der hydrographische
Zustand des Untersuchungsgebietes hinsichtlich der Temperatur- und Salzgehaltsverteilung während der
„Poseidon“-Fahrt großen, zeitlichen Änderungen unterworfen war. Die Kräfte, die in erster Linie den hydro
graphischen Zustand des Untersuchungsgebietes während des Januar verändert haben, sind in den zu dieser
Jahreszeit stark wechselnden atmosphärischen Strömungen zu suchen. Um den Einfluß der atmosphärischen
Störungen auf die hydrographischen Verhältnisse kennen zu lernen, soll in kurzen Umrissen zuerst die über
dem untersuchten Gebiet vorhanden gewesene Großwetterlage (17) erläutert werden. Um die Übersicht über
den Wetterablauf des Monats Januar zu erleichtern, ist der Monat in drei Dekaden eingeteilt worden: 1. Dekade
vom 1.—10.1. 35, 2. Dekade vom 11.—20.1. 35, 3. Dekade vom 21—30.1. 35.
Zur Zeit der ersten Dekade: Während der ersten Hälfte der ersten Januardekade stehen sich über Mittel
europa zwei Aktionszentren gegenüber. Von Westen und Südwesten strömt subtropische Warmluft ostwärts
vor und von Osten fließen russische Kaltluftmassen nach Westen ab. Die Überschwemmung Mitteleuropas mit
diesen verschiedenartigen Luftmassen macht sich durch einzelne kräftige Vorstöße aus Westen und Osten
bemerkbar. In der Mitte der Dekade herrscht daher über der Nordsee ein starker Druckgradient- und Tem
peraturgegensatz. Über dem Gebiet der südlichen Nordsee findet gegen Ende der ersten Dekade eine erhebliche
Temperaturabnahme statt. Durch die Entwicklung eines stationären Hochdruckgebietes und durch Ausbildung
von Hochdruckkeilen über Mitteleuropa wurde das weitere Westwärtsvordringen der kontinentalen Kaltluft aus
dem Osten abgestoppt.
Zur Zeit der zweiten Dekade: Am Anfang dieser Dekade befindet sich die Kaltluft über Mitteleuropa
im Rückzugsstadium, und maritime Warmluft aus Nordwesten stößt vor. Durch die an Stärke zunehmende
Südwestströmung am Nordwestabhang des mitteleuropäischen Hochdruckkernes ziehen an der Frontalzone
zwischen der nordatlantischen Warmluft und der tief temperierten, arktischen Luft von Grönland einzelne
Störungen mit außerordentlicher Geschwindigkeit nordostwärts. Auf der Rückseite der sich bei Schottland zum
Sturmtief entwickelnden Störung stößt grönländische Kaltluft weit südwärts vor. Auf warme Luftmassen aus
Südwesten folgt kontinentale Kaltluft und auf Warmluft aus Westen folgt maritime Polarluft. Schneller
Wechsel der atmosphärischen Störungen hinsichtlich ihrer Bewegungsrichtung und Stärke ist zu dieser Zeit
charakteristisch. In der Mitte der zweiten Januardekade tritt durch Ostwärtswanderung des ostatlantischen Hochs
über ganz Westeuropa Druckanstieg ein. Am 16. Januar liegt ein mächtiges, dynamisches und quasistationäres
Hoch mit seinem Kern über dem englischen Kanal und es bleibt für die weitere Wettergestaltung West
europas maßgebend. Durch die langsame Nordwärtsverlagerung dieses Hochs und durch Ausbau eines Hoch
druckkeiles nach Skandinavien kann kalte, festländische Luft nach Mitteleuropa strömen.
Zur Zeit der dritten Dekade: Durch die fast stationäre Lage des antizyklonalen Aktionszentrums im
Westen Europas können sich die benachbarten Zyklonen ständig vertiefen. Über der Nordsee entwickelt sich
daher ein Sturmtief gegen Mitte der dritten Januardekade. (Am 26. Januar wurde die geplante achttägige Fahrt
in die Deutsche Bucht abgebrochen.) Dadurch wurden Kaltluftvorstöße nach Mitteleuropa in Bewegung gesetzt.
Gegen Ende der letzten Dekade finden Einbrüche maritimer Kaltluftmassen statt und eine anhaltende Nord
west- und Nordostwindwetterlage bildet sich heraus.
Wenn wir die Ausführungen über diese Großwetterlage über dem Gebiet der Hoof den während der
„Poseidon“-Fahrt noch einmal überblicken, so können wir feststellen, daß trotz der Abwechslung der ein
strömenden Warm- und Kaltluftmassen über Mitteleuropa der Einfluß der maritimen oder kontinentalen
Kaltluft auf den hydrographischen Zustand dös Hoofdenoberflächenwassers augenscheinlich am größten war.
Im einzelnen darüber ist Folgendes zu berichten:
Wegen des engen Zusammenhanges zwischen den durch die Großwetterlage bedingten, über dem Unter
suchungsgebiet jeweils vorherrschenden Winden und den beobachteten Veränderungen der hydrographischen
Verhältnisse im Hoofden-Oberflächenwasser sind die Windbeobachtungen von vier an der Peripherie des Unter
suchungsgebietes gelegenen Küstenorten des Monats Januar in je drei Dekaden zusammengefaßt worden. Diese
Orte sind Great Yarmouth an der englischen, Helder und Vlissingen an der holländischen und Calais an der
französischen Küste. Im allgemeinen stimmen die Windrosen dieser vier Küstenstädte für alle drei Dekaden
gut überein. Als Beispiel werden hier die Windbeobachtungen von Vlissingen (Fig. 34a—c) wiedergegeben.