Gerhard Isbary: Das Inselgebiet von Ameland bis Rottumeroog
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Dünenfußes nur nach großen Mühen zu überqueren. Oft sank ich bis an das Knie in den schwimmenden und
saugenden Sand ein. Beim Herausziehen meines den Grund prüfenden Stockes erschienen lebhafte Sprudel von
Luftblasen an der dünn mit Wasser bedeckten Oberfläche.
Das Wasser der Sturmfluten, das sich von der See aus flächenhaft über die Strandfläche ausbreitet und
zum Watt abfließt, wo bei verspäteten Gezeiten gegenüber der offenen See Hochwasser noch nicht eingetreten ist,
hält sich vom Beginn eines hindernden Urdünenfeldes an Gaten offen. In ruhigen Zeiten können sie wohl zeit
weilig dem Dünenfeld einbezogen werden, aber sie bleiben bis zur Bildung einer Außendüne immer leicht wieder
aufreißbare Schwächestellen. Beim Durchbruch gräbt sich das Wasser zusammengepreßt tiefer ein und legt so
die Priele der Urdünenfelder an, die dann von den Gezeitenströmen der Wattseite ausgestaltet werden. Beständigere
Uferränder erhalten sie nur im Klei- oder Grasland. Oft werden sie durch neue Ansandung im S in ihrem Unter
lauf zugeschüttet. Der Oberlauf bleibt dann als blinder Graben noch einige Zeit erhalten. Bei häufiger Umgestaltung
des Urdünenfeldes können mehrere Prielsysteme verschiedener Entwicklungsstadien nebeneinanderliegen. Eine
andere Art von Prielen der Strandebene sind jene, die sich auf eingeschlossenen Strandflächen aus der Dellenrinne
vor der ehemaligen Außendüne entwickeln. In jedem Fall erfordernPriele auf der Strand
fläche die v o r a n g e g a n g e n e Bildung eines beliebig weit entwickelten Dünen
feldes.
Die Anwesenheit des dem Watt zu drängenden Wassers in der Mitte der Strandfläche wirkt nachhaltig auf
die Ausbildung des Urdünenfeldes ein. Das Wasser staut sich an dem Hindernis und fließt den offen gehaltenen
Gaten zu. Dadurch wird der Rand des Urdünenfeldes von der Seeseite aus angeschnitten und stärker heraus
gearbeitet. Der Sand vorspringender Teile wird in Einbuchtungen wieder abgesetzt und dadurch das Urdünen-
feld seeseitig zusammengeschlossen bis zur Ausbildung eines deutlich betonten Dünenfußes, ja oft eines Kliffs; es
wird gleichmäßig abgeschliffen und in der Richtung auf das Gat zu gerundet, das dabei eine trichterförmige
Gestalt annimmt. Schließlich tieft das vor dem Diinenfuß entlangströmende Wasser eine Rinne aus. Ihr Boden
wird bald durch mitgeführten Grus und Schlibb und durch sich ansiedelnde Algen und Diatomeen gefestet, die
bei Austrocknen der Rinne als dünne Haut Zurückbleiben. Dem Dünenfeld wird damit seeseitig die Möglichkeit
weiterer zusammenhängender Ausdehnung entzogen. Der vom Wind in die Rinne geblasene Sand bleibt nicht
liegen, ob sie ausgetrocknet oder voll Wasser ist. Auf dem fest zusammenhaltenden, glatten Boden kann der Sand
sich der Kraft des Windes oder des Stromes nicht entziehen. Er wird mitgeführt oder auf die Dünen hinaufgerollt.
Am Rande des vom Wasser angeschnittenen und abgerundeten Dünenfeldes ist die Sandzufuhr am stärksten;
hier vermag das Ammophilion am besten zu gedeihen. Damit kehrt sich das Profil der Düne allmählich um. Es
bildet sich dabei eine Äußendüne heraus, welche das der Binnendüne vorgelagerte Triticetum in Bogenform ein
schließt; langsam klingt sie an den der Herkunft des Sandes abgewandten Flügeln ab. Der so geschaffene Dünen
boden zeigt, solange noch Übersandung, wenn auch in geringem Maße, stattfindet, Reste des Triticetums und verrät
dadurch seinen Ursprung.
Im Schutze der Binnendüne entwickelt sich eine Salzpflanzengesellschaft, die eine weitere Aufhöhung des
Grünlandes begünstigt. Die Aufhöhung geht anfänglich, wie Aufschlüsse und Bohrproben älterer, weiter ent
wickelter Grünländer lehren, unregelmäßig wechselseitig von den Dünen und dem Watt her vor sich. Es wechseln
dünne Schlicklagen und Wattsand mit zahlreichen Muschelschalen oder Schalengrus mit feinkörnigen Über
sandungen aus dem Dünenfeld. Durch die Wirkung der beiden verschiedenen, aber gleichmäßig auf Verflächung
gerichteten Kräfte werden alle entstehenden Unebenheiten bald wieder eingeebnet. Mit der Aufhöhung halten
andere, den neuen Verhältnissen besser angepaßte Pflanzengesellschaften ihren Einzug. In der Übergangszeit ist
es vor allem der dichtwüchsige Schlick und Sand fangende Andelrasen (Atropietum maritima). Gleichzeitig mit
der Aufhöhung wird das Grünland von dem Wasser der Wattseite stärker herausgearbeitet. Hingegen ziehen sich
die Flügel der Außendüne, gespeist durch die von der Seeseite der Gaten nach der Wattseite dringende Sand
zufuhr, über die Endpunkte der Binnendüne wattwärts hinaus und übernehmen dadurch den wetterseitigen Schutz
des sich bildenden Grünlandes. Die Bogenform, die die Außendüne nun angenommen hat, hängt von dem Winkel
ab, in dem das Lagegebiet des Dünenfeldes zur herrschenden Wind- und Gezeitenrichtung liegt. Ist er ein rechter,
so gleicht sie einem Hufeisen (Eierland auf Texel, Borkum-West u. a.). Der Scheitelpunkt liegt dann in der
Mitte der Bogenform; die Schenkel sind gleichmäßig ausgebildet. Ist es ein spitzer Winkel, so wird der Scheitel
punkt der Sandzufuhr entgegen verschoben. Der eine Schenkel wird dabei erheblich verkürzt, der andere in einen
lang ausgezogenen Bogen verlängert. Die Bogenform gleicht dann einem Muschelprofil. (Terschelling,
Ameland, Schiermonnikoog, Borkum-Ost u. a.)
Wenn man sich die nacheinander beschriebenen Einzel Vorgänge der Gestaltung der Strandfläche, wie es in
der Wirklichkeit geschieht, als eine zusammengehörige Entwicklung vergegenwärtigt, wird es leicht sein, sich vor
zustellen, daß dem entstehenden Dünenfeld von den ersten gehäuften Sandkörnern an seine Lage, seine künftigen
Grenzen und seine Entwicklung vorgezeichnet und fest bestimmt sind. Nur Veränderungen im Verhältnis der die
Strandfläche beherrschenden Kräfte zueinander können Abwandlungen bringen. Urdünenfelder sind heute noch
auf der Boschplaat Terschellings anzutreffen. Auf Ameland fehlen sie auf dem verhältnismäßig kleinen Ost
strand, der unter dem Einfluß des Oerdemer Inselkernes steht. Dagegen gibt es auf der jetzt im N abgeschlossenen
alten Strandfläche ostwärts der Kooikerduinen erstorbene Urdünenfelder. Deutlich ausgeprägt sind sie auf Schier-