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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte —■ 56. Band, Nr. 1
offenen Meer getrennt durch ausgedehnte Sande, die z. T. nur 0,5 m unter Springniedrigwasser liegen. Die
tiefsten Punkte der Rinne im Gebiet der Sande liegen bei 4,6 m. Der Ausgang des Lister Tiefs verläuft fast
ost-westlich mit einer geringen Ausweichung nach Norden. Der Ausgang des Vortrapp-Tiefs biegt südlich von
Hörnum fast genau in die Nord-Süd-Richtung um. Die bedeutende Stärke der Strömung im Lister Tief prägt
sich also auch durch die nicht von der Flutstromrichtung (hier Süd-Nord) beeinflußte Richtung seiner Mün
dung aus.
Die Sylter Westküste ist eine reine Zerstörungsküste. Die Brandung hat in fast geradlinigem Anschnitt ein
großartiges Längsprofil freigelegt. Im Norden und Süden sind die langen Reihen der Dünen angeschnitten. Das
Profil des mittleren Geestgebietes zeigt im Roten Kliff den Bau des alten tertiär-diluvialen Inselkerns.
Ein längerer Aufenthalt im Winter 1934/35 ermöglichte Beobachtungen über die morphologischen Ver
änderungen dieser tertiär-diluvialen Kliffküste als ein Beispiel für die Zerstörung einer empfindlichen Steilküste
an einem Gezeitenmeer im humiden Klima der nördlichen gemäßigten Breiten.
II. Beschreibung des bearbeiteten Gebiets
Das Rote Kliff erstreckt sich in gerader Linie von ungefähr 4,5 km Länge in Richtung N 23 0 nach S 23 W.
Am nördlichen Ende bei „Kliffende“ keilt es mit geringer Richtungsabweichung nach Osten aus, während das
Auskeilen nach Süden im geradlinigen Verlauf bleibt.
Die Höhen des Kliffs sind an das Relief des Westerländer Diluvialkerns gebunden. Jeder nach Osten aus
geprägte Reliefunterschied macht sich bei der fortschreitenden Landeinwärtsverlegung des Kliffs durch eine
Höhenänderung der Kliffoberkante bemerkbar.
Im Jahre 1928 wurde die gesamte Insel photogrammetrisch vermessen, und die Aufnahme wurde dann als
topographische Grundkarte des Deutschen Reiches 2 im Maßstab 1:5000 herausgegeben. Diese Karte zeigt also
die Höhenverteilung für das Jahr 1928. Geringe Änderungen sind seither eingetreten, besonders durch die großen
Abbrüche der Sturmflut im Winter 1928/29, aber bei der schwachen Neigung der diluvialen Rücken ist die ver
messene Höhenverteilung heute noch annähernd gültig.
Zur Unterteilung des Kliffs in seiner Längsrichtung benutze ich die Abschnitte, die durch die 1929 bis
1931 gebauten Eisenbuhnen gegeben sind. Das Kliff beginnt im Norden bei Buhne 39 und hat dort (bei Kliff
ende) 9 m Höhe über NN. Es steigt dann nach Süden verhältnismäßig rasch an auf eine Höhe von 30 m über
NN zwischen den Buhnen 34 und 35 (etwas südlich des Kampener Kurhauses). Die Kliffoberkante erreicht mit
dem Anstieg auf 30 m im Buhnenfeld 34/35 zugleich ihre größte Höhe. Von dort sinkt sie etwa bis zur Buhne 24
langsam auf 17 m Höhe ab, erreicht dann aber bei der Wenningstedter Treppe (Buhne 19) noch einmal 20 m
Höbe. Das Einfallen der Oberkante ist noch w'eiter südlich ebenfalls schwach. Bei Buhne 9 ist sie in etwa 6 m
Höhe noch sichtbar, um dann weiter südlich unter den Dünen zu verschwinden.
Eine weitere Rückwärtsverlegung des Kliffs läßt seine Höhe ansteigen. Nur dort, wo heute der höchste
Punkt liegt, wird eine Höhenabnahme folgen, weil hier ein Rücken angeschnitten ist, der nach Osten in eine
Mulde übergeht. Das übrige Gebiet erreicht seine höchste Erhebung erst im Osten am Kampener Leuchtturm mit
28 m über NN.
Das Kliff wird überlagert von der Dünenkette, die in fast lückenlosem Zusammenhang mit den Dünen
gebieten von Listland und Hörnum steht. Die Dünenzone ist schmal, nur einreihig von Westerland bis Wenning
stedt. Zwischen Wenningstedt und Kämpen verbreitert sie sich dann auf 400 bis 500 m und erreicht in der Uwe
düne mit 54 m ihren höchsten Punkt. Nördlich der Uwedüne schließt sich unmittelbar eine Reihe niedriger, schon
halb zerstörter Dünen an bis zur Höhe der Buhne 35. Von dort bis Kliff ende schiebt sich vor dem Beginn der
Lister Dünen eine ungefähr 750 m breite Heidezone ein. bisher die einzige wirkliche Lücke im Dünengürtel der
Insel, wenn man nicht die starke Verschmälerung südlich von Wenningstedt auch schon als Lücke bezeichnen will.
Die Sylter Dünen sind heute zum größten Teil bepflanzt, und so tragen auch die Dünen auf dem Kliff
Strandhafervegetation, die allerdings am östlichen Rand bereits in eine ziemlich dichte Heidevegetation übergeht.
Diese Calluna-Dünen beschreibt Reinke 3 als die ältesten der Insel. Die Bepflanzung der Dünen auf dem Kliff
ist Aufgabe der Gemeinden Wenningstedt und Kämpen. Der vom Staat ausgefübrte Küstenschutz erstreckt sich nur
auf die eigentliche Uferzone und sorgt deshalb im Gebiet des Kliffs lediglich für eine periodische Bepflanzung des
Strandes vor dem Kliff zur Erzielung einer schützenden Vordüne. So sind die Dünen oberhalb des Kliffs schon
seit langer Zeit dem Winde preisgegeben, denn die Gemeinden haben an ihrer Erhaltung kein unmittelbares
Interesse. Schon jetzt sind deshalb überall riesige Windkessel und lange Windkanäle entstanden. Die Dünen
„rauchen“ bei jedem stärkeren Sturm und erleiden dauernd Umformungen durch die Windzerstörung.
Der westliche Rand der Dünenzone liegt von Hörnum bis Wenningstedt unmittelbar am Strand oder nörd-
2 Das Gebiet des Kliffs wird dargestellt durch die Blätter
Sylt—Kliffende .... 34 58 Rechts 6094 Hoch Sylt—Wenningstedt . . 3458 Rechts 60 90 Hoch
Sylt—Kämpen - West . . 34 58 „ 60 92, „ Sylt—Westerland - Nord 34 56 ,, 60 90 „
3 J. Reinke, Entwicklungsgeschichte der Dünen an der Westküste von Schleswig. Naturw. Verein f. Schleswig-Holstein,
Bd. 13, 1906.