Hans Neuberger, Beiträge zur Untersuchung des atmosphärischen Reinheitsgrades 37
Dabei ergab sich aber bei größeren Sichtweiten (25 km) eine geringe Abweichung der Linearität, die von F. H.
B i e 1 i c h mit einem Zurücktreten des Stadtdunsteinflusses auf die Sicht erklärt wurde. Betrachtet man aber
Figur 14, die schon im Zusammenhang mit den Durchlässigkeitsprozenten besprochen wurde, so geht dort schon
recht deutlich hervor, daß von einer linearen Beziehung nicht die Rede sein kann. Dies beweist auch folgende
Überlegung: Bei Annahme einer absolut reinen und trockenen Atmosphäre müßte sich aus Strahlungsmessungen
der Trübungsfaktor Ts = 1.0 ergeben, aus Sichtmessungen die maximale Sichtweite von etwa 250 bis 300 km, wie
schon im I. Teil auf S. 21 besprochen wurde. Bei der gegenteiligen Annahme einer völlig undurchlässigen
Atmosphäre (dichter Nebel) würde Ts = co (da ja J = 0) und die Sichtweite = 0 km. Hieraus ergibt sich rein
logisch, daß die Beziehung nicht linear sein kann; vielmehr wird die Funktion eine starke Krümmung bei den
niedrigsten Sichtweiten (vgl. Figur 14 in Verbindung mit Tabelle 22 a, b, c) aufweisen und sich asymptotisch
der Ordinate (Trübungsfaktor) nähern, natürlich mit der Voraussetzung, daß nicht Bodennebel geringer Mäch
tigkeit herrscht, der zwar die Sicht auslöscht, aber u. U. für die Sonnenstrahlung meßbar durchlässig ist. — Die
von Biel ich aufgestellte Formel kann also nur einen mehr oder weniger beschränkten Gültigkeitsbereich
haben, der jeweils näher zu bestimmen wäre. Daß die Formel für kleine Trübungsfaktoren versagen muß, geht
weiter auch daraus hervor, daß z. B. für Ta — 1.0 (also für ideale Atmosphäre) sich über Leipzig gemäß der
Konstanten eine Schrägsicht von nur S 500 = 39.4 — 6.6 = 32.8 km ergeben würde! Die Formel versagt außerdem
für kleine Sichtweiten; im extremen Fall würde sich nach der Formel für S 500 *= 0 ein Trübungsfaktor von nur
Ta = 6.0 ergeben (vgl. Tabelle 22). Die Ursache der scheinbar geringfügigen Abweichung von der Linearität bei
ca. 25 km Sicht liegt demnach tiefer, als sie B i e 1 i c h gesucht hat. Ob innerhalb der Gültigkeitsgrenzen der
Formel eine Genauigkeit der Schrägsichterrechnung von ±10% (78, S. 99) erreicht werden kann, erscheint zweifel
haft, denn die Beziehung zwischen Horizontalsicht und Trübungsfaktor, wie sie sich in Figur 14 darstellt und
wie sie auch aus den Untersuchungen von Friedrichs hervorgeht, weist derartige Streuungen bzw. Schwan
kungen auf, daß ein solcher Genauigkeitsprozentsatz für die Schrägsichtberechnung wohl kaum garantiert wer
den kann, zumal auch die direkte Schrägsichtbestimmung im allgemeinen kaum genauer sein wird. Es ist aber
denkbar, daß eine innigere Beziehung (nichtlinearer Struktur) besteht zwischen dem Trübungsfaktor und einer
zur Einfallsrichtung der Sonnenstrahlen parallelen und an möglichst gut definierten, geeigneten Zielen zu
messenden Schrägsicht aus größerer Höhe, weil dann weitgehende Gleichheit der trübenden Schichten voraus
gesetzt wäre. Aber selbst dann müßte eine auf solche Weise gefundene formeimäßige Beziehung versagen, wenn
(abgesehen von Bodennebel) durch Höhenschleier etwa terrestrisch- oder kosmisch-katastrophalen Ursprungs ein
seitig nur die Sonnenstrahlung gehemmt würde. Umgekehrt ließen sich mit einer solchen Methode Trübungs
schichten von erreichbarer Höhe bestimmen oder doch wenigstens Aussagen machen über den Anteil der unteren
erreichbaren Luftschichten an der Schwächung der Strahlungsintensität. Die Beziehung zwischen Horizontal
sicht und Trübungsfaktor läßt aber bei der aus Figur 14 ersichtlichen großen Streuung wohl kaum eine prak
tische Verwendung zu, da infolge der Wesensverschiedenheit zwischen den für die Beeinflussung der Horizontal
sicht einerseits, der Sonnenstrahlung andererseits in Frage kommenden Luftschichten Abweichungen von einer
mittleren Beziehung jeweils eine zu große Rolle spielen würden.
Wenn hier auf allerdings schmaler Vergleichsbasis auch die Amrumer Strahlungsmessungen von Chr.
Jensen (99) gestreift werden, so soll dabei vor allem die Größe des Rotanteils an der Gesamtstrahlung ins
Auge gefaßt werden.
Tabelle 26 zeigt nebeneinander einzelne auf Sylt bzw. Amrum gemessene Werte des Rotanteils in % der
Gesamtstrahlung. Die Amrumer Strahlungswerte wurden den Tabellen 1 und 2 der Jensen sehen Abhandlung
entnommen und gemäß den dortigen Bemerkungen (99, S. 202 u. 205) mit einem Zuschlag von 1,8% versehen,
außerdem gelangte bei der Rotstrahlung ein weiterer Zuschlag von 16,5% wegen Filterverluste (99, S. 205) in An-
T a belle 26.
h
J9
Rotanteile auf
Sylt (1934) Amrum (1929)
20.5°
0.88
69
66%
20.5°
1.05
65
66
20.5°
1.05
67
—
25.5°
1.14
62%
63%
25.5°
1.14
65
—
25.5°
1.14
66
—
30.5°
1.22
61%
62
30.5°
1.22
65
—
30.5°
1.30
63%
61%
30.5°
1.32
61%
61%
35.5°
1.38
61
61%
Mittel
64.3
63.2