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Aus dem Archiv der Deutsch en Seewarte, Band 56, Nr. 6
e) Niederschlag und Kernzahl.
Aus den Sylter Beobachtungen läßt sich ein eindeutiger Regeneinfluß nicht ableiten. Zwar wurden nach
Sprühregen durchweg Kemzahlen unter 1000/ccm beobachtet, doch fielen davon die meisten Beobachtungen in
eine Periode besonders niedrigen Kerngehalts (auch ohne Niederschlag). Bei gewöhnlichem Regen scheint die
Tendenz zu bestehen, daß die Kernzahl eher mehrere Stunden nach dem Regenfall niedriger ist als kurz danach;
ähnlich nach Regenschauer. Eine augenfällige Verminderung der Kernzahl durch Regen konnte nur dreimal
beobachtet werden: Nach Regenschauer fiel die Kernzahl von 4800 auf 2500; im andern Fall war sie vor Sprüh-
regen erst von 840 auf 2600 angestiegen und mehrere Stunden nach dem Niederschlag auf 210 gesunken; im
letzten Fall betrug vor Sprühregen die Kernzahl 1700, mehrere Stunden nachher 650. Andererseits konnte mehr
fach beobachtet werden, daß schon vor einsetzendem Regen der Kemgehalt der Luft auffallend gering war, was
vielleicht darauf zurückzuführen ist, daß die Luftmassen schon auf dem Weg zum Beohachtungsort mehr oder
weniger „ausgewaschen“ worden waren. Die Tatsache, daß nach Niederschlag die Luft vielfach noch längere Zeit
stark dunstig blieb und erst viel später langsam durchsichtiger wurde, beweist allerdings, daß Regen die Luft
nicht unbedingt auswäscht.
Auch die diesbezüglichen Ergebnisse anderer Beobachter zeigen kein einheitliches Bild (19) (22, S. 139)
(23, S. 26 u. Taf. IV, V, VI, VII) (27) (28) (45, S. 102) (48, S. 17 u. Taf. 9, 10). Die Fähigkeit der Kerne, mit
dem niedergehenden Regen zu koagulieren, ist also von Fall zu Fall recht verschieden und wird mit durch die
variablen elektrischen Eigenschaften der Kerne und Regentropfen bedingt sein.
Zu bemerken ist, daß alle Beobachtungen, bei denen Regen im Gesichtskreis fiel oder sonst irgend ein
Regeneinfluß möglich war, bei sämtlichen übrigen Untersuchungen ausnahmslos ausgeschaltet wurden.
f) Insolation und mittlere Kemzahl.
Die von manchen Forschern (14; 17; 39; 40) beobachtete Kemzahlvermehrung durch Sonnenstrahlung
wurde jeweils mit der Hebung von Verdunstungsprodukten durch Konvektion erklärt. Anders führt Gg. J e n -
rieh (23) den von ihm in Halle-Cröllwitz gefundenen Parallelismus von Kemzahl und Insolation analog zu
Laboratoriumsversuchen von J. Aitken (1) auf direkte Kernerzeugung durch die Sonnenstrahlung zurück, die
aber — wie A. G o c k e 1 (17) schon betont — wegen der Absorption gerade der kurzwelligen Strahlung durch
die Atmosphäre überhaupt nicht ins Gewicht fallen kann. Daß von einer direkten Strahlungswirkung nicht die
Rede sein kann, geht deutlich aus dem vorliegenden Beobachtungsmaterial hervor (Tabelle 7), denn eine direkte
Wirkung müßte sich hier wegen der größeren Luftreinheit besonders ausprägen. Eine indirekte Beeinflussung 12
der Kemzahl kann offenbar infolge der Trockenheit des Sandbodens nicht zutage treten.
Tabelle 7.
Mittlere Kernzahl bei
Windrichtung bedecktem Himmel Sonnenschein
Seewind .... 1200 (82) 1100 (25)
Pseudoseewind . . 2900 (21) 2000 ( 1)
Landwind .... 3000 (16) 3400 ( 3)
Nimmt man, um die Ungleichheit der Beobachtungsanzahl auszuschalten, nur die Tage, an denen Kern
zählungen sowohl bei bedecktem Himmel als auch bei Sonnenschein ausgeführt werden konnten, zur Mittelbil
dung (solche kommen nur bei Seewind vor), so ergibt sich dasselbe Bild:
Mittlere Kemzahl in Seewind bei
bedecktem Himmel Sonnenschein
1600 (5) 1500 (5)
Auch V. F. Hess fand weder in Tirol (22) noch auf Helgoland (21) einen Zusammenhang zwischen
Kernzahl und Sonnenschein.
Man kann also sagen, daß an erhöhten Beobachtungsplätzen (Sylt 25 m, Helgoland 50 m) bzw. an solchen
mit geeignet trockenem Untergrand eine mögliche indirekte Kemzahlerhöhung durch Insolation nicht wahr
nehmbar ist.
g) Sonnenschein und Sicht.
Bei der Verarbeitung des gesamten Beobachtungsmaterials im Hinblick auf die Sicht wurden Beobachtun
gen bei Sonnenschein ausgeschaltet, weil nach A. Wigand (68) ein besonderer Sonneneinfluß zu erwarten war.
12 Hebung von Verdunstungsprodukten durch Konvektion.