Hans Neuberger, Beiträge zur Untersuchung des atmosphärischen Reinheitsgrades
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Polarisation), so daß eine Kontrast Verminderung eintreten muß, die zu einer Sichtverschlechterung führt,
wie sie vom Verfasser tatsächlich fast ausnahmslos beobachtet wurde. Wenn allerdings ein dunkler (bewaldeter)
Berg in nicht allzu großer Entfernung den Hintergrund z. B. eines hellen Gebäudes bildet, ist es denkbar, daß
u. U. leichte Trübungen mittels eines Nicols vermindert, Konturen verschärft oder Farben gesättigter werden
können. Eine solche Sichtverbesserung wäre aber nur als relative Verbesserung anzusprechen, denn es scheint
undenkbar, daß ein im Dunst unsichtbares Ziel durch Vorschaltung eines polarisierenden Prismas sichtbar ge
macht werden kann. Denn je stärker die Trübung ist, desto geringer muß die Polarisation des Luftlichtes
werden.
Das letzte Wort bezüglich dieser Frage kann noch nicht gesprochen werden, da auf Anregung von Herrn
Prof. Dr. Chr. Jensen z. Zt. noch Ergebnisse in Arosa(Schweiz)gesammelt werden, die den Zweck verfolgen,
die Hagenbach sehen Versuche zu kontrollieren.
Erwähnt sei hier noch, daß die Tagessichtbarkeit des Mondes durch Verwendung eines Nicolschen Prismas
oder auch eines Turmalins erheblich verbessert werden kann, besonders im ersten oder letzten Viertel des
Mondes, wenn dieser in einer Himmelsgegend steht, die wegen ihres Sonnenabstandes von etwa 90° besonders
viel polarisiertes Licht aussendet 7 8 .
2. Ergebnisse aus Mittelbildungen.
I. Verschiedene Beziehungen,
a) Windrichtung und mittlere Kernzahl.
Bei dieser Untersuchung wie auch den folgenden wurde nicht nur sinngemäß nach Seewinden (SSW—W
—NNW) und Landwinden (N—E—S) unterschieden, sondern auch nach „Pseudoseewinden“; als solche
wurden diejenigen Luftströmungen definiert, die zur Zeit der Kernzählung zwar auflandig, wenige Stunden (im
Mittel 3 Stunden) zuvor aber noch seewärts gerichtet waren. Daß diese Winde nicht als reine Seewinde in bezug
auf Lufteigenschaften anzusprechen sind, zeigt zunächst Tabelle 3, in der vergleichsweise auch die gemittelten
Ergebnisse anderer Beobachter angeführt sind. Die Berechtigung zur Einführung des Pseudoseewind-Begriffes
wird durch die folgenden Untersuchungen an anderen Zusammenhängen noch besser bestätigt.
Tabelle 3.
Beobachter
Mittlere Kernzahl bei
Seewind Pseudoseewind Landwind
H. Neuberger, Sylt 1200 (107)« 2900 (22) 3100 (19)
J. Scholz, Sylt 3100 (12) — 23 500 (5)
V. F. Hess, Helgoland 3100 (12) — 6900 (12)
Die verhältnismäßig sehr hohen von J. Scholz (54) in Westerland/Sylt gewonnenen Kernzahlen scheinen
durch lokale Verhältnisse gestört zu sein, denn in Rantum und Hörnum auf Sylt betrug die maximale Kern
zahl bei reinem Seewind 4600. Auch wurden bei Landwind-Beobachtungen Störungen durch Häuser im Um
kreis von mehr als 1 km sorgfältig vermieden. Die ebenfalls reichlich hohen Helgoländer Kernzahlen (21) wer
den im folgenden Abschnitt b) noch erörtert. Vermutlich ist von V. F. Hess und J. Scholz auch die Eigen
schaft der Pseudoseewinde nicht berücksichtigt worden, was sich hei der verhältnismäßig geringen Anzahl von
Beobachtungen u. U. besonders stark auswirkt.
Die Besonderheit des Pseudoseewindes ist bei künftigen Kernzählungen sowohl an der Küste als
auch bei küstennahen Fährten auf See unbedingt zu beachten. Allerdings wären zur genaueren
Festlegung des zeitlichen Grenzbereichs des Pseudoseewindes noch spezielle Beob
achtungen erforderlich, etwa derart, daß an störungsfreiem Küstenort bei drehendem oder umschlagendem
Landwind fortlaufend Keimzählungen unter Berücksichtigung der Windstärke ausgeführt werden müßten bis
zur Konstanz der Kemzahl in reinem Seewind. Auch der Fall des Pseudo land windes, wo der Wind
kurze Zeit zuvor noch auflandig war, wäre einer Untersuchung wohl wert, wenn hierbei aus naheliegenden
Gründen auch eine wesentlich raschere „Akklimatisierung“ der Luft bezüglich ihrer Eigenschaft zu erwarten ist.
Zur Berücksichtigung des Pseudolandwindes reichte das gegebene Material nicht aus, da fast ausnahmslos bei
schon konstantem Landwind beobachtet worden war.
b) Windstärke und mittlere Kernzahl.
Daß auch im Zusammenhang zwischen Windstärke und Kernzahl Unterschiede zwischen See-, Land- und
dem sogen. Pseudoseewind bestehen, läßt sich von vornherein vermuten.
7 Den Hinweis auf diese Erscheinung, die ich in zahlreichen Versuchen ausnahmslos bestätigt fand, verdanke ich Herrn Prof.
Dr. Chr. Jensen, Hamburg.
8 Die hinter Mittelwerten in { ) stehenden Zahlen bedeuten die Anzahl der zur Mittelbildung verwandten Beobachtungen.