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Aus dem Archiv der Deutschen Seewürfe — 56. Band, Nr, 5
Behrmann 8 9 sieht in der Inselgruppierung NW—-SO verlaufende, zerhackte Glieder paralleler Ketten, die zum
Neuseeland-„Fächer“ zusammenwachsen. Geisler 1 deutet die Anordnung der melanesischen Inseln als „eine Fort
setzung in dem schalenförmigen Aufbau des Festlandes“ Australien und erkennt in den gradlinigen Inselschnüren
Mikro- und Polynesiens „die Spitzen von durch Spaltenergüsse aufgebauten riesigen Rückengebirgen“. Von dem
Schalenkern Australien und dem Fächergriff Neuseeland abgesehen, bleibt die Insel
welt der Südsee übrig, für die die Franzosen den Namen „Ozeanien“ vorziehen 8 .
Die in die Wendekreise eingespannten Südsee-Inseln, inmitten des größten Ozeans, nehmen den Platz
an der Sonne ein, der ihnen die notwendigen Vorbedingungen für den Niederschlag, Wärme und
Wasser, im Übermaß garantiert. Die gleichmäßige, hohe Temperatur erscheint im Klimabilde als der
ruhende Faktor. Die nächtliche Atempause und der Jahresgang der Sonne vermögen in der dämpfenden Wasser
wüste keinen fühlbaren Temperaturgang auszulösen. Die vorhandenen leichten Temperaturschwebungen und -Ver
schiebungen genügen aber, um aus der so gleichen Sonnenenergie pulsierendes Leben zu wecken, das in der
Luftzirkulation und in den Niederschlägen offenbar wird. In den Roßbreiten sinken schwere und
stabile Luftmassen nieder, türmen sich wallartig auf und verschließen den Südseeraum der subarktischen und sub
antarktischen Kaltluft. Auf ihren inneren Hängen gleitet ununterbrochen die im Ursprungsgebiet warmtrockene
Luft als Passat in den heißfeuchten Raum der äquatorialen Tiefdruckfurche. Der ruhige, stetige Passatstrom sub
tropischer Breiten, unter klarem, tiefblauem Taghimmel, begleitet von nächtlichem nieselartigem Regen
aus tiefliegenden Wolken®, gerät hier in stürmisches Aufwallen und entwindet sich der Feuerungszone durch den
Aufstieg. Haufengewölk umhüllt ihn und bedeckt den blauen Morgenhimmel. Die Kumuli-Kuppen reichen hinauf
bis in die unsichtbare Eiswolkenschicht, wo in den Nachmittagsstunden die plötzliche Umwandlung von Kumulus
in „Kumulus-Nimbus mit Amboß und Schwaden 10 “ die Auslösung gewaltiger Wassermassen anzeigt, die oben als
Kristalle und darunter in großtropfiger Form den ganzen Wolkenkörper gewaltsam durchbrechen und gewöhnlich
unter Blitz und Donner als Platzregen aufschlagen. Die blauen Flecken der Wolkendecke 11 sind die Durch
bruchsstellen der niedergehenden Güsse. Der vollständigen Entladung folgt ein aufklarender Himmel und ver
breitet nach der drückenden Schwüle in den Abend- und Nachtstunden eine wohltuende Kühle. Nicht aufgelöstes
Gewölk wird durch nächtliche Ausstrahlung an den oberen Wolkenteilen zur Kondensation veranlaßt 12 .
Die breitenparallelen Hoch- und Tiefdruckgürtel der Atmosphäre kreu
zen sich mit den meridionalen Land- und Wasserstreifen der Erdoberfläche.
Die Vergitterung und Verschmelzung der entsprechenden klimatischen Pol—Äquator- und Ost—West-Unterschiede
prägen den eigentlichen Klimacharakter.
Die kontinentalen Randleisten der Südsee sind die Luv- und Leebarren der vom Passat
bewegten und von der Erdrotation in die West—Ost-Richtung gedrängten Triftströme. Subarktisches und subantark
tisches Kaltwasser dringen in den östlichen Leeraum, erwärmen sich in den Passat-Triften und stoßen als
Warmwasser auf den westlichen Landriegel. Beim Aufprall zersplittern beide Triften. Die inneren Strom
zweige formen sich zum Gegenstrom, „dessen Kanten mit denen der Hauptströme durch umkurvende Wasserfäden
verbunden sind 13 “, die äußeren entweichen in höhere Breiten. Die Südsee-Inseln liegen in dem warmen West
wasser und beschränken sich auf den Meeresraum, in dem die riffbauenden Korallen angetroffen werden 14 , in dem
also die Temperatur im kältesten Monat nicht unter 20° C sinkt. Nach R. Westermann 15 16 * sind in den pazifischen
Tropen die Lufttemperaturen gewöhnlich um 1° C geringer als die Wassertemperaturen. Der Unterschied
ist etwas größer im Gebiet des Äquatorial-Gegenstromes und beträgt nur wenige Zehntel über der SO-Passat-Trift,
wo selbst das umgekehrte Verhältnis vorkommt.
Das Luftmeer im Inselgebiet der Südsee steht ganz im Banne der einsaugenden und abstoßenden Wir
kung Asiens und Australiens 18 . Das schwächere Ein- und Ausatmen der amerikanischen Kontinente
vermag den ablandigen Passat nur über den küstennahen Gewässern zu beeinflussen, die nicht mehr in das Insel
gebiet der Südsee fallen. Auf der Winterhalbkugel sendet das kontinentale Hoch den Winter
monsun in die Passatströmung des maritimen Roßbreitenhochs. Das äquatoriale Luftdruckgefälle führt sie beide
gleichgerichtet zum Äquator. Auf der Sommerhalbkugel zieht das kontinentale Tief den Winter
8 W. Behrmann, Ozeanien; im Handb. d. Geogr. Wissensch.: Australien, Ozeanien, Antarktis; Wildpark Potsdam 1930,
S. 246.
7 W. Geisler, Allg. Länderk, v. Australien u. Ozeanien; 6. Teil v. H. Wagners Lehrb. d. Geogr., Hannover 1931, S. 27.
8 W. Behrmann, Ozeanien; a. a. 0., S. 241.
9 T. Bergeron, Über die dreidimensionalverknüpfende Wetteranalyse, Teil I; in Geofysiske Publikasjoner, Vol. V, Nr. 6,
Oslo 1930, S. 40, 58, 59.
10 T. Bergeron, Wetteranalyse; a. a. O., S. 34.
11 T. Bergeron, Wetteranalyse; a. a. O., S. 35.
12 T. Bergeron, Wetteranalyse; a. a. O., S. 29.
13 H. Wagner, Lehrbuch d. Geogr.; 1. Band, 2. Teil, Hannover 1930, S. 544.
14 Vgl. dazu d. Skizze „Coasts and coral Building“ v. G. L. Wood in The Pacific Basin; Oxford 1930, S. 12, Fig. 7.
15 R. Westermann, Der meteorologische Äquator im Stillen Ozean; Archiv d. Dt. Seewarte, Nr. 1, Diss. Altenburg 1906,
S. 7.
16 Vgl. dazu „Die Strömungsglieder der pazifischen Luftzirkulation“ Fig. 6a, 6b in T. Bergeron, Richtlinien einer Dyna
mischen Klimatologie; Meteorol. Zeitschr., Bd. 47, Heft 7, Braunschweig 1930, S. 255 f.