24
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte
56. Band, Nr. 4
7. Der Einfluß der Geologie auf die Morphologie.
Der größte Teil des Fjordgebietes liegt innerhalb der grano-dioritischen Zone, also eines Bereiches
von massigen Tiefengesteinen, die eine starke Neigung zu senkrechter Klüftung zeigen, und zwar sowohl in
der Richtung des gebirgsbildenden Druckes („Zugklüfte“) als auch senkrecht dazu in der Streckungsrichtung
des Gesteins (vgl. 4, S. 8—10). Wahrscheinlich ist ein Teil der charakteristischen Fjorderscheinungen, ins
besondere die geringe Breite, vielleicht auch die regelmäßige Anlage mancher Nebenfjorde, auf diese
Eigenschaften des Granites zurückzuführen.
Bei den kristallinen Schiefem des südchilenischen Gebietes handelt es sich um Gesteine, die durch
starke Regionalmetamorphose umgewandelt sind, so daß sie sich nur noch wenig von den Massengesteinen
unterscheiden (27, S. 62). Hierin ist wohl die Ursache dafür zu suchen, daß die Fjorde in beiden Ge
bieten gleichmäßig ausgebildet sind und sich Unterschiede im Kartenbild nicht erkennen lassen, wenn
gleich man annehmen muß, daß bei genauerer geologischer Erforschung des Gebietes auch eine Differen
zierung nach Gesteinsarten möglich sein wird”.
Dort, wo gegen Osten zu im Schiefergebiet die Faltungsintensität weniger stark war, ist ein Einfluß
der Gebirgsstruktur auf die Fjordbildung insofern zu beobachten, als sich das Streichen und Fallen der
Schiefer in der Küstengestaltung der Kanäle (Gabriel-Kanal, Magellanstraße, Whiteside-Kanal) deutlich
bemerkbar macht.
Das Ausklingen der Faltung im Osten führte zur Entstehung von 'Übergangsformen mit flacheren
Uferhängen und von geringerer Tiefe (Ultima Esperanza).
In den flach gelagerten Sandsteinen des Tertiärs kommen keine Fjordbildungen mehr vor; hier
treten entweder Föhrden (Chiloe) oder breite Zungenbecken (Otway, Skyring, östliche Magellanstraße)
auf. Man hat also dieses Gebiet von den Fjorden zu trennen, während die Übergangsgebiete noch zu den
Fjordbildungen im weiteren Sinne gerechnet werden können. „Was sie alle verbindet, ist die Form der
Einschnitte oder Straßen, und der Wechsel des untermeerischen Reliefs im Bereich der Küstenzone; was
sie trennt, ist der allgemeine Charakter der Küstenlandschaft.“ (7, S. 235.) Dinse bezeichnet diese For
men, zu denen er auch die „Fjorde“ von Maine und die Fjärde rechnet, als „fjordartige Bildungen“ (7,
S. 235) und man kann diesen Ausdruck auch für die Übergangszone des südchilenischen Gebietes anwen
den. Die Grenze der Fjordbildungen fällt also mit der Gesteinsgrenze: mesozoische gefaltete Schiefer —
flach gelagerte jungtertiäre Sandsteine, zusammen, worin deutlich der starke Einfluß der geologischen Ver
hältnisse auf die Morphologie zum Ausdruck kommt.
Eine Eigentümlichkeit des südchilenischen Gebietes liegt darin, daß nur die Föhrden Chiloes ge
sondert von den Fjorden auftreten, während die Übergangsformen und die Zungenbecken des Ostens nicht
als selbständige Einschnitte, sondern nur als Zonen der „durchgreifenden“ Buchten und Straßen Vor
kommen.
8. Der Einfluß der diluvialen Vergletscherung.
Entscheidend für die heutige morphologische Gestaltung der Fjordtäler sind die diluvialen Vor
gänge. Die gesamte Fjordzone gehört dem Ausräumungsgebiet an; die Trogformen sowie die Schleif
wirkungen an den Talwänden lassen auf eine kräftige Erosion schließen, die nur das fließende Eis
ausüben konnte. Man hat daher auch in den nach zwei Seiten geöffneten Kanälen nicht stagnierendes Eis,
sondern von einer Eisscheide nach beiden Seiten hin abfließende Gletschermassen anzunehmen. (Diese
diluviale Eisscheide ist in manchen Kanälen [Messier-System] deutlich zu erkennen, in anderen dagegen
nur hypothetisch zu erschließen.)
Ablagerungsgebiete des Moränenmaterials bildeten der Schelf, die Ostküste Chiloës sowie die Ter
tiärtafel Ostpatagoniens, wo die den Fjorden entsprechenden Formen Föhrden und Zungenbecken sind 7 8 .
7 Im Handbuch der Magellanstraße (12, S. 384) wird der Unterschied zwischen dem Granit- und dem Schiefergebiet
im feuerländischen Bereich wie folgt gekennzeichnet: „Wo das Land hauptsächlich aus Sandstein und Schiefer besteht, sind
genügend Ankerplätze; besteht das Land aus Granit, so wird man kaum Grund bekommen, um zu ankern. Hügel aus Schiefer
oder Sandstein sind meist bewachsen, dunkel und zeigen sanfte Linien. Granithügel sind nackt und zerklüftet und haben weiße
oder graue Farbe.“ Auch Pratje (29, S. 181) erwähnt, daß bei der Fahrt durch die feuerländischen Kanäle „die wechselnden
Gesteinszonen deutlich in den Formen und Farben der Berge“ hervorgetreten seien, macht aber keine näheren Angaben
darüber.
8 Ob der geologische Gegensatz: Schiefergebirge—Tertiärtafel, oder der Gegensatz: Ausräumungs—Aufschüttungs
gebiet, bei der morphologischen Gestaltung eine stärkere Rolle spielte, ist schwer zu entscheiden; wahrscheinlich war für die
Entstehung der Föhrden Chiloës die glaziale Aufschüttung, für die Gestaltung der Zungenbecken Ostpatagoniens dagegen das
Auftreten der bankförmig gelagerten weicheren Sandsteine ausschlaggebend.