Inge Paulsen: Das iüdchilenischc Fjordgebiet
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Ferner entsteht beim Zusammentreffen verschieden gerichteter Depressionslinien oft eine Verbreiterung
mit einem Becken von größerer Tiefe (Mittelbecken des Campana-Archipels und des Baker-Fjordes); eine
Tatsache, die mit Dinses Regel (7, S. 225) übereinstimmt. Daneben kommt noch ein anderer Typus von
breiten Kanälen vor, die einzelne Klippen und Inseln in der Fahrrinne enthalten, verhältnismäßig flach
sind (meist unter 100 m: Teile des Moraleda-Kanals) und nur zuweilen einzelne kleinere Becken von
größerer Tiefe besitzen. Bei den schmäleren Kanälen und Fjorden lassen sich keinerlei Beziehungen
zwischen Breite und Tiefe finden; zuweilen wächst die Tiefe mit der Breite, zuweilen sind aber auch die
ganz schmalen Abschnitte tiefer als die breiteren.
Diese Unregelmäßigkeit der Tiefenverteilung, die an keine bestimmte Regel zu binden ist, stellt das
wichtigste Kennzeichen einer Fjordbildung und das Hauptargument für die Annahme einer tektonischen
Entstehung dieser Täler dar. Auch Dinses Regel von der Vertiefung an Kreuzungsstellen trifft nur bis
weilen zu; oft liegen die Maximaltiefen an Stellen, an denen ein Zusammentreffen verschiedener Tiefen
rinnen nicht stattfindet; dagegen ist bei den sehr tiefen Kanälen häufig das Vorhandensein mehrerer
paralleler Tiefenrinnen festzustellen. Innerhalb solcher breiter inselfreier Straßen aber lassen sich die
Stellen der Maximaltiefen ebensowenig vorausbestimmen, wie in den schmäleren Kanälen.
4. Die Schwellen.
Sie sind in bezug auf Höhe und Ausdehnung sehr verschieden gestaltet. In einigen Fällen sind Mo
ränen (Guata-Bucht im Elephantes-Golf, Bahia Esploradores u. a.) oder fluviatile Aufschüttungen (Boca de
Reloncavi) nachzuweisen, während an anderen Stellen (Magellanstraße, Concepcion-Kanal) festes Gestein auf
den Schwellen gefunden wurde. In den meisten Fällen jedoch ist die Beschaffenheit der Schwellen unbe
kannt. Das gilt auch von den Mündungsschwellen, die an relativer Höhe die Schwellen im Innern der
Fjorde übertreffen. Sie liegen zwar im Bereich der glazialen Aufschüttung, bestehen aber an einigen
Stellen bestimmt aus festem Gestein (Lotungen von fls.). Bodenproben, die hier im Ausgangsgebiet der
Fjorde reichlich vorhanden sind, vermögen keinen Aufschluß über die Beschaffenheit der Schwellen zu
geben, da sie nur der Oberfläche des Meeresgrundes entstammen. Man wird jedoch anzunehmen haben,
daß ebenso wie die Fjordbecken Hohlformen im anstehenden Fels darstellen, auch die Schwellen in
ihrer großen Mehrzahl aus festem Gestein bestehen, wenn auch an der Ausgangsschwelle (und vermutlich
auch an manchen anderen Stellen) Moränenmaterial zur Erhöhung der Schwellen beigetragen haben wird.
5. Die iibermeerischen Fortsetzungen.
Die Fjorde setzen sich im Innern des Gebirges als breite Trogtäler fort 6 , die an Ausmaßen und
morphologischer Gestaltung den Fjorden entsprechen und auch im Längsprofil dieselbe Beckenform
zeigen, wobei die tiefsten Stellen langgestreckte Talseen enthalten. Ebenso sind die Richtungssysteme
dieser Täler dieselben wie im Fjordgebiet. Diese Taldepressionen, die große Flußsysteme enthalten, sind
nicht durch einen Talschluß oder eine Stufe von den Fjorden getrennt, sondern der Boden steigt vom
Fjordende aus langsam und gleichmäßig an. Auch unter dem Inlandeis scheinen solche Talsenken ver
borgen zu sein, wie die breiten und tiefen Depressionen mancher Gletscher (z. B. am Peel-Fjord) ver
muten lassen.
6. Die Müidnngsformen.
Es ist zu unterscheiden zwischen den Mündungen der Nebenfjorde in die Hauptkanäle und den
Mündungen der Fjorde in das Schelfmeer.
Die Mündungen der Nebenfjorde sind sehr verschiedenartig gestaltet; zuweilen öffnet sich der
Nebenfjord zur Hauptrinne, ohne daß ein deutlicher Niveauunterschied vorhanden wäre, zuweilen ist das
innere Becken des Nebenfjordes durch eine Schwelle von dem gleichtiefen Hauptfjord getrennt (Neben
fjorde des Picton-Kanals). Oft aber ist auch ein deutliches „Hängen“ des Nebenfjordes über dem Haupt
tale zu beobachten, das sicher z. T. auf glaziale Übertiefung zurückzuführen ist.
Die Mündungen der Fjorde in das Schelfmeer sind durch das Vorhandensein von übertieften Trich
termündungen und Schwellen gekennzeichnet, die bereits im letzten Kapitel geschildert wurden, ebenso
wie das Auftreten der Klippenzone, die mit der norwegischen „strandflade“ identisch ist, am Außenrand
des Fjordgebietes.
« Vgl. 33, I, S. 35.