Inge Paulsen: Das südchilenische Fjordgebiet
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I. Einleitung'.
Unter den Küstenformen der Erde bietet kaum eine zweite durch ihre morphologische
dem Wissenschaftler so viele Probleme wie die tief in das Festland eingreifenden Meeresarme
küste. Sie hat daher auch schon früh das Interesse der Forscher erregt. Trotzdem stehen
heute noch sehr verschiedene Anschauungen gegenüber, sowohl was die Definition des Begriffes „Fjord“
und die Abgrenzung verwandten Küstenformen gegenüber als auch was die Erklärung des morphologischen
Formenschatzes anbetrifft. Es beruht das vor allem darauf, daß die einzelnen Fjordgebiete der Erde mit
Ausnahme Norwegens, Islands und einzelner grönländischer Fjorde noch wenig bekannt sind, da ihre Lage
in den hohen Breiten und ihr stark verzweigtes System von engen Kanälen und Meeresarmen eine gründ
liche Durchforschung sehr erschweren.
Eine umfassende Behandlung des gesamten mit dem Begriff „Fjord“ verbundenen Fragenkreises
kann erst dann erfolgen, wenn eine genauere Untersuchung sämtlicher Fjordküsten der Erde durchge
führt ist. Die nachfolgende Arbeit soll einen Beitrag zu einer solchen Untersuchung darstellen, indem sie
die bisherigen Kenntnisse des südchilenischen Fjordgebietes zusammenfaßt und versucht, ein Bild des
morphologischen Formenschatzes dieser Küste zu gewinnen.
Es wird dabei bewußt Verzicht geleistet auf eine Darstellung der übemieerischen Teile, da sie nicht
hinreichend bekannt sind, um ohne Spezialstudien an Ort und Stelle eine genauere Untersuchung zu ge
statten. Lediglich die Richtungssysteme sowie das Bodenrelief sollen zum Gegenstand der Untersuchungen
gemacht werden, da nach Dinse die untermeerischen Formen für die Fjordmerkmale von wesentlicher Be
deutung sind. „Das eigentlich Charakteristische der Fjorde sind nicht die Teile über dem Wasser, sondern
die vom Wasser bedeckten Formen, die Tiefenverhältnisse.“ (7, S. 213 1 .)
Um eine Übersicht der Tiefenformen zu erlangen, wurden nach deutschen, chilenischen und engli
schen Seekarten die Isobathen der Fjorde gezeichnet und eine Tiefenkarte entworfen 2 . Dabei ist zu be
rücksichtigen, daß die Isobathen infolge der geringen Dichte der Lotungen nur einen annähernden Ge
nauigkeitswert besitzen und daß im Inneren der Fjordkanäle, wo meistens nur eine Lotungsreihe in
der Mitte des Fahrwassers vorhanden ist, nur der mutmaßliche Verlauf der Tiefenlinien gezeichnet wer
den konnte. Aus demselben Grunde mußte — mit Ausnahme des Reloncavi-, Baker- und Otway-Fjordes —
von Querprofilen abgesehen werden.
Auch die Küstenumrisse weiter Gebiete sind nur ihrem allgemeinen Verlaufe nach bekannt. Wenn
trotzdem in dieser Arbeit an Hand der Karte Messungen ausgeführt werden, so geschieht das zu dem
Zweck, einen Vergleich zu ermöglichen. Die angeführten Zahlen sind also stets nur als Durchschnitts
werte anzusehen, ebenso wie die Winkel, die den Richtungsverlauf der Fjorde angeben.
Gestaltung
der Fjord
sich auch
1 Die Zahlen geben die Nummern des Literaturverzeichnisses an.
2 Vgl. die der vollständigen Arbeit beigefügte Kartenmappe (hinterlegt in der Geographischen Anstalt Jena).