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Full text: 56, 1936

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3 
der Scholbalg und des Schildgats sind unbekannt) offenbar ihren Ursprung dem Unterlauf einiger kleiner Fest 
landsflüsse. Wie sollten die Namen dieser Gaten angesichts so unbedeutender Namensgeber zu erklären sein, 
wenn nicht mindestens zur Zeit der Namensgebung einmal ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen Inselkette 
und Hinterland bestanden hätte? Und schließlich: als was anderes als höher gelegene Reste einer Zwischenzone 
sollten die heute mit Ausnahme des Griender Restes sämtlich verschwundenen Inseln, das alte Griend mit seinen 
Nachbardörfem, das Heideveld, Band vor Anjum, Corenzand, Heffezand und Band hinter Juist anzusehen sein? 
Es scheint doch, daß die westfriesischen Inseln nach Abschluß der Litorinasenkung als eine von den Wirkungen 
der Gezeiten modifizierte Nehrung entstanden, die sich zwischen Texel—Griend—Terschelling und Borkum—Juist 
spannte und von Beginn an mehreren Flüssen Durchlaß gewährte. Von Ameland bis Borkum ist sie jedenfalls 
ausgesprochen konkav angelegt und verschiebt sich heute noch auf der gleichen Konkave. Die gegen die all 
mählich nach N untertauchende Geest des Hinterlandes eingeschlossene Zwischenzone setzte sich je nach ihrer 
Höhenlage aus Watt, Marsch und Grünland am Rande der Gewässer und aus ausgedehnten Niedermooren, aus 
denen im Gebiet der nördlichen Zuidersee einzelne Geestinseln aufragten, Hochmooren und Bruchwäldern zu 
sammen. Diese Ansicht wird besonders von van Dieren 118 gestützt, der aus pflanzengeographischen Über 
legungen eine Landschaftsbrücke zwischen den diluvialen Gebieten Frieslands einerseits und dem diluvialen Kern 
von Texel und Wieringen und den sich daran anschließenden Dünen andererseits annimmt. Inselwärts muß an 
fänglich der tiefste Teil der Zwischenzone gesucht werden, der nach der Bildung des Dünenwalles zuschlickte. 
Er scheint während der Entstehung der großen Meeresbuchten auch zuerst wieder von größeren Sturmfluten über 
flutet worden zu sein, da die ältere Marsch der Inseln fast unmerklich in die jüngere Marsch übergeht. 
Vor Beginn unserer Zeitrechnung, etwa um 300 v. Chr. beginnend, entstanden, wahrscheinlich als Folge 
einer erneuten Senkung vor der nordniederländischen Küste, die großen Meereseinbrüche der Zuiderzee, der 
Middelzee, der Lauwerszee und der Fivelbucht. Da sie sämtlich aus den Unterläufen kleiner Flüsse hervorgingen, 
die Verbindung zum Meere hatten, möchten wir annehmen, daß die übrigen Gaten, das Koggediep, das Boschgat, 
das Pinkegat, die Scholbalg und das Schild den Durchbrüchen der alten Binnendüne Amelands gleichzustellen sind. 
Sie sind erst in der Folge dieser Senkung entstanden. Von ihnen haben sich das Koggediep und das Boschgat 
selbsttätig wieder geschlossen. Die Gaten der Flußunterläufe lagen bei Vlie, Boorne und Fivel NNW zu den 
Meeresbuchten, bei der Lauwers NNO. Diese Richtung der alten Gezeitengaten war mehr von den großen Wasser 
massen der Meeresbuchten, die sie trotz der Ostwanderung des Küstensaumes in ihrer Lage festhielten, als von 
den Gezeitenströmungen bestimmt. Mit dem Stillstand der Senkung mußten die Kräfte 
des von Gezeiten bewegten Meeres wieder die Oberhand gewinnen. Es begann 
unter dem Einfluß der Gezeitenströmungen die Drehung der Stromsysteme im 
entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers, die eine weitgehende Auflösung der 
Zwischenzone, aber auch eine beschleunigte Aufschlickung der Meeresbuch 
ten im Gefolge hatte. Zugleich erfuhr damit die Ostwanderung des gesamten Küstensaumes eine be 
trächtliche Verstärkung. War ein Stromsystem so weit nach 0 gedrängt worden, daß es den Strombereich eines 
größeren Gewässers anschnitt, so wurde dieses der früher eintreffenden Gezeit entgegen allmählich verlegt (Schol 
balg—Slenk, Fivelgat—Ems). Es ist also nicht die Änderung der maximalen Flutstrom 
richtung vor der Küste, die die großen Veränderungen aller Küstenformen 
seit Ende jener Senkung hervorrief, sondern die natürliche Wiederanpassung 
aller Küstenformen aus der nach Ablauf der vorgeschichtlichen Senkung ent 
standenen Lage an die wieder in den Vordergrund tretenden Kräfte des von 
Gezeiten bewegten Meeres. 
V. Zur Geschichte Amelands und Schiermonnikoogs. 
Die enge Verbundenheit des Inselfriesen mit seiner Landschaft erlaubt es nicht, seinen Lebensraum zu be 
handeln, ohne seine Geschichte kurz gestreift zu haben. Kommen doch von dieser Seite die mannigfachsten An 
regungen und Hilfsmittel für eine morphologische Betrachtung der Inseln. Sowohl als Gestaltender, wie als sich 
Anpassender und Leidender ist hier der Mensch mit jeder Veränderung seiner kleinen Umwelt aufs innigste ver 
flochten. In seinem persönlichen und in seinem gemeinschaftlichen Leben spiegelt sich die um ihn so bewegte 
Natur wider. Will er und die Seinen dort leben, so muß er sich den Umständen anpassen, aber auch die Um 
stände zu beherrschen verstehen. 
Es nimmt daher nicht wunder, wenn die früheste Kunde, die wir von Ameland haben, aus der Zeit 
der holländischen Unterwerfungszüge nach Friesland stammt. Albrecht von Bayern, Graf von Holland und See 
land, trachtete, da die Friesen sich ihm nicht freiwillig unterwerfen wollten, danach, die Friesen von der Seeseite 
zu umfassen und ihre Inseln Terschelling und Ameland politisch von ihnen zu trennen, und seiner Herrschaft 
anzugliedern. Beide Inseln fürchteten für Handel und Schiffahrt und unterwarfen sich. 1398 gewährte ihnen 
Albrecht während seiner Kämpfe in Friesland die Neutralität. 1405, auf dem Landtage zu Hartwerd, gelang es 
ihm, Ameland aus der Grietenei Ferwerderadeel, zu der es bis dahin politisch gehört hatte, herauszulösen und 
ns Nr. 38. S. 61.
	        
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