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Full text: 56, 1936

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3 
Inseln Bosch und Rottumeroog, die die Ziffer 5 haben, während 0 festliegend oder im SW bzw. W zunehmende 
Tendenz bezeichnet, in folgender Übersicht anschaulich gemacht werden: 
Name: T V T A Sch BRBJNBLSpW 
Ziffer: 0001 3 55201204 4 
Es wird deutlich, daß der zum innersten Winkel der Deutschen Bucht zunehmende Tidenhub in keiner Weise 
die Wanderung der Inseln bestimmt und einen zunehmenden zerstörenden Einfluß auf sie ausübt, wie es etwa 
Ordemann 79 oder R a m a e r 80 annahmen. Im Gegenteil: der Tidenhub ist eine der Kräfte, denen die ein 
zelnen Inseln der Inselkette von Anfang an angepaßt sein mußten, um überhaupt sich bilden zu können. Die Insel 
kette ist nicht im innersten Winkel der Deutschen Bucht aufgelöst worden, sondern konnte sich dort wegen des 
von der Küste abdrehenden Sandtransportes niemals bilden. 
III. Die UmrißverÄnderungen der Inseln. 
Es ist für die friesischen Inseln bezeichnend, daß sie mit zunehmender Wiederablösung vom Hinterlande 
sich mehr und mehr den in diesem Raume wirkenden und wirksam werdenden Kräften anpassen mußten und an 
passen konnten. Der gewichtigste Grund dafür war, daß, außer in gewissen Grenzen Texel, keine der Inseln in 
ihrem Umriß und in ihrer Oberflächenformung von den Bildungsgesetzen vergangener Erdzeitalter geprägt ist, die 
sich den gestaltenden Kräften des jüngsten Zeitalters durch ihre anders geartete Struktur entgegenstemmen konnten, 
wie es etwa die Insel Wight oder Helgoland tun konnte. Wohl ruhen sie alle auf mehr oder weniger tief abgesun 
kenen Diluvium, ja, es ist sehr wahrscheinlich, daß die Lage der friesischen Inselreihe im Raum ebenso wie die 
Küste des Hinterlandes weitgehend von seinen Formen bestimmt ist. Doch sind sie erst in der Folge der jüngsten 
geologischen Entwicklung dieses Raumes dort entstanden, wo das Land dem vordringenden Meer eine Grenze bieten 
konnte. Der Kampf des Gezeitenmeeres mit dem Festlande schuf sich hier ein echtes Grenzgebiet, keinem zu 
eigen, in seiner Lage vornehmlich vom Lande, in seiner Gestalt mehr und mehr vom Meere bestimmt. Die exo 
genen Kräfte dieses Gebietes lassen sich, nicht nach ihrem Ursprung, wohl aber nach ihrer Wirkung auf die Ge 
stalt der Inseln in zwei Gruppen unterscheiden: Die eine, die die Inseln auch ihrem Umriß nach in östlicher Rich 
tung verschiebt, die andere, die einen Teil des Materials, das die Inseln aufbaut, ostwärts wandern läßt und da 
durch die Inseln ständig in ihren Umrissen verändert, ohne sie doch im Ganzen zu verschieben. Zu der ersten 
Gruppe gehören die vorherrschenden Winde mit westlicher Komponente, die besonders die Westköpfe der Inseln 
angreifen und den trockenen Sand des Strandes und der Dünen nach 0 transportieren, die von ihnen gegen die 
Küste getriebenen Sturmfluten, der von W oder von NW kommende Flutstrom, die Ostwärtsdrehung der Strom 
systeme u. a. m. Sie alle gemeinsam wirken in jedem Falle zerstörend auf die Westköpfe der Inseln, ohne immer 
einen entsprechenden Ausbau der Ostflügel gewährleisten zu können. Es verhindern die großen Ströme, wie Vlie, 
Ems und Weser, mit ihrer mächtigeren Kraft ein langsames Hineinwaohsen der Düneninseln in ihre Stromrinnen. 
So gehen diese, von W her allmählich aufgelöst, immer mehr ihres Materials verlustig, das von den Strömen 
losgerissen, seewärts mitgenommen und weit draußen auf den Riffen abgelagert wird, die die Ströme auf dem 
östlichen Ufer in die See hinaus begleiten. Von dort aus wandern sie in locker geformten Bänken der nächsten 
Insel im O zu. Das ist der Zustand, der für Vlieland, Rottumeroog und für das noch ungeschützte alte Wangeroog 
kennzeichnend ist. Es ist darum nur mit gewissen Vorbehalten von einer Ostwärtswanderung ganzer Inseln zu 
sprechen. Streng genommen wandert nur das Material der Inselkette ständig nach O, während die Inseln nur die 
Materialansammlungen über HW darstellen, die sich an der Grenze der unmittelbaren IVirksamkeit der offenen See 
in der ruhigeren Zone zwischen den Strömen und Stromsystemen anhäufen konnten. In ihrem Bestand sind sie 
von Wind und Wellen, den Gezeitenströmungen und den von diesen geschaffenen Stromsystemen abhängig. Von 
diesen Kräften werden sie immerwährend überformt. 
Umrisse und Formen der friesischen Inseln sind geradezu als Negativ der auf sie einwirkenden Kräfte an 
zusehen. Diese Materialansammlungen konnten sich, solange ihre Lage im Raum der Zone der geringsten Wirk 
samkeit der zerstörenden und damit der größten Wirksamkeit der aufbauenden Kräfte entsprach, allmählich festigen, 
sei es als kleinere Inseln, sei es als längerer, nehrungsartiger Inselsaum. Dünen bildeten sich in einiger Entfer 
nung von der Arbeit des Meeres, begünstigt von einer sandaufhaltenden und festigenden Vegetation, Marsch 
lagerte sich in ihrem Schutze ab, Grünland überdeckte große Flächen ehemaligen Strandes und Sandwatts. So 
entstand an den den Kräften entrücktesten Stellen des Inselkörpers, doch nur durch das Vorhandensein jener 
Kräfte ermöglicht, der Inselkern. Auf ihm konnten die Vielzahl der Pflanzen, die Tiere und auch der Mensch 
siedeln und gemeinsam der locker zusammengehäuften Masse des Inselkerns eine größere Beständigkeit verleihen. 
Und doch bedeutet diese Verfestigung des Inselkörpers nicht ein Unabhängigwerden von den gestaltenden Kräften, 
sondern nur eine Verlangsamung der aus ihrer Wirksamkeit entspringenden Entwicklungen. Wenn schließlich 
einmal die Bedingungen für den Bestand einer Insel nicht mehr gegeben sind, wenn eine der bisher seine Ruhezone 
79 S. 19: „Die Insellänge hängt ab von der Größe des Tidenhubs. Geringer Tidenhub braucht weniger oder kleinere 
Öffnungen“. 
80 Nr. 83, S. 47: „Die Dünen weichen fortdauernd vor der See zurück, und zwar dort am schlimmsten, wo der Gezeiten 
unterschied der größte war: bei der Mündung der Elbe“.
	        
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