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Full text: 56, 1936

Gerhard Isbary: Das Inselgebiet von Ameland bis Rottumeroog 
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Molkerei 73 . Schließlich sind die Berichte Nicolais über Borkum von Bedeutung. Schon als Jüngling war er 
auf Kleifelder im W und S der Insel am Ufer der Westerems aufmerksam geworden, die, vom überdeckenden Sand 
befreit, Spuren von Menschen, Tieren, Wagenrädern u. a. m. aufwiesen 74 . Als er 1784 als Prediger auf die Insel 
kam, war noch ein Teil dieses Kleis sichtbar, wenige Jahre später aber schon vom Sande überschwemmt. 1789 
dagegen fand er auf einer Außenbank im WNW des Turmes nach einer heftigen Sturmflut, die den bedeckenden 
Sand entfernt hatte, dort ein Feld besten Kleibodens, auf dem sich ein großer, runder Platz, 90 Fuß im Durch 
messer befand, der aus einer doppelten Sodenreihe aufgebaut war. Innerhalb dieser Anlage fanden sich Urnen 
scherben, eine große Zahl von Schafknochen, verrostetes Eisen und mehrere Brunnen. Auch waren ringsum starke 
Baumwurzeln zu sehen. Etwas entfernt lagen zwei weitere Sodenplätze von reichlich 40 Fuß Durchmesser und 
zur Seeseite zu ein großes Feld mit Pflugspuren. Es scheint sich demnach um eine kleine Siedlung gehandelt zu 
haben mit Anfängen von Wurtbauten, die wahrscheinlich in die Zeit der ersten Wurtenerhöhung (500—600 n. Chr.; 
van Giff en) zu stellen ist. Aus diesen drei Fällen geht hervor, daß hinter der Binnendüne eine ältere Klei 
schicht vorhanden ist, deren Hangendes heute etwa 1—1,5 m tiefer liegt, als es zur Zeit der Bildung lag. Ihre 
Siedlungsspuren weisen ihr ein Mindestalter von anderthalb Jahrtausenden zu. W i 1 d v a n g 75 , der der Ansicht 
ist, daß Sandbank und Dünenkette der heutigen Inselkette über Festlandsresten südwärts gerückt ist, sieht das von 
Nicolai gefundene Marschland als einen solchen Festlandsrest aus der Zeit von der letzten großen Senkung an. 
Er hat u. E. den Bericht ungenau interpretiert. Es heißt bei Nicolai nicht „weit nordwestwärts der Insel“, 
sondern im WNW vom Borkumer Turm. Diese Richtung weist auf das heutige Hohe Riff, bis zu dem sich Borkum 
noch 1568 erstreckte (I). Daß Borkum sich in Richtung Borkum Riff einst ausgedehnt hätte, ist von Nicolai 
ausdrücklich als Vermutung gekennzeichnet. 
Weiter wird damit die oben gestellte Frage in der Weise beantwortet, daß gesagt werden kann: Seit der 
Bildung jener ältest erkennbaren Kleischicht haben sich die Inseln in ihrem Inselkern nicht in ihrer Lage zur heu 
tigen Festlandsküste verschoben. Das Vorhandensein einer tieferen Kleischicht aus der Zeit der Binnendüne, der 
folgende Rückgang des Dünengebietes und die Bildung der Dünenmuschcln, der die Entstehung der heutigen, 
oberen Kleischicht folgt, läßt auch an den Einfluß wechselnder Hebungs- und Senkungsvorgänge denken. Wenn 
sich diese Vorgänge aber wirklich abgespielt haben, so sind sie doch von so geringen Ausmaßen gewesen, daß die 
Lage der Inseln im Verhältnis zur heutigen Festlandsgrenze nicht erkennbar davon berührt wurde. Daß es sich 
bei der Zerstörung der Dünenmuscheln in neuerer Zeit um eine Auswirkung einer rezenten Küstensenkung han 
delt, ist bisher an den Veränderungen der Inselkörper nicht nachzuweisen. Einem Eindrücken der Dünenform 
Terschellings im NW entspricht eine Ausdehnung des Ostflügels der Insel nach NO. Amelands Verlust im 
äußersten Nordwesten von 800—1000 m entspricht ein Gewinn im äußersten NO um denselben Betrag. Sehier- 
monnikoog ist bei seiner Ostwanderung in seinem ganzen Inselkörper um einen guten Kilometer nach N verschoben 
worden gegenüber der Lage des alten Inselkörpers. Das gleiche gilt für Borkum, während Juist und Wangeroog 
im N abgenommen haben. Die Inseln von Terschelling bis Borkum bewegen sich also heute noch wie zur Zeit 
der Entstehung der Binnendüne auf einer leicht nach SO durchgedrückten Konkave, wobei der Anwuchs der 
Ostflügel nach ONO herumgezogen wird. 
Das verschiedene Verhalten der Inseln innerhalb der Ostwanderung des Küstensaumes hat seinen Ursprung 
in der Lage der einzelnen Inseln zu der sie treffenden Flutwelle. Die Wirkung der Gezeitenströmungen wirkt sich 
in dem stillen Winkel zwischen der nach NW abdrehenden Flutwelle, die aus dem Kanal kommt, und der großen 
Flutwelle aus dem NW, die südlich der Doggerbank nach O dreht, wenig auf die Gestalt der Inseln aus; Texel, 
Vlieland und Terschelling werden nur von der nördlichen Flutwelle gestreift. Die resultierenden Strömungen 
streichen parallel zur Küste, so daß ihre zerstörende Kraft nicht größer als ihre Kraft zum Aufbau ist. Dadurch 
scheinen diese Inseln mehr oder weniger festzuliegen. Ameland ist eine Übergangsform — die Möglichkeit einer 
geringen Verschiebung des ganzen Inselkörpers nach O scheint, wenn die Entwicklung der jüngsten Jahre eine 
Beurteilung zuläßt, zu bestehen. Von Schiermonnikoog an bis Rottumeroog ist eine ausgesprochene Ostwanderung 
festzustellen. Diese Inseln kommen bereits in den Bereich des von W endicke 76 für die Deutsche Bucht ange 
nommenen kleineren zyklonischen Ringes resultierender Strömungen. Und zwar sind bei dem. alten Bosch und 
dem alten Rottumeroog die resultierenden Strömungen steigenden wie fallenden Wasserstandes vornehmlich auf 
landig gerichtet. Hier scheint die Erklärung jener eigentümlichen Wanderung Boschs nach SO zu liegen. Der 
durchschnittliche Betrag der jährlichen Abnahme im W Sc.hiermonnikoogs betrug von 1568—1933 rund 7 m, für 
Rottumeroog von 1568—1933 18 m, von 1805—1933 sogar rund 19,5 m. Das sind bisher die höchsten bekannten 
Werte in der gesamten friesischen Inselkette. Wangeroog 77 hatte von 1666—1929 nur eine jährliche durchschnitt 
liche Abnahme von rund 10 m, Spiekeroog 78 von 10,7 m. Das verschiedene Verhalten der Westköpfe der einzelnen 
Glieder der friesischen Inselkette von Texel bis Wangeroog kann, bezogen auf die am schnellsten gewanderten 
73 Nach mündlicher Mitteilung des Bauunternehmers. 
74 In A r e n d s , Nr. 5, Bd. I, S. 320. 
75 Nr. 113, S. 85 ff. 
78 Nr. 110, S. 73 f. 
77 W. S e 11 o , in Nr. 109, S. 128 ff. 
78 Behrmann, Nr. 15, S. 80.
	        
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