Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3
24
zuließ 41 . Für die festliegenden Inseln Texel, Terschelling und Ameland ist es jedenfalls nachweisbar. Damit
wird es möglich, die Darstellung Schiermonnikoogs auf der Karte Mercators von „1609“ (II), deren Entwurf
sicher einige Jahrzehnte älter ist, und auf der das Dorf eingezeichnet ist, an den gefundenen Standpunkt der
ältesten Kirche anzulegen. Dadurch gewinnen wir die ungefähren Umrisse der Insel am Ende des 16. Jahrhun
derts. Auch die Darstellung Schiermonnikoogs in 0 r t e 1 i u s Atlas ist benutzbar, obgleich dort die Kirche nicht
eingetragen ist (I). Aber aus der genauen Lagevermessung der Insel zwischen den festliegenden Punkten der Ame-
lander, Terschellinger und einer großen Reihe küstennaher Festlandskirchen, die untereinander mit bemerkens
werter Genauigkeit festgelegt sind, ist es möglich, die Umrisse für „1568“ als kartographisch ältest verfolgbarer
Lage der Insel zu erhalten. Eine Verschiebung der Insel in der kurzen Zeit zwischen den beiden Darstellungen ist
nicht festzustellen. Ein Oststrand, der auf Wanderung deutet, ist noch nicht vorhanden. Er wächst erst nach der
Verlagerung der Westerlauwers und der dadurch verursachten Zerstörung des Westkopfes der Insel. Zuerst findet
sich dann auch auf Donamas Karte von 1732 (VII) eine Bemerkung, daß im 0 ein merklicher Anwuchs
wäre. Wir können diese alten Umrisse und die Lage der von uns rekonstruierten alten Dünen noch durch den Be
richt Sjoerd Hajes nachprüfen, der die Insel nach den großen Fluten besuchte, denen die westlichen Sied
lungen schließlich zum Opfer fielen. Der Droste der Insel, der die Insel für den unmündigen Inselherrn ver
waltete, führt ihn. Dieser 77jährige Greis konnte sich noch deutlich erinnern, daß 200 Ruthen (über 800 m)
westlich der zweiten Kirchstelle Reihen hoher Dünen bestanden haben 42 . Schiermonnikoog war also, wie einer
seits aus Karten und Berichten, andererseits aus den noch vorhandenen alten Dünenformen zu entnehmen ist, bis
in das 18. Jahrhundert hinein eine Insel, die von einem muschelprofilförmigen Dünenkomplex geschützt war. Das
Dorf lag in der westlichen Hälfte der Insel (s. Karte 6, T. 2). Im Jahre 1715 war die Auflösung des Westkopfes
soweit vorgeschritten, daß die alte Kirche abgebrochen werden mußte, da sie von den landeinwärts wandernden
Sandmassen der im NW zerstörten Dünenketten überschüttet zu werden drohte. Sie wurde 1717 südöstlich der
alten Stelle im Kleiland neu aufgebaut an einem Platz, den man damals vor Düne und Flut sicher wähnte. Die
Familien, die vor ihr schon weichen mußten, wurden auf der zweiten Dorfstelle zwischen Oosterburen und dem
neuen Kirchplatz in einem geplanten, regelmäßigen Dorf angesiedelt. In der Weihnachtsflut 1717, die über alle
friesischen Inseln großes Unglück brachte, in der die Kirche Langeoogs zerstört und Wangeroogs Westkopf auf
gelöst wurde, und in der Neujahrsflut 1720 wurden auch die NW-Dünen Schiermonnikoogs an einigen Stellen
vollkommen fortgespült. Die betroffenen Familien mußten ihre Häuser abbrechen. Sie zogen nun nicht in das
nahebei angelegte zweite Dorf, sondern weiter nach 0 und bauten ihre Häuser an der Stelle des heutigen dritten
Dorfes in zwei regelmäßigen Reihen, der noch fast unveränderten Middelstreek und Reestreek wieder auf. Im
Jahre 1736 begann man zu bemerken, daß das Stromsystem sich derart näherte, daß von SW aus die Insel fühlbar
abzunehmen begann. Nach den großen Landverlusten im SW durch die Sturmflut vom 7. Sept. 1756 zog der Herr
der Insel es vor, das alte Herrenhaus aufzugeben. Er baute sich 1757 ein neues, Rijsbergen genannt, im O des
heutigen Dorfes. Durch die Flut vom 26. Dez. 1760 wurde die Kirche und die Pastorei unterspült, und die letzten
Bewohner des ersten und zweiten Dorfes sahen sich mehr und mehr gezwungen, auch ihre Häuser abzubrechen
und im 0 wieder aufzubauen. Es entstanden so die Noorderstreek, Zevenhuizen und Vierhuizen. 1762 wurde
inmitten des neuen Dorfes die dritte Kirche erbaut. Dieses Dorf aber, das einst im O der Insel angelegt war,
befindet sich jetzt am Westkopf der Insel.
Nach dieser Schilderung steht es außer Frage, daß unzerstörte Dünenketten der alten Dünenmuschel west
lich des Badweges nicht zu erwarten sind. Es heben sich noch einigermaßen deutlich die Reste einer Mittelkette
ab, was aber seewärts von ihr liegt, ist im Rückzug gegen die See aufgebaut worden und kann nichts anderes
zeigen, als kleine Gewinne und größere Verluste.
3. Die Dünensysteme Amelands.
Ameland ist in seinen Umrissen als Inselkörper bisher kaum nach 0 verschoben worden (s. Karte 7, T. 3).
Darum sind hier die ältesten überhaupt noch aufspürbaren Zeugnisse früherer Entwicklung friesischer Dünen
gebiete zu erwarten.
Amelands Dünen ordnen sich gegenwärtig von W nach O in drei Dünenmuscheln an, dem Hollum-Ballumer
Komplex, dem Nesser und dem Oerdemer Komplex, die in gleicher Reihenfolge an Größe abnehmen. Sie sind
erst im Laufe des 19. Jahrhunderts durch mehrere lange Sanddeiche zu einem einzigen Dünenkomplex zusammen
geschweißt worden. Über die Entwicklung der Dünenmuscheln im einzelnen und ihre Veränderungen bis zu dem
heutigen Zustand soll später gesprochen werden. Vorerst ist die Frage zu erheben: Haben auf Ameland immer
mehrere voneinander unabhängige Dünenkomplexe bestanden und wenn nicht, in welcher Zeit hat die Zerreißung
einer einheitlichen Dünenanlage stattgefunden?
Die erste Frage muß unbedingt verneint werden. Denn südlich des weiträumigen Slenk-Durchbruches zwi
schen Hollum-Ballumer und Nesser Komplex und südlich des Raumes zwischen Nesser und Oerdemer Komplex
41 Es lassen sich sogar auf der Karte „Oost ende West Vrieslandts beschryvinghe“, 1568, (I) Gebiete herauslösen, deren Orte
und Küstenumrisse bewundernswert genau sind, die aber im Verhältnis zu ihren Nachbargebieten in der Gesamtheit verzeichnet
oder ungenau orientiert erscheinen. Es steht zu vermuten, daß der Karte verschiedene Sonderkarten zugrunde gelegen haben. —
Vgl. auch Behrmann, Nr. 13, S. 110 ff. und S. 132 ff.
42 Winkler-Prins, Nr. 116.