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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 56. Band, Nr. 3
ter statt. Wohl war es, außer in der Außendüne, gestattet, in den dorfeigenen Dünengebieten Vieh zu weiden. Doch
wurden Schäden durch Helmbepflanzung und Seegrasbestreuung nach Möglichkeit vermieden. Jedermann durfte
nur soviel Helm schneiden, wie er zum Decken seines Hauses benötigte. Der Platz, wo das geschehen durfte, wurde
von den Richtern bestimmt. Reisig (wohl vom Stranddorn) zu holen, war verboten 38 . Auf Schiermonnikoog
galten ganz ähnliche Bestimmungen.
Wenn trotzdem auf Ameland und Schiermonnikoog im 18. Jahrhundert, auf Bosch und Rottum schon im
17. Jahrhundert, auf Terschelling schon im 16. Jahrhundert 39 die großen Umwandlungen der alten Dünensysteme
einsetzten, so müssen hier wohl auch andere Faktoren, als der von van Dieren angegebene, daß sie auf intensivere
Ausbeutung durch den Menschen zurückgingen, wirksam geworden sein. Für die Inseln von Ameland bis Borkum
scheint es jedenfalls mit den Umgestaltungen im Wattgebiet zusammenzuhängen, wozu bei Ameland noch ein Zu
rückweichen des Nordstrandes vor dem Inselkern hinzukommt.
2. Die Dünensysteme Schiermonnikoogs.
Ausgehend von dem Gedanken, daß Dünenketten nicht wandern, sondern, solange sie unzerstört sind, dort
liegen, wo sie aus einem Vor- oder Urdünenfeld entstanden sind, muß es die erste Aufgabe einer Strukturanalyse
des Schiermonnikooger Dünengebietes sein, die Erweiterungssysteme, die sich seit Beginn der Inselwanderung ge
bildet haben, auszuscheiden, um den Rest des alten Dünensystems herauszuschälen.
Das jüngste Dünensystem Schiermonnikoogs stellen die bereits erwähnten Steinsduinen dar (Karte 2, T. 2).
Sie sind erst seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts entstanden. Ihre Wurzel liegt, noch gegenwärtig erkennbar,
südlich Pfahl V. Es sind drei Ketten ausgebildet, die eine ausgedehnte, im SO 1000 m breite Strandfläche gegen
die alte Außendüne einschließen. Die innerste der Ketten ist die höchste und erreicht 8 bis 9 m. Sie ist breit
hingelagert, unausgeprägt, mit großer Aufschüttungszone binnenwärts. Ihre erhöhten Schilde sind nur unvoll
kommen zusammengeschlossen. Großenteils ist sie von alterndem Sanddorn überzogen. Die niedrige mittlere Kette
tritt hinter der höheren Außenkette zurück. Diese ist am besten als Kette ausgebildet, da sie von zwei Dellen
begrenzt ist, die bei Sturmfluten durch einige offengehaltene Gaten noch immer voll Wasser laufen. Im SO enden
die Ketten in flachen, schildförmigen Hümpeln, die an der Wattseite vom Wasser steil angeschnitten sind. Der
ehemaligen Wurzel zu sind die drei Ketten durch Abschlag der Dünen und Landeinwärtsrücken des Sandes der
Außendüne ineinander geschoben worden. Die eingeschlossene Strandfläche ist in ihrem schmalen Teil südlich
der Pfähle V und VI von Deflationsmaterial reichlich überschüttet und z. T. von unregelmäßigen, bewachsenen
Kleinformen des Strandstadiums besetzt. Vom Vorsprung der alten Außendüne an zieht sich mitten in die Strand
fläche hinein und parallel den Steinsduinen ein Dünenzug, der alle Kennzeichen der Anlage einer schnell über
sprungenen Erweiterungstendenz trägt. Es ist weniger eine zusammengeschlossene Kette, als ein kettenartig aus
gezogenes Gewirr ineinandergefilzter Dünen von 3—4 m Höhe. Der Zug ist von Sanddorn besetzt und völlig
erstorben. Der übergroße Teil der eingeschlossenen Strandfläche ist tischeben; er wird von zwei größeren Prielen
entwässert, deren westlicher als Rinne vor den Kooiduinen angelegt ist, während der östliche schon bei der
Bildung der zerstörten Kobbeduinen angelegt wurde und sich allmählich nach NW erweiterte.
Das nächstältere Erweiterungssystem umfaßt die eben erwähnte Außendüne und zwei weitere, hinter ihr
liegende Ketten, deren Wurzel ebenfalls südlich des Pfahles V zu suchen ist. Auch sie schließen kleinere Teile
der Strandfläche ein. Die Außendüne endet in einem kräftigen Bogen bei der fast 20 m hohen Oostduin, einer
Massendüne, zugleich der höchsten Düne der Insel. Noch heute bietet diese Kette, von der vorliegenden Strand
fläche aus gesehen, das Bild einer Außendüne. Dieses Erweiterungssystem ist in seinem wurzelnahen Teil durch
das Rückweichen der gegenwärtigen Außendüne abgeschnitten worden, so daß die Ketten federförmig der jungen
Außendüne aufsitzen. Auch dieses System muß nach 1864 entstanden sein, da ihr Lagegebiet auf dem Atlas von
Keuperius (XXI) und der Karte 1:50000 von 1854 (XXIII) noch als kahler Strand eingetragen ist. Es muß sich
aber schnell und kräftig entwickelt haben, denn alle drei Ketten sind gut ausgebildet und durchschnittlich über
10 m hoch. Der die NW-Winde fangende östlichste Innensaum der alten Außendüne ist von ihnen aufgerissen;
der Sand wird in südöstlicher Richtung über den Kamm geblasen und langsam über ihn hinweggeschüttet; dabei
muß der Sanddorn, der die Düne bereits besetzt hatte, wieder dem Helm weichen. Lange kann das noch nicht ge
schehen sein, denn auf der Leeseite ist noch ein Teil der erstickenden alten Vegetation zu sehen. Hier spielt sich
vor unseren Augen ein langsames Vorwärtswälzen der Sandmasse einer Dünenkette ab. Solange der Vorgang all
mählich und gleichmäßig verläuft, kann ein kettenartiges Zusammenhalten der Sandmassen gewahrt bleiben. Wür
den die Wundstellen nicht eilig von Menschenhand geschlossen, so wäre es sicher, daß die „weiß“ gewordene Düne
sich in ihrem Material aus der Kette lösen und über die glatte Fläche südostwärts oder ostwärts wandern würde.
Jenseits dieses Erweiterungssystems verläuft eine breite, stark verkesselte, aber dennoch an einigen Punkten
13 m überschreitende Dünenkette, die in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts noch die nordöstliche Außen
düne war. Zwar legte sich ihr auf der Karte von 1809 (XIII; Abb. 1. T. 1) noch ein Dünenbogen von der Stelle
ihres Umbiegens aus der O—W- in die SO-Richtung an bis zur Oostduin vor, der aber auf der Karte von K r o s
(XVIII; Abb. 3, T. 1) von 1832 und der Katasterkarte von 1854 (XX) nicht mehr eingezeichnet ist. Diese alte
38 Houwink, Nr. 55, S. 220.
39 Van Dieren, Nr. 37.