Gerhard Isbary: Das Insel gebiet von Ameland bis Rottumeroog
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annehmen, die, abhängig vom Zusammenspiel der wirksamen Kräfte, an die ihnen bestimmten Lagegebiete ge
bunden sind, dort wachsen, ersterben oder auch zerstört werden können. Sie können nicht über große Strecken
wandern, sondern liegen im großen ganzen fest. Wandern kann nur ihr Material, flächenhaft oder zusammen
gehäuft in verschiedenen Formen sekundärer Dünen. Die älteste Dünenkette eines Dünengebietes ist nicht eine
Außendüne, aus deren Deflationsmaterial sich die dahinter liegenden Dünenketten bildeten, sondern die Binnen
düne, die sich primär auf einem Urdünenfeld als erste Dünenkette eines sich bildenden Inselkernes entwickelte.
Alle anderen, vorhandenen Dünenketten entstanden nacheinander als Außendünen. Ihre Bildung und die Aus
bildung der Dünenmuscheln der untersuchten Inselkerne werden in den beiden nächsten Abschnitten zu be
handeln sein.
2. Die Vordünenfelder.
Vordünenfelder finden sich rings um den Inselkern seewärts seiner Außendüne. Es wird notwendig sein,
sie einzuteilen in solche, die sich gegen die Richtung der herrschenden Winde, der Inselverschiebung und Riff
wanderung bilden, also bei den meisten friesischen Inseln westlich vom Scheitelpunkt des Dünenkomplexes, und
solche, die mit der Richtung der wirksamen Kräfte entstehen, das ist in den meisten Fällen östlich vom Scheitel
punkt des Dünenkomplexes. Es muß einmal eine Zeit gegeben haben, in der sich um die alten Binnendünen Vor
dünenfelder, die zu Dünenketten wurden, in von W—0 geschlossenen Bögen gebildet haben. Als die Möglich
keit der Entstehung geschlossener Dünenketten seewärts um den alten Inselkern nicht mehr bestand, war die
Bildung der Dünenmuscheln bzw. Hufeisen abgeschlossen. Was seitdem an neuen Dünenketten entstand, erweiterte
nur den vorhandenen Inselkern. Gegenwärtig gibt es nur selten Vordünenfelder des Westkopfes, da W- und NW-
Strand der meisten Inseln in Abbruch liegen. Ihre Entstehung und Ausbildung zu Außendünenketten war in den
letzten Jahrzehnten auf Terschelling 16 zwischen dem Leuchtturm und Pfahl VII und auf Juist 17 vor der Neuen
Bill zu beobachten. Beiden Inseln lagert sich bei einem weit westlich liegenden Landungspunkt der Riffe eine nach
W vorspringende Sandplatte, der Noorder Vaarder und der Haak an; deshalb leiden sie dort nicht unter Abbruch,
sondern dehnen sich eher noch in dieser Richtung aus. Die geringe zeitweilige Erweiterung des Amelander und
Schiermonnikooger Inselkerns nach W und SW geschieht nicht durch Bildung von Vordünenfeldern, sondern
durch seewärtige Verschiebung des Fußes der Außendüne. Auf beiden Inseln werden die Ausbildungsgebiete der
west- und ostseitigen Vordünenfelder durch das Gebiet der Riffanlandungen scharf getrennt. Die eingreifenden
Veränderungen, die das Nähern eines Riffes und das zwischen ihm und dem Strand eingepreßte Tief auf den
schmalen Strand und die Außendüne ausüben, geben der Entwicklung von Vordünenfeldern nicht die notwendige,
mehrjährige Ruhezeit.
Die Neubildung von Vordünenfeldern auf der Ostseite kann in der Weise vor sich gehen, daß ein vor
handenes System von Dünenketten um eine neue Kette erweitert wird; das geschieht im Ablauf einer bereits be
stehenden Erweiterungstendenz des Inselkernes. Nach längerer Zeit der Stagnation pflegt dagegen plötzlich eine
großzügige Neubildung von Dünenketten vor sich zu gehen, die sich, einmal ausgelöst, an die indessen vor sich
gegangenen Veränderungen im Verhältnis der wirksamen Kräfte zur Inselkerngestalt, sei es durch Vergrößerung
oder Verkleinerung der Inselgestalt, sei es durch Veränderungen seiner Umrisse oder durch eine Verschiebung
nach 0, anzupassen sucht. Das bedeutet, daß die neu entstandene Tendenz zur Erweiterung des Inselkernes durch
den Aufbau neuer Dünenketten bisher unausgenutzte Erweiterungsmöglichkeiten ausschöpft und erneut dem Insel
kern eine Gestalt gibt, die sich im Verhältnis der wirksamen Kräfte zum Inselkörper wieder im Gleichgewicht
befindet. Im Ablauf der neuen Erweiterungstendenz entstehen mehrere Dünenketten, die ein genetisch zusammen
gehöriges Dünenkettensystem bilden. In einigen Fällen ist es auch nur eine Kette; das Dünenkettensystem hat sich
dann nicht ausbilden können, da die Erweiterungstendenz, schnellen Veränderungen folgend, sich erneut verschoben
hatte. Das neu entstehende Dünenkettensystem schließt gegen die alte Außendüne des Inselkerns eine mehr oder
weniger große Strandfläche und zwischen ihren einzelnen Ketten die zur jeweiligen Außendüne gehörige Rinne ein.
Ostseitige Vordünenfelder gibt es auf Terschelling, Ameland, Schiermonnikoog und Borkum in großer
Zahl. Auf Ameland und Schiermonnikoog ist nachzuweisen, daß eine Reihe höherer Dünen des Inselkerns sich
erst in allerjüngster Zeit aus Vordünenfeldern entwickelt haben. Wenn so die Möglichkeit gegeben ist, die
Struktur des gesamten Dünenkomplexes des Inselkerns rückwärts in ihren einzelnen Bestandteilen erkennen und
auf ihr relatives Alter hin untersuchen zu können, verdienen die unter unseren Augen entstehenden Vordünen
felder um so größere Beachtung, als sie unter günstigen Bedingungen zu Dünenketten werden können, in jedem
Fall aber, ob sie bestehen bleiben oder wieder vernichtet werden, eine künftige Erweiterungsmöglichkeit des Insel
kerns darstellen. Es wird das Ziel der Betrachtung sein, deutlich zu machen, daß das Vordünenfeld das Jugend
stadium einer Dünenkette ist, und daß eine Reihe von Formen der Dünenkette bereits im Vordünenfeld an
gelegt werden.
Die Basis, die bei der Entstehung der Urdünenfelder durch die wattseitige Wirkung des Wassers gebildet
wurde, wird bei der Entstehung der Vordünenfelder durch die Rinne gegeben, die vor dem Fuß der Außendüne
entlangführt und die ihr Wachstum erst ermöglicht. Sie ist am schmalen Nordstrand von geringer Breite und ist
16 van Dieren, Nr. 37.
17 Windberg, Nr. 114, S. 59.