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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 55. Bd. Nr. 1
Für eine Untersuchung der geographischen Verteilung der Alkalinität ist die Darstellung der Größe A
wenig geeignet. Wenn man etwas über den Kalkgehalt des Meerwassers und seine regionale Verteilung im Ober-
llächenwasser eines Meeresgebietes aussagen will, muß man die Größe A, die eine Komponente des Gesamtsalz
gehaltes des Meerwassers ist, zu dem aus der Chlortitration bestimmten Gesamtsalzgehalt in Beziehung setzen.
Wenn man zunächst annimmt, daß sowohl für Wasser vom offenen Ozean wie für Wasser von festlandnahen Meeres
gebieten das Gesetz von der Konstanz des Verhältnisses der einzelnen Salzgehaltskomponenten zueinander auch in
bezug auf die Alkalinitätsverhältnisse gilt, müßte der Wert A eine lineare Funktion des Gesamtsalzgehaltes sein.
Diese Beziehung kann A = b. S oder A ~ a±b. S lauten, wo b eine vom Salzgehalt des Meerwassers abhängige
Konstante (genannt Alkalinitätskoeffizient) und a eine Flußwasserkonstante ist, deren absoluter Wert die Größe
der Flußwasseralkalinität ausdrücken kann, d. h., die Alkalinität beim Chlorgehalt = 0 %o. Die Änderungen dieser
Konstanten vermitteln ein Bild von den Änderungen des Kalkgehaltes im Meerwasser. Derartige Beziehungen
zwischen A und S sind früher schon für Wasser von festlandnahen Meeresgebieten aufgestellt worden (vgl.
nächsten Abschnitt).
2. Aufgabe der Untersuchung
Da innerhalb der Nord- und Ostsee in der Verteilung der Alkalinität charakteristische Unterschiede zwischen
ozeanischem und landnahem Wasser vorhanden sind, wurde diese bereits mehrfach untersucht. Auf Grund der
Beobachtungen von E. R u p p i n 8 in der Nordsee und Elbmündung aus den Jahren 1906 und 1907 berechnete
Krümmel 9 die folgende Beziehung zwischen Alkalinität und Salzgehalt:
A = 1,172-1-0,0456 S—0,000294 S 2 .
Im Sommer 1921 wurden von Br. Schulz 10 weitere Werte gewonnen und aus sämtlichen damals aus der
Nordsee vorliegenden Beobachtungen für Salzgehalte über 34,50 %o die Gleichung
A = 0,06788 S
abgeleitet. Auf den hydrographischen Untersuchungsfahrten des Reichsforschungsdampfers „Poseidon“, die von
der Deutschen wissenschaftlichen Kommission für Meeresforschung in ! Verbindung
milder Deutschen Seewarte veranstaltet wurden, konnten von 1925 bis 1930 weitere Beobachtungen
gewonnen werden. Aus diesen hat Fr. Zorell 11 12 * für die östliche Nordsee und die Elbmündung zwischen
Alkalinität und Salzgehalt folgende Beziehungen abgeleitet:
östliche Nordsee: A = 0,06757 S
Elbmündung: A = 1,40+0,027 S (nach Schulz 1921: A = 2,0+0,01 S)
Die bisherigen Untersuchungen dienten lediglich dazu, mittlere Beziehungen zwischen Alkalinität und Salz
gehalt festzulegen. Diese wurden dazu benutzt, die jeweils beobachteten Alkalinitätswerte mit den aus dem Salz
gehalt mit Hilfe der mittleren A/S-Beziehung berechneten zu vergleichen und Anomalien in der regionalen Ver
teilung der Alkalinität aufzudecken.
Da die bisherigen Untersuchungen ergeben hatten, daß das durch die deutschen Ströme dem Meere
zugeführte Wasser auf die Alkalinitätsverteilung im Oberflächenwasser der Deutschen Bucht und auch der übrigen
Nordsee von größtem Einfluß ist, trat immer mehr das Bedürfnis in den Vordergrund, einmal systematisch den
Einfluß eines der drei in die Deutsche Bucht mündenden Flüsse Elbe, Weser, Ems, zu untersuchen. Ein weiterer
Grund, derartige Untersuchungen durchzuführen, ergab sich aus Folgendem. Die aus Laboratoriumsversuchen
gewonnenen Erfahrungen über den Einfluß von Salzlösungen auf kalkhaltige Suspensionen zeigten, daß sich
innerhalb des Mischgebietes zweier verschiedener Wassermassen starke Veränderungen in der Zusammensetzung
des Gesamtsalzgehaltes vollziehen. Dies muß für die Berechnung der Alkalinität aus dem durch Titration
bestimmten Salzgehalt von grundlegender Bedeutung sein (Note 12 und 13). Weiterhin spielt in den Mündungs
gebieten der Flüsse die Menge der im Wasser ungelösten Materie eine ebenso bedeutende Rolle. Dies ist bereits
bei den Untersuchungen beachtet worden und R u p p i n hat Parallelbestimmungen an filtrierten und unfiltrierten
Wasserproben durchgeführt 14 .
Bei deren Besprechung wird diese Frage von Schulz wie folgt beurteilt: „Die Differenzen sind . . .
durchaus nicht konstant und zeigen auch keinerlei Beziehungen zur Größe des Salzgehaltes.“ Weiter wird auch
der Faktor der Ausfällung beleuchtet, über den aber wegen Mangel an Beobachtungen nichts Genaues gesagt
werden konnte. „Ob überhaupt und welche Rolle dieser letztere Faktor z. B. in der Elbmündung spielt, wird
sich erst überblicken lassen, wenn einmal in einer Speziaiuntersuchung im Unterlauf und im Mündungsbereich
eines karbonatreichen Flusses, etwa der Elbe, systematisch zahlreiche Parallelbestimmungen der Alkalinität von
8 E. Ruppin, Die Alkalinität des Meerwassers. Wiss. Meeresunters. N. F. 11 Bd. Abt. Kiel 1910.
9 O. Krümmel, Handbuch der Ozeanographie 1907, S. 308.
' 10 B r. S c h u’l z, Hydrographische Beobachtungen insbesondere über die Kohlensäure in der Nordsee und Ostsee im
11 Fr. Zorell, Beiträge zur Kenntnis der Alkalinität des Meerwassers. Ann. d. Hydr. und marit. Meteorol. 1933, S. 18.
Sommer 1921. Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte 40. 1922. Nr. 2.
12 G. Bodländer, Versuche über Suspensionen. Neues Jahrbuch für Mineralogie 1893. 22.
18 C. F o r c h, Die Fällung feiner Tontrübungen in Salzlösungen. Ann. d. Hydrogr. usw. 1912. S. 23.
14 Siehe Ruppin, 1910, und Schulz, 1922. S. 12.