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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 55. Bd., Nr. 2
punkt allmählich alle Hauptkreise in die Karte übertragen. Um die Gestalt der Haupt»
kreise zu untersuchen, genügt es daher, einen einzelnen Hauptkreis zu untersuchen.
Dadurch sind solche Karten zur Einführung in die Kartenentwurfslehre die geeignetsten.
In der Mathematik nennt man diesen Satz den Drehungssatz. Sehr brauchbar für diesen
Zweck ist die Meßkarte zur Auflösung sphärischer Dreiecke von E. Kohlschiitter.
Über die Halbmesser der Abstandskreise ist bislang nichts festgesetzt. Das Nächst»
liegende wäre, die Halbmesser proportional den sphärischen Halbmessern zu wählen.
Solche Karten nennt man mittabstandstreu. Bald wird sich herausstellen, daß in größerem
Abstande vom Hauptpunkt die Verzerrungen stark anwachsen, der Nadirpunkt wird zum
Kreise. Man wird daher ein anderes Abstandsgesetz wählen müssen und dazu die trigo»
nometrischen Zahlen der sphärischen Halbmesser, die ja Mittelpunktswinkel der Kugel
sind, ausersehen. Wählt man q = tang p (p = Polabstand oder Abstand vom Haupt»
punkt), so erhält man die gnomonische Karte, in der alle Hauptkreise als Gerade ab»
gebildet werden. Zur Abbildung größerer Gebiete ist diese Karte ungeeignet, da für
p =90° tangp = oo wird.
Wählt man q = tang ^ > so erhält man das stereographische Netz, in dem alle Kugel»
kreise als Kreise abgebildet werden, was jetzt bewiesen werden soll. Nach obiger Fest»
Stellung genügt es, einen beliebigen Hauptkreis zu untersuchen. Da alle Punkte der Kugel
gleichwertig sind, empfiehlt es sich als Kartenhauptpunkt den Nordpol der Erde zu
wählen, da das geographische Netz (<p2) auf ihn bezogen, also bekannt ist. Als
Büschelpunkt der Hauptkreise, von denen einer untersucht werden soll, wählt man einen
Punkt des Äquators, um die Formeln auf die einfachste Form zu bringen, denn für diesen
Punkt wird Q = tang y — tang^^ = 1. Der Äquator ist also der Einheitskreis des Netzes.
Sei (Fig. 1) auf der Kugel N der Nordpol, A ein Punkt des Äquators, AS der Haupt»
kreis, der NA unter dem 4-« schneidet. Ein beliebiger Punkt S des Hauptkreises habe
die Koordinaten q> = 90° — p und 2, wenn NA als Anfangsmeridian
angenommen wird. Dann ist:
cot a sin X ss tang <p = cot p,
oder cot a sin X tang p = 1. (1)
Dem Halbmessergesetz entsprechend werden NA und NS als Strahlen,
die bei N den 4- X einschließen, abgebildet, NA = 1, NS = tang 2-,
In Formel (1) ist daher tang p durch tang ^- = () zu ersetzen.
Es wird cot a sin X
2 tang
1 — tang !
, 2 Q sin X .
— = cot a . = 1
P i —C 2
und q z + 2 cot a q sin X = 1. (2)
Nachdem (Fig. 2) man x = qcosX und y = (>sin2 als kartesische Koordinaten eingeführt
hat, wird aus (2)
x 2 *h (y + cot a) 2 = cosec 2 a — r 2 .
(2a)
Der Hauptkreis wird als Kreis abgebildet mit dem Halbmesser r = cosec a, die Mittel»
punktskoordinaten sind
x = 0, y — — cot a.
Denkt man sich den Kreis (Fig. 2) AS ausgezogen, so wird er den Meridian 2 = 90° in