30
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 55. Band Nr. 6
legen ist. Diese Tatsache ist von ungeheurer Bedeutung für den ganzen Aufbau des Watts, für die
Gestaltung der Oberflächen tonnen. Das bedeutet, daß nicht der Ebbstrom, sondern der Flutstrom
die am stärksten wirksame Kraft ist. Das erklärt das Vorkommen von Triebsand und Flutstrom
bänken auf der Unterseite von Sanden. Gewiß, es werden Sonderfälle vorliegen, in denen es anders
sein kann, aber die Flutstrombildungen sind die normalen Fälle, die anderen sind Ausnahmen. In
wieweit diese Auffassung im Gebiet der Niederelbe allgemein gültig ist, müßte noch näher unter
sucht werden.
Es ist klar, daß die ganzen Vorgänge in Wirklichkeit viel komplizierter sind. Denn die hier mit-
geteilten Werte sind Mittelwerte, die selten oder nie Vorkommen. Nicht nur der Tidenhub ist variabel,
sondern auch die Steig- und Falldauer. Ich möchte nur einige extreme Fälle nennen. Am Juelssand
schwankt die Steigdauer zwischen 4 Stunden 25 Minuten und ca. 6 Stunden; die Falldauer zwischen
6 Stunden 10 Minuten und fast 8 Stunden. Damit im Zusammenhang ändern sich natürlich auch die
Steig- und Fallgeschwindigkeiten und die Strömungsgeschwindigkeiten. So betrug z. B. die maximale
Steiggeschwindigkeit bei der Sturmflut am 14. Mai 1934 4,3 cm, bei der Nibbflut ani 22. 4. 34 aber
nur 1,4 cm/min. So ist es verständlich, daß dauernd so umfangreiche Veränderungen im Watt vor
sich gehen. Aber außerdem spielt noch eine ganze Reihe anderer Kräfte eine Rolle, von denen als
nächster der Wellengang besprochen werden soll.
Die Brandung.
Eine natürliche Brandung ist auf der Elbe nur hei stürmischem Wetter vorhanden. Aber weit
stärker in der Wirkung und in allen Jahreszeiten, hei jedem Wetter wirkt die künstliche Brandung,
die durch die großen Dünungswellen der Schiffe hervorgerufen wird. Allerdings ist die Wirkung
eine etwas andere, da ja die Brandungswellen von der Mitte des Fahrwassers ausgehen, deshalb also
beide Ufer gleichzeitig betroffen werden. Aber auch bei diesen Wellen darf nicht die Wirkung des
Windes außer Acht gelassen werden. Ostwind wirkt auf die Brandungsfätigkeit verstärkend, da die
Wellen ebenso wie Wellen, die gegen die Strömung laufen, scharfe und brechende Formen an
nehmen.
Von besonderer Bedeutung sind die Böschungsverhältnisse. Diese sind z. B. für die Ursache
des Abbruchs an der Westseite vom Bishorster Sand, Drommel usw. ausschlaggebend. Denn je
stärker der Abfall, desto größer ist die Wirkung der Brandung. Bei ganz geringem Böschungswinkel
tritt überhaupt keine Brandung auf.
Beobachten wir einmal den Verlauf der Wellen, wie sic von einem elbabwärts fahrenden Schiff,
z. B. einem der schnellen Seebäderdampfer der Hapag ausgehen. Schon von fern hört man das
Brausen der Brandung bei Juelssand und Drommel, im stillen Winkel vor dem Auloch verstummt
sie einen Augenblick, da hier ein Schutzwatt mit geringem Abfall zur Elbe liegt. Aber gleich darauf
vernimmt man sie von neuem, wie sie am Abbruehufer von Bishorster Sand entlangläuft. Aber
unterhalb des Aulochs hört sie an der Westküste ganz auf und macht sich erst wieder bemerkbar,
wenn die Wellen bis in die Binnenelbe vorgedrungen sind. Nachdem die Front nämlich eine Wen
dung von 180 Grad gemacht hat, bricht sie sich an der Ostseite von Juelssteert und Buhnenberg. Die
Binnenelbe aufwärts nimmt die Höhe und Wirkung der Dünungswellen sehr schnell ab, doch sind
sie bei ruhigem Wetter noch bis in die Gegend des Hohenhorster Sandes zu verfolgen. Es macht sich
in der Binnenelbe jedes Schiff durch vier aufeinander folgende Reihen von Wellen bemerkbar. Be
kanntlich gehen von jedem Schiff Bug- und Heckwellen aus, die kurz aufeinander folgen. In die
Binnenelbe dringen diese aber von zwei verschiedenen Seiten ein, durch das Steinloch und sehr viel
später bzw. früher zwischen Kollmar und Pagensand.
Der Einfluß dieser Art Brandung darf keineswegs unterschätzt werden. Der sehr starke Ab
bruch, auch im Sommer, ist zu einem Teil darauf zurück zuführen. Daß sie auch an der Gestaltung des
Hungrigen Wolfs bzw. der ani diesem gelegenen Strombänko mitarbeitet, wird später noch zu er
läutern sein.