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Full text: 55, 1936

Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 55. Band Nr. 6 
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Bei Linde (9), ja selbst bei W. Wrage (38) finden wir noch die Ansicht vertreten, daß die 
Ebbe zuerst am holsteinischen, die Flut dagegen zuerst am hannoverschen Ufer auftritt. Nach allen 
meinen Beobachtungen und nach den Erkundigungen bei Ortskundigen und Fischern muß jedoch 
festgestellt werden, daß sowohl die Ebbe wie die Flut zuerst am holsteinischen Ufer eintritt. Der 
Zeitunterschied zwischen Auftreten der Flut auf der rechten und der linken Seite der Elbe beträgt 
hier 20 bis 25 Minuten. Diese Tatsache ist vielleicht zum Teil auf die ablenkende Kraft der Erd 
rotation, zum größten Teil aber wohl auf die Lage des Fahrwassers und die besonderen Verhältnisse, 
die durch den mäandernden Lauf der Elbe entstehen, zurückzuführen. Es sei bemerkt, daß ich von 
diesem Gebiet der Elbe nicht auf andere Gegenden der Niederelbe schließen möchte. 
Es ist klar, daß durch das verschiedenartige Beginnen der Tiden gerade in unserem Gebiet, im 
Bereich der Inseln und Sande, ganz komplizierte Sirömuugsverhältnisse geschaffen werden, die völlig 
aufzuklären ich nicht imstande bin. Exakte Strömungsmessungen und besonders Messungen der 
Stromrichtung im Verlauf der Tide würden dazu nötig sein. 
Betrachten wir einmal den Verlauf einer Tide. Die Flut dringt also zuerst zwischen Kollmar und 
Pagensand in die Binnenelbe ein. Zu dieser Zeit ist auf der Elbe noch Ebbe. Die Flutwelle setzt sich 
dann in die Binnenelbe fort, wobei ein Teil des Wassers durch das Steinloch in die Hauptelbe ablließt, 
da ein stark entwickeltes Gefälle vorhanden ist. Besonders im Steinloch sind die Verhältnisse sehr 
kompliziert, worauf bei der Besprechung des Hungrigen Wolfs bereits hingewiesen wurde. Im weiteren 
Verlauf der Flut tritt in der Binnenelbe, infolge der Einengung und der Aufspaltung in mehrere Arme, 
eine Verzögerung ein, so daß die Flut, wenn sie bis zum Dwarsloch vorgedrungen ist, inzwischen 
auch in der Elbe eingesetzt hat. Die Folge ist, daß die beiden Flutströme sich etwa in der Mitte des 
Dwarslochs begegnen. Schließlich gewinnt aber doch der Strom aus der Binnenelbe die überhand, 
so daß bis zum Hochwasser der Flutstrom von links nach rechts verläuft. Beim Eintreten der Ebbe 
ist es genau so: zunächst verläuft der Ebbstrom nach beiden Seiten, um dann nach Verlauf einer 
Stunde endgültig in die Richtung zur Binnenelbe umzuschlagen. 
Auf diese merkwürdige Tatsache wurde ich aufmerksam, als ich eines Tages vor der Mündung 
des Dwarslochs in die Elbe vor Anker lag, mit der Absicht, mich bei einsetzender Ebbe mit dem 
Ebbstrom in die Binnenelbe treiben zu lassen, da es unmöglich ist, gegen den hier vorhandenen, sehr 
scharfen Strom anzurudern. Schließlich war die Zeit, wo die Ebbe einsetzen sollte, vorüber. Das 
Wasser fiel auch, aber der Strom hatte immer noch die Richtung wie vorher der Ebbstrom. Der 
Wechsel trat erst nach ungefähr einer Stunde ein. 
Dieselben Erscheinungen sollen übrigens in vielen Nebenarmen der Elbe herrschen, sowohl auf 
der linken wie auf der rechten Seite; so in der Bützflether Süderelbe, in der Wischhafener Süderelbe, 
beim Schweinesand usw. Diese Mitteilung verdanke ich Herrn Fischer P. Meier, Altona. 
Für die übrigen Löcher, das Koopmannsloch, das Quappenloch und das Auloch, gilt dies Gesetz 
nicht mehr, da sie an ihrem oberen Ende so stark aufgeschlickt sind, daß das Wasser in der ersten 
Stunde der Flut bzw. der Ebbe nicht in sie eindringen kann. So fließt also hier dauernd der Flutstrom 
von links nach rechts, der Ebbstrom umgekehrt. 
Zwischen Binnenelbe und Elbe ist also ein ziemlich starkes Gefälle vorhanden, das nach Mitteilung 
Ortskundiger bis zirka 40 cm betragen soll. Genaue Werte ließen sich nicht ermitteln, da Wassei- 
standsmessungen nicht vorliegen. Ein starkes Gefälle ist auch in der Binnenelbe vorhanden, be 
sonders im Bereich der Wattinseln. Das Gefälle von links nach rechts und umgekehrt ist sogar 
stärker als das von N nach S oder von S nach N. 
Diese Tatsache hat auch zweifellos eine gewisse morphologische Bedeutung. M. E. verdanken 
ihr nämlich die Löcher ihre Entstehung. Auch die Richtung der Löcher wird dadurch bedingt sein. 
Daß das Einsetzen der Flut nicht mit dem aufkommenden Flutstrom zusammenfällt, dürfte wohl 
genügend bekannt sein. Das Kentern des Stromes tritt erst ein, wenn das Wasser schon 50 bis 60 cm 
gestiegen bzw. gefallen ist. Man darf sich deshalb nicht nach dem Schwojen der Tonnen oder der 
Lage ankernder Fahrzeuge richten.
	        
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