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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 55. Bd. IVr. 5.
die Meeresoberfläche so geneigt ist, daß die Geschwindigkeit am Boden verschwindet, so folgt aus
den hydrodynamischen Gleichungen, daß die Geschwindigkeit in einer Tiefe sich aus der Druckver
teilung der darunterliegenden Schichten berechnen läßt. Die sich ergebenden Werte für 0
bis 50 m sind dann mit in der Tabelle 1 auf getragen, man sieht, daß Vorzeichenwechsel nur an wenigen
Stellen in der oberen 50 m-Schicht Vorkommen. Eher beobachtet man schon eine Abnahme der Ge
schwindigkeit in den oberen 50 m, wie z. B. auf 30 östlicher Länge unter 75° 10' nördlicher Breite; es
ist dies ein Zeichen dafür, daß die Dichteverteilung in den übereinanderlagernden Wassermassen nicht
gleichsinnig ist. Auch auf 26° östlicher Länge und von 74° bis 75° nördlicher Breite findet man ein
ähnliches Verhalten. Diese Erscheinung hängt offensichtlich mit der polaren Grenzfläche zusammen, in
dem sich atlantisches und Schmelz-Wasser liier längs einer geneigten Fläche aneinander vorbei bewegen.
Auch an anderen Stellen, wo verschiedene Wassermassen aneinandergrenzen, dürfen wir ähnliche Ver
hältnisse erwarten. Man könnte überall dort, wo eine Abnahme des Betrages der Geschwindigkeit gegen
die Oberfläche hin eintritt, sich eine Nullschicht denken, und dann die Absolutwerte der Geschwindigkeit
errechnen, aber wesentliche Änderungen im Aufbau des Stromfeldes werden dadurch nicht hervorge
rufen. Am ehesten gewinnt man noch einen Einblick in diese etwas komplizierten Verhältnisse, wenn
man für die Deckschicht die Druckverteilung betrachtet. Zu diesem Zweck sind zwei Karten gezeichnet
und zwar enthält Figur 26 die Isopyknen für 10 m Tiefe und Figur 27 entsprechend für 25 m Tiefe. In
25 m Tiefe stimmt der Verlauf der Kurven mit den früher betrachteten Linien gleicher mittlerer Dichte
noch im wesentlichen überein, dagegen gibt Figur 26 für 10 m Tiefe ein anderes Bild; dieses ist dem
jenigen der Dichteverteilung an der Oberfläche ähnlich (vgl. „Berichte“ Tafel 1). Man ersieht daraus,
daß das Gebiet maximaler Dichte in der von Null bis 10 m Tiefe reichenden Schicht nach Süden ver
schoben ist. Diese Tatsache steht im Einklang mit dem obigen Ergebnis, wonach an der Spitjbergen-
bank die polare Grenzfläche aus der Tiefe im Norden bis an die Oberfläche im Süden ansteigt. Der
Verlauf der Isopyknen in der Umgebung der Bäreninsel läßt sich nicht eindeutig festlegen, es ist aber
wahrscheinlich, daß hier ein großer Wirbel vorhanden ist, welche Ansicht schon Nansen geäußert hat 38 ).
Daß auch in 10 m Tiefe die Mittelschwelle von Einfluß auf die Wasserbewegung ist, zeigt die Kurve
er, =27.0 von 73° bis 74° nördlicher Breite auf 37° östlicher Länge. Wenn auch kleine Abweichungen
in der Gestalt der Kurven in den Figuren 26 und 27 von derjenigen der mittleren Dichte auftreten,
so hat man zu bedenken, daß in der oberflächennahen Schicht der Dichtegradient in vertikaler Richtung
recht beträchtlich sein kann; dann bedingen aber vertikale Verlagerungen der Grenzfläche zwischen den
geschichteten Wassermassen, wie wir sie später an den Dauerstationen feststellen werden, bedeutende
Dichteänderungen, so daß Unregelmäßigkeiten wie die geschlossene Kurve er, = 27.5 in Figur 27 unter
73° nördlicher Breite und 26° östlicher Länge leicht zu erklären sind. Zusammenfassend kann man
sagen, daß die Deckschicht ihrem ganzen Aufbau nach, wie er aus den Figuren 26 und 27 hervorgeht,
keine tiefgreifenden Veränderungen in dem Bewegungszustand des Tiefenwassers bewirken kann, und
als erste Annäherung darf man annehmen, daß im allgemeinen die Meeresoberfläche eine solche Neigung
hat, daß das Wasser am Boden in Ruhe ist. Veränderungen der Oberschicht werden dann höchstens
Beschleunigungen oder Verzögerungen des Tiefenwassers bewirken, aber nicht den Charakter der Wasser
bewegung grundlegend ändern können.
An dieser Stelle sei auch auf einen anderen stromerzeugenden Faktor, nämlich den Wind, einge
gangen. Im allgemeinen wurden auf der Barents-Meer-Fahrt 1927 nur geringe Windstärken beobachtet 39 ).
Für den Fall, daß der Wind mit Geschwindigkeiten von weniger als 5 m/sec geweht hat, können wir die
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Reibungstiefe abschätjen. Sie ergibt sich nach den Beobachtungen zu D = . T - , °), wo w die Windge
**) Vgl. Krümmel: Handbuch der Ozeanographie II, 1907, S. 521.
3i ) Schulz, B.: Barents-Meerfahrt des R. F. D. „Poseidon“ 1927. Ann. Hydr. roarit. Meteor. 1929, S. 294.
“) Vgl. Defant: Dynamische Ozeanographie, S. 74.