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Aus deni Archiv der Deutschen Seewarte — 55. Bd.. Nr. 4
die untere Terrasse ist vielfach gänzlich in Einzelberge oder Bergstöcke aufgelöst. Die Haupt-
kraft der Zerstörung ist das Wasser; der Rand ist gut bewässert, da er die Regenwolken zum
Aufsteigen zwingt; weil er oft höher ist als das Plateau selber, gehen zwar viele, aber nur
kleine Bäche nach dem W. Diese haben z. T. durch Rückwärts einschneiden steile, tiefe
Schluchten geschaffen und erreichen in Kaskaden von der Höhe her, die im N rund 2000 m,
in der Mitte bis zu 3000 m und im S 1000 bis 1700 m beträgt, die 400 bis 600 m hohe Ebene.
Ein sehr großer Teil der Flüsse geht nach O und sammelt sich zum Asrak und Atbara; da das
Innere der abcssinischen Tafel nach N und NW geneigt ist, verlassen dort die größten Flüsse
das Hochland durch gewaltige Tore. Nur die bedeutendsten Wasserläufe sind ausdauernd, süd
lich des Akobo ist es wohl kein einziger mehr; dort im S ist zur Trockenzeit selbst das unmittel
bare Randgebiet wasserlos. Bergfußniederungen mögen z. T. vorhanden sein, denn es wird,
besonders von nördlichen Teilen des Randes von Randsümpfen berichtet, die z. T. in der
Trockenzeit als periodische Weide dienen können, sonst aber jede Viehzucht ausschließen.
Bonchamps fand, allerdings in der Regenzeit, gewaltige Sümpfe dort, wo der Baro das Hoch
land verläßt; Gwynn stellte anf 9A° N großen Wassermangel in der Trockenzeit fest.
Diese Grenze zweier orographischer Landschaftsgebiete ist auch ein Pflanzenkampfgebiet;
im allgemeinen ist die Vegetation recht üppig. Die heißen Kollätäler (Kollä ist ein abessinisches
Wort für die tiefen tropischen Täler und die tropische Fußstufe, sie erhalten Feuchtigkeit durch
den Regen und durch von oben herabfließendes Wasser), haben reiche Wälder: Akazien, Kaut
schuklianen, Wollbaum, Butterbaum, Ficus, Euphorbien, Adansonien und Borassuspalmen. Der
Wald dringt an Flußläufen häufig in die westliche Ebene vor und ist hier reich an Sykomoren
und Bauhinien. Höher am Hange folgt vielfach eine Feuchtsteppenstufe, sonst ein Höhenwald,
über dem der Nebelwald liegt, der durch Brandkultur zum großen Teil in eine Hochweide
umgewandelt ist. Die schmale Übergangszone am Fuß des Steilrandes hat oft Hochwald,
auch niedrigen kümmerlichen Wald und Bambusbestände.
Die Pflanzendecke hängt natürlich auch von der geographischen Breite ab. Sie ist im N
spärlich, nördlich von Kassala schon gedeiht Busch, der nach S über Buschwald in lichten
Hochwald übergeht, in dem Tamarinden und dichte Kitrbestände auffallen. Weiter südlich folgt
der Trockenhochwald mit Combretaceen, Kigelien u. a.; ganz im S ist in der Fußstufe ein
übler Dornbusch verbreitet, die höheren Zonen tragen einen besseren Wald.
Die klimatischen Pflanzenvereine sind also modifiziert durch die Steigungsregen und die
Regenfluten, die von oben herunterstürzen.
Das Übergangsgebiet ist besonders im S sehr schmal, so daß dort die flache Ebene fast
an den mauerartigen Steilhang stößt. Im N dagegen kommt man aus der Grasebene durch ein
welliges, mit Bäumen und Gebüsch besetztes Land in die Inselbergregion; die Berge haben
stets eine bessere Pflanzendecke als die Ebene; der eigentliche Rand der abessinischen Tafel
ist auch im N recht steil.
Wir wollen im Anschluß gleich kurz das Gebiet des Rudolf-Sees und des Südrandes be
sprechen, nur der Vollständigkeit halber. Für das Problem der Feuchtsteppen hat der See
gar keine Bedeutung; der Südrand ist insofern wichtig, als von ihm Flüsse und Regenfluten
ausgehen und dem Flachland viel Überschwemmungswasser bringen.
Der Graben am Rudolf-See ist zweifellos zum großen Teil eine Salzsteppenlandschaft; nur
der Omo und der Kibisch haben Waldufer. Das Land am Nordende des Sees ist an sich frucht
bar und hat auch meist genügend Niederschlag, leidet aber unter furchtbaren unperiodischen
Dürren; andererseits kann der Omo gewaltige Überflutungen bringen. Zum Südende des Sees
hin wird das Land immer wüstenhafter, das Ostufer ist zum großen Teil unbewohnt; das Wasser
des Sees ist schwach salzig, ebenso manchmal in Trockenbetten gegrabenes Wasser.