Dr. Joachim B 1 ü t h g e n : Die Eisverhältnisse des Bottnischen Meerbusens
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die erhebliche Größe der Eiswälle und Packeispressungen berücksichtigt, wie sie ja wiederholt beobachtet sind,
dann ist diese Tatsache nicht weiter verwunderlich.
Die Ausbildung der Eisbrücken über den Nordkvark und den Südkvark bedingen stets eine Verlängerung
der Vereisung des nördlich davon gelegenen Meeresteiles, da die Abdrift des Eises während des Winters unter
bunden ist und auch erst im Frühjahr relativ spät einsetzen kann, dann jedoch schweres Eistreiben verursachend.
Der Einfluss des Eises auf das Klima
Es wurde während der vorangegangenen Untersuchungen wiederholt auf die Ursachen der Vereisung hin
gewiesen, und dabei konnte das Klima als der Hauptfaktor festgestellt werden, wie das ja auch nicht anders zu
erwarten ist. Die Untersuchungen wären jedoch unvollständig, wollte man nicht auch die Wirkung des Eises
auf das Klima festzustellen versuchen.
Die Wirkung der Vereisung auf das Klima äußert sich in zwei Formen: einmal wird durch das Eis die
Luft, sofern sie wärmer als das Eis ist, abgekühlt. Dies ist also eine direkte Einwirkung. Zum andern aber
wird die Wassertemperatur durch das Eis solange sehr niedrig gehalten, bis das meiste Eis geschmolzen ist; eine
niedrige Wassertemperatur bedingt aber eine Erniedrigung der Temperatur der darüber hinstreichenden Luft; es
handelt sich hier um eine indirekte Einwirkung der Vereisung. In beiden Fällen hätten wir als Resultat eine Her
absetzung der Lufttemperatur.
Diese theoretischen Erwägungen müssen nun durch praktische Belege bekräftigt werden, zunächst die über
die Einwirkung des Eises direkt auf die Luft. In Frage kommt die Zeit des Frühjahrs, wo einesteils die beträcht
lichsten Eismengen vorhanden zu sein pflegen und andererseits die Luftströmungen zum ersten Mal beginnen,
nennenswert über den Nullpunkt anzusteigen. Um möglichst klare Fälle vor sich zu haben, eignen sich am besten
die Wetterlagen, wo Luftströmungen zyklonaler Art mit einer westlichen oder östlichen Komponente den Bott
nischen Meerbusen, namentlich dessen nördlichen Teil, queren.
Die aus den Wetterkarten entnommenen Beispiele ergeben nun, daß eine merkbare Herabsetzung der Luft
temperatur bei solchen Verhältnissen an der Luvküste nicht stattfindet. Es gibt Fälle, wo sie
scheinbar stattfindet, andererseits folgen auch Fälle, wo sie nicht mehr ersichtlich ist. Das Merkwürdige ist
dabei, daß sie zeitlich ganz regellos auftreten, während man doch zumindest im März eine Herabsetzung der
Temperatur für wahrscheinlich halten müßte. Zum Beispiel herrschte am 8. März 1927 im Bereich des nörd
lichen Bottenbusens föhnartiger Südost am Westrande eines russisch-finnischen Hochdruckgebietes. Die Tempera
turen waren in Haparanda +1°, in Bjuröklubb (schwed. Seite) +1° und im gegenüber liegenden Vasa 0°. Hier
wäre also eher eine geringe Erwärmung festzustellen. Einen Monat später, am 7. April 1927, als nennenswerte
Eismassen nur noch im höchsten Norden existierten, bildete sich eine gleiche Wetterlage aus mit allgemeinen
Südostwinden; die Temperaturen waren hier in Haparanda +1°, in Bjuröklubb 0° und in Vasa +1°. Hier ist
also die schwedische Seite um 1° kälter.
Anders ist es im späteren Frühjahr, wenn die Landwinde aus Osten bereits stark erwärmt sind, dann findet
fast ausschließlich eine Herabsetzung der Temperatur durch die Überschreitung des Meerbusens statt. Folgende
Tabelle mag darüber Aufschluß geben:
Ort: Küste: Windrichtung: Temperatur: Datum:
Haparanda
nördl.
Nord
+ 5°
25.4.1922
Härnösand
westl.
Nord ost
+3°
99
Haparanda
nördl.
Südost
+5°
26.4.1922
Härnösand
westl.
Südost
+2°
95
Haparanda
nördl.
Windstille
+6°
28.4.1922
Härnösand
westl.
Nordost
+2°
Haparanda
nördl.
Südost
+ 7°
29. 4. 1922
Härnösand
westl.
Südost
+ 1°
59
Haparanda
nördl.
Südwest
+7°
8.6.1924
Bjuröklubb
westl.
West
+ 10°
99
Haparanda
nördl.
Südost
+ 16°
23.6.1924
Bjuröklubb
westl.
Ost
+8°
99
Haparanda
nördl.
Südost
+4°
16.4.1925
Bjuröklubb
westl.
Südost
+4°
99
Härnösand
westl.
Ost
+2°
Vasa
östl.
Südost
+ 10°
99