F. Zorell: Beiträge zur Hydrographie der Deutschen Bucht.
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Die Gebiete mit Wasser zwischen 31.0 und 32.0°/m>, bzw. 32.0 und 33.0°/oo sind unter 54° 30' N-Br sehr
ausgedehnt, weiter südlich davon dagegen sehr schmal. Es treten hier an zwei Stellen starke Salzgehalts
gradienten auf: nordnordöstlich von Helgoland und östlich davon, letjterer liegt bei der Insel.
Wie schon bemerkt, ist diese Salzgehaltsverteilung vom Winde ganz oder
nahezu ungestört; sie hängt also in erster Linie von den inneren Kräften ab
und gibt so besser als irgend eine andere der vorhandenen Karten den Typus
der Salzgehaltsverteilung in der Deutschen Bucht wieder, wie er sich aus dem
Zusammentreffen von salzreichem Nordsee wasser mit dem zu ström enden S ü ß -
wasser von Elbe und Weser ergibt.
Dieser Typus, den wir den Normaltypus nennen wollen, läßt den hydrographischen Charakter
der Deutschen Bucht als den eines Konvergenzgebietes zwischen hochsalzigem Nordseewasser und salz
armen Küstenwasser erscheinen. Über das schwerere Nordseewasser schiebt sich das leichtere Küsten
wasser; die Bewegungstendenz des Nordseewassers ist von WNW nach OSO in die innere Bucht hinein-
setjend, die des Küstenwassers nach NW aus der Bucht herausseßend. Diese Konvergenzen finden sich
beschrieben hei Defant 18 ), der dafür auch eine Reihe von Beispielen aus dem offenen Ozean anführt.
Man war bisher geneigt, solche Konvergenzen (und verwandte Erscheinungen) nur hei den stabilen
Strom- und Windverhältnissen des freien Ozeans anzunehmen. In einem so flachen Gebiet wie der südöst
lichen Nordsee war die Erscheinung nicht ohne weiteres zu erwarten. Nun könnte man einwenden, daß
die Verhältnisse vom 23./25. Juni 1930 nur eine einmalige und zufällige Erscheinung seien, der weiter
keine Realität zukommt. Dem widerspricht folgendes: Nach der Salzgehaltsverteilungskarte vom 23. bis
25. Juni hat die Konvergenzlinie ungefähr die Richtung N 40° W. Betrachtet man die Tiefenkarte
(Tafel 1), so scheint die Konvergenzlinie ungefähr mit dem relativ steilen Hang des verlängerten Elb
trichters, der durch die 30- und 35 m-Isobathe charakterisiert ist, zusammenzufallen. Die Konvergenzlinie
wäre demnach abhängig von dem Bodenrelief. Weiterhin scheint an die Konvergenz die Ausscheidung
der feinsten, von der Elbe mitgeführten Schlickteile gebunden zu sein. Diese Ausscheidung tritt auf der
Fischereikarte deutlich in Erscheinung; sie wurde von O. Pratje 19 20 ) ausführlich behandelt. Ihre Deutung als
chemische Ausscheidung beim Zusammentreffen des salzarmen Küstenwassers mit salzreichem Nordsee
wasser („Aussalzung“) ist ohne weiteres plausibel. Da das Schlickgebiet aber diese bestimmte Lage hat,
muß die Konvergenz in diesem Gebiet auch im wesentlichen so vorhanden sein.
Es soll an dieser Stelle davon abgesehen werden, aus der Salzgehaltsverteilung auf Wasserbe
wegungen zu schließen. Die Arbeiten von G. Castens il> ), A. Defant 21 ) und H. T h o r a d e **)
mahnen in dieser Hinsicht zur Vorsicht. Es ist jedoch möglich, an Hand der neuen Vorstellung zur bis
herigen Deutung der Bewegungsverhältnisse in der Deutschen Bucht Stellung zu nehmen. G. Böhnecke
läßt auf Grund der Salzgehaltsverteilung in der Nordsee die Deutsche Bucht von einem linksdrehen
den Wasserwirbel erfüllt sein (vgl. Figur 5, Tafel 2). Er lehnt sich hierbei an die Ergebnisse von
Wen dicke an, die dieser auf Grund der Feuerschiffsbeobachtungen 1910/1911 gewonnen hat. Es
scheint nicht schwierig zu sein, diese im Grunde der Wirklichkeit nahe kommende, aber dabei doch sehr
grobe Anschauungsweise zu ersetzen durch die Vorstellung vom Vorhandensein einer nach NW gerich
teten Konvergenzlinie. Wahrscheinlich werden dabei längs dieser Linie eine Reihe von Einzelwirbeln
lli ) A. Defant. Stabile Lagerung ozeanischer Wasserkörper und dazu gehörige Stromsystcmc. Veröff. Inst. f. Meeres
kunde, Nene Folge, A, Heft 19. S. 6. — A. Defant. Dynamische Ozeanographie. Berlin 1929. S. 33 ff.
19 ) O. Pratje. Die Sedimente der Deutschen Bucht. Wiss. Meeresunt. N. F. Abt. Helgoland, Bd. XVIII, H. 2, Abt. 6,
Kiel u. Leipzig 1931.
Vgl. dazu die Besprechung von F. Zorell in Ann. d. Hydr., 1932, S. 170 und J. N. Carruthers in Journal du Conseil,
Vol.VlII, S. 112.
20 ) G. Castens. Strömung und Isolinienform. Ann. d. Hydr. 1931, S. 4L
sl ) A. Defant. Bericht über die ozeanographische Untersuchung des V. Sch. „Meteor“ in der Dänemarkstraße und
Irmingcr See. 2. Bericht. Sitz.-Ber. Pr. Akad. d. W. Phys.-Math. Kl. 1931. XIX, S. 356.
2ä ) H. Thor ade. Strömung und zungenförmige Ausbreitung des Wassers. Gerl. Beiträge zur Geophysik. Bd. 34
(Köppen-Band III) 1931, S. 57—76.