Dr. Walter Manegold: Die Wetterabhängigkeit der Oberfläcbenslrömungen in den Pforten der Ostsee
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hält sich südlich unseres Gebiets. Der in dieses hineingerichtete Wind fördert den Ausstrom.
2. Die Tiefgebiete I und IV im Westen sind die Ausfallstore der Tiefzugstraßen. Sie besitzen die wesentliche
Eigenschaft, daß der Strom nach dem Haupttage kentert.
3. Sogenannter ungezwungener Strom (d. h. von Wettererscheinungen wenig oder gar nicht beeinflußt) herrscht
am besten in der Gruppe Tiefgebiet VI, als Vorstufe dazu in Gruppe Tiefgebiet III. Auch Tiefgebiet VIII in
der Untergruppe AVlII/IIIa mag man hierzu rechnen. Endlich gehört zum Teil hierher das Tiefgebiet VII.
Bei diesen Tiefgebieten hat das Tief auf den Strom kaum einen Einfluß. Das Hoch herrscht allein und begün
stigt den ungezwungenen Strom oder steht ihm doch nicht entgegen. Größer ist sein Einfluß nicht, wie wir
am Wind sehen. Das Maß dieses Einflusses wird nun aber durch das Tief bestimmt, das das Hoch in seinem
Wirkungskreis im Maße seiner eigenen Kraft einengt und zusammendrängt, d. h. das Gefälle nach Stärke, viel
wichtiger aber nach Richtung bedingt.
Tiefgebiet II steht für sich und läßt sich keinem Abschnitt einordnen, es steht dem 2. nahe. Ebenso steht
eine dritte Untergruppe von Tiefgebiet VIII (AVIII/IIIb) allein. Sie ist verwandt mit Abschnitt 3. Die Ab
schnitte 1 und 2 stehen dem Einstromwetter näher als Abschnitt 3, und es bedarf bei ihnen häufig genauerer
Untersuchung, um sie zu erkennen. Bei Abschnitt 3 bestehen deswegen niemals Schwierigkeiten. Der Druck der
Tiefe nimmt nach der Ordnungszahl der Tiefgebiete zu. Tiefgebiet I hat Tiefe mit 720 mm. Tiefgebiete IX und X
unterschreiten nicht 755—760 mm.
Die Wetterlage Ulk, die neben dem Hoch im Nord osten ein Tief im Nordwesten und eines im Südwesten hat,
ist in ihrer ganzen Art mit Untergruppen von Tiefgebiet VIII verwandt, die zum 3. Abschnitt der Tiefgebiete ge
hören. Zum selben Abschnitt muß man auch die Zentrallage rechnen (Hochgebiet II). Sie ist nicht ihrem Wetter
bilde, aber ihrem Wesen nach dem Tiefgebiet VI fast gleich. Sie birgt jedoch alle Fälle, die mit Einstromwetter
verwechselt werden können; denn es läuft Ausstrom gegen Einstromwind. — Als das günstigste Tiefgebiet von
allen ist das sechste anzusprechen, weil sich bei ihm ungezwungener Strom am stärksten entwickelt.
Wie Tabelle 2 ausweist, sind die Fälle nicht regellos verteilt; Die häufigsten Tiefgebiete sind I, II, IV als
die Ausgangspunkte für Tiefzugstraßen und als Gegenstück Tiefgebiet VIII ohne unmittelbare Verbindung mit der
Beltsee. Beide Gruppen gehören zur kalten Jahreszeit, die erste am Ende, die zweite mehr am Anfang des Jahres.
Die Gesamthäufigkeitskurve (Zeichnung 5) hat einen ungleichmäßigen Verlauf. Für den Winter schließt sich die
größte Häufigkeit einer Wetterlage an die andere an, so daß es hier auf die Häufigkeit überhaupt der einzelnen
Wetterlagen ankommt. Die Spitze im August verdankt ihr Dasein der Bevorzugung durch die Tiefgebiete II
und IV. Im einzelnen ist schwer etwas Genaueres auszusagen. Die Tabelle 9 gibt darüber die mögliche Auskunft.
Infolge des Hochs im Norden und Nordosten ist der Luftdruckunterschied Nordsee — Ostsee
negativ. Im Tiefgebiet II ist er mit 20—30 mm am größten und wird kleiner, je weiter östlich das Tief und dem
entsprechend nördlich das Hoch liegt. Im Tiefgebiet V ist er häufig Null. Sonst ist ein kleiner Unterschied immer
vorhanden.
Der Wind kommt aus östlicher Richtung. Die nördliche Ostsee ist sehr ruhig und kann für unseren
Strom außer Betracht bleiben. Für die Strombeurteilung kann man sich häufig besser nach dem Wind in Kopen
hagen als in Skagen richten. Für einen ersten groben Überblick dürfen wir auch hier die Einteilung der Tief
gebiete anwenden. Der 1. Abschnitt hat im Westen unseres Gebietes besonders N- und E-Winde Stärke 2—4, höch
stens einmal 6 Bft. •— Der 2. hat den stärksten Wind von allen Ausstromfällen. Er kommt von SE—S, ja SW mit
Stärke 6—8. Beim Tief gebiet I verhalten sich jedoch die einzelnen Untergruppen verschieden. Es kommt da auf
die Hochgebiete an. — Der 3. Abschnitt ist gekennzeichnet durch zeitlich und örtlich in Richtung und Stärke un
einheitlichen Wind, dessen Stärke über 5 Bft. nicht hinausgeht und oft nur ganz gering ist. Auszunehmen ist
hiervon Tiefgebiet VI, wo es deutlich aus E mit Stärke 5 weht. Die Zentrallage verhält sich ähnlich, nur schwächer;
Wetterlage Illk ist dem Tiefgebiet VIII ähnlich und steht auch dem 3. Abschnitt nahe. Tiefgebiet II können wir
dem 2. Abschnitt zuordnen.
Über den Strom ist kaum etwas allgemein Gültiges zu sagen. Schon innerhalb eines Tiefgebietes kann
er bei den einzelnen Untergruppen ganz verschieden sein (Tiefgebiet VIII!). Der erste Abschnitt der obigen Zu
sammenfassung der Tiefgebiete hat nur mäßige Stromgeschwindigkeiten; ihm kann man auch die Wetterlage Ulk
zuordnen (vgl. aber den Wind!). Der zweite Abschnitt zeigt den stärksten Ausstrom überhaupt. Er kommt schnell
und kentert hinterher. Vom 3. Abschnitt gehören die Tiefgebiete III und VI zusammen, dazu das Tiefgebiet II.
Bei ihnen kann der Strom sehr stark werden während einer langen Ausstromzeit mit langsamem, stetigem Ab
schwellen. Der Rest des 3. Abschnittes (Tiefgebiet VII und VIII) ist ganz uneinheitlich und schwankend, mal
stark, bei einigen Feuerschiffen schwach usw. Die Zentrallage steht für sich mit zwar nur mäßigem, aber stetigem
und anhaltendem Strom. Ein Zusammenhang zwischen Strom und Wind ist in dieser Zusammenfassung nicht zu
erkennen. Eine weitgehende Aufteilung in Tief- und Hochgebiete ist also wirklich nötig gewesen, um einen
Einblick in dieses Verhältnis zu bekommen. Wenn bei Hochgebiet IVa oder auch Wetterlage IHk das Wetterbild
unbestimmt und der zu erwartende Strom schwach ist, so kann es möglich sein, daß an einzelnen Stellen Ein
strom läuft.