18
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 54. Band, Kr. 4
schwach oder wirkungslos sein, wie wir das bei einigen Gruppen (vgl. Tiefgebiet VII und VIII) finden werden,
sondern haben für ein starkes Druckgefälle zu sorgen. Ebenso günstig ist ein Hoch, das weniger das ganze Fest
land beeinflußt, dem aber ein kräftiges, schon am Anfang einer der europäischen Zugstraßen ziehendes Tief
gegenübersteht. Beide Möglichkeiten ergeben bei Schultz’ Grund 3,0 sm/h und mehr Stromgeschwindigkeit.
Kurz zu erwähnen ist beim Tiefgebiet II außer den besprochenen Hoehgebieten auch noch IVb (Balkan).
Es ist eine Abart der Gruppe A II/IVa. Der Kern des Hochs ist etwas nach S verschoben, so daß ein Tief im
Nordwesten mehr Bewegungsfreiheit hat und in unserm Gebiet ein starkes Luftdruckgefälle schafft. Der Strom ist
dementsprechend überall stark (Schultz’ Grund 2,8—3,0sm/h).
Tiefgebiet III (Kanal)
Dieses ist vom Tiefgebiet II abgetrennt, nicht nur weil es sich leicht aus der Übersichtskarte 4 ergibt,
sondern weil man hier den Ansatz für die Zugstraße IV und V annehmen und damit auf gut entwickelte Tiefe
hoffen darf. Diese Erwartungen haben sich gerade ins Gegenteil gewandelt. Es handelt sich nämlich um eine
flache Mulde des Luftdruckes im Westen Europas, sehr oft als Rinne in der Richtung der Straße Va ausgebildet,
mit einem Druck von wenigstens 750 mm. An den insgesamt nur 9 Fällen sind besonders die Hochgebiete Illb
(Finnland) und IVa (nördliches Rußland) beteiligt. Das ihnen zugrundeliegende Hoch im Osten ist ebenfalls
weit ausgedehnt, aber sehr kräftig mit oft 780 mm Druck im Kern. Infolge dieses starken Hochs sind die
Isobaren in unserem Gebiet nach NE hohl, das oder die Tiefe im Westen sind also 'bedeutungslos. Eine
weitere Folge ist der geringe Luftdruckunterschied, der beim Hochgebiet Illb bis —10 mm betragen kann, bei
den anderen Hochgebieten aber nur w r enige mm erreicht. Der Wind kommt, — von 2 Ausnahmen in Kopen
hagen abgesehen — über Stärke 6 nicht hinaus. In Skagen hält er sich auf 5, in Wisby auf höchstens 4 Bft.
Kopenhagen hat wieder den stärksten Wind. Die Richtung schwankt überall lebhaft um E herum.
Obgleich diese einzelnen Wettererscheinungen, zumal wenn man sie nur für einen Tag betrachtet, nicht
eben günstig für einen besonders starken Strom sind, ist dieser doch in der Regel vorhanden. Zu Ausnahmen
gehört für die Untergruppe Hochgebiet Illb die südliche Beltsee, während Sund und Skagen sehr starken Strom
haben. Hochgebiet IVa bringt eher einheitlichen starken Strom (Lappegrund bis 4 sm/h). Nur Gjedser bleibt
häufig schwach. Immer schwillt der Strom sehr langsam an und ab: Der Haupttag bringt die höchste Strom
geschwindigkeit aus einer langen Ausstromzeit, die zwei, drei Tage dauert. In einem Falle (November 1921)
lief in Schultz’ Grund einen ganzen Monat lang Strom mit über 2 sm/h Geschwindigkeit. Während einer solchen
Zeit wird jedoch nur einmal ein Höchstwert erreicht, und zwar in stetiger Steigerung durch die Be
ständigkeit aller Wettererscheinungen bei einem kräftigen Hoch in Osteuropa. Wir haben hier
also eine Gruppe gefunden, wo ein starker Strom entsteht, ohne daß ein Tief den Anstoß dazu gegeben oder
eine andere wesentliche Wirkung ausgeübt hätte, wie wir das bisher gewohnt sind. An seine Stelle tritt ein
anderes Mittel, das wir noch nicht kennengelernt haben: die Zeit. Sie wird im Ausstrom noch häufiger eine Rolle
spielen (vgl. Tiefgebiet VI S. 19).
Tiefgebiet VI (Frankreich)
Auch dieses südlich anschließende Tiefgebiet ist mit 11 Fällen nicht sehr zahlreich vertreten. Dabei handelt
es sich nie um ein einziges starkes Tief, sondern — ähnlich wie Tiefgebiet III — um ein Luftdrucktal, das in
Richtung der Straße Va verläuft. Von einer Bewegung des Tiefs kann man deshalb nicht sprechen. Damit fehlt
gerade der Anstoß, der beim Einstrom so wichtig und auch beim Ausstrom bisher meist vorhanden gewesen ist.
Im allgemeinen werden wir jedoch überhaupt diese Reglosigkeit des Tiefs als eine besondere Eigenart des Aus
stromwetters feststellen. Die Ausstromfälle, in denen ein bewegliches Tief eine Rolle spielt, zeigen nicht das
eigentliche Wesen eines Ausstromwetterbildes, sondern vielmehr die Fälle, wie wir sie hier im Tiefgebiet VI be
sonders klar ausgebildet finden. Aus diesen Tiefverhältnissen ergibt sich dann eine
große Beständigkeit der Wetterlage. Der Druck des Tiefs bewegt sich zwischen 750 und 760 mm.
An Hochgebieten kommen vor lila (Nordskandinavien) und Illb (Finnland), selten IVa (nördliches Rußland).
Auch im Hoch ist der Druck nicht ungewöhnlich und beträgt bis auf ganz seltene Ausnahmen nicht mehr als
772 mm. Entsprechend ist der Luftdruckunterschied Nordsee—Ostsee meist gering und negativ. Der Isobaren
verlauf zeigt, daß unser Gebiet noch unter der Herrschaft des Hochs steht. Nur wenigen Fällen mit N—S-
Isobaren stehen die meisten gegenüber mit nach E oder NE hohlen Isobaren; oder sie sind doch wenigstens
S-förmig gebogen, in der N-Krümmung das Hoch, in der südlichen das Tief.
Der Wind ist in der nördlichen Ostsee sehr schwach (0—2 Bft). Auch in Skagen erreicht er nur in der
Hälfte aller Fälle Stärke 5, selten mehr. Nur in der westlichen Ostsee ist der Wind stärker als im Nordosten und
in der Beltsee. In Kopenhagen erreicht er Stärken bis 9 Bft. Im Mittel bleibt er allerdings noch hinter dem
von anderen Tiefgebieten Bekannten zurück. Auch seine Richtung ist nicht besonders günstig, indem — auch in
Kopenhagen — der reine E-Wind vorherrscht und schon SE nicht mehr beobachtet wird. In Skagen ist ENE-
Wind häufig, den wir zwar schon öfter beim Ausstrom gefunden haben, der aber doch nicht als besonders günstig
oder dem Ausstrom förderlich anzusprechen ist. Die Wetterlage scheint also einem starkem Ausstrom nicht günstig.
Der beobachtete Strom ist aber stärker, als wir erwarten möchten. Daß er stark ist, wenn Kopenhagen
— ohgleich abweichend von allen östlicheren Stationen — Wind EISE 9 hat, ist nicht verwunderlich. Aber selbst,