Dr. Helmut Springstubbe: Die Gezeiten-Erscheinungen im St. Lorenz Golf. 15
*) s. auch Anmerkung*) S. 6.
beobachteten Werten; es ergibt sich vom Querschnitt 10 bis 17 ein stetiges Abfallen des Tidenhubs
zur Ostmündung hin. — Erwähnt mag noch werden, daß es unbedingt notwendig erschien, einige
Werte von Beobachtungsstationen einzuklammern, die offensichtlich verfälscht oder beeinflußt sind;
so dürften in den mittleren Gegenden die Hillsborcugh-Bucht als auch die ihr gegenüberliegende
Baie Verte ziemlich selbständige Schwingungsgebiete sein, die ihre eigenen Mitschwingungsgezei
ten bilden. Infolgedessen dürfen die im Innern dieser Buchten gelegenen Gezeitenstationen auch
nicht als vollwertig angesehen werden, da in ihnen die Amplitude naturgemäß sehr verstärkt er
scheinen kann, wie das sicher bei Charlotte Town und Hillsborough River sowie bei Tidnish und
Eigin der Fall ist. — Es kommt natürlich bei einem solchen Gebiet, wie der Northumberland-Straße,
wo die Reibung sich so stark auswirkt, grundsätzlich nur darauf an zu zeigen, daß sich der Einfluß
der Grenzflächenreibung rechnerisch ungefähr berücksichtigen läßt.
Eine recht gute Übereinstimmung mit den Beobachtungen gelingt es bei der Zusammenstellung
der Phasenverteilung herzustellen (Abb. 7). Wir sehen hier eine Übereinstimmung der Wirklichkeit
mit der Theorie, wie sie unter den schwierigen Umständen in diesem Kanal nicht besser erwartet
werden kann. Am Querschnitt 1 tritt die Gezeit mit der Phase 5 h in die Northumberland-Straße ein.
Zwischen den Querschnitten 5 und 6, wo also nach der Theorie die Knotenlinie vorhanden sein sollte,
macht die Phase einen gewaltigen Sprung; das ist gerade in der Gegend, wo die Zusammendrän-
gung der Flutstundenlinien stattfindet. Vom Querschnitt 6 an hat die Gezeitenwelle die Phase I0 h ,5,
die sich aber nach der Ostmündung zu allmählich auf 8 U ,4 gemäß der Grenzbedingung verfrüht.
Wenn man den Verlauf der Phase an den Beobachtungsstationen verfolgt, so verdienen die vier
Stationen West-Point (P.-E.-I,), Shediac Ins., Buctouche und Cocagne River, die alle um den Quer
schnitt 5 herum liegen, besondere Beachtung. Ist bei Querschnitt 4 noch die Phase 5 h , so ist sie bei
Querschnitt 6 bereits über 10 h , also müssen die Stationen zwischen diesen beiden Querschnitten 4
und 6 um den Querschnitt 5 herum, den Übergang von der Phase 5 h auf die Phase 10 h bestätigen.
Das geschieht durch diese 4 Stationswerte sehr überzeugend, wie aus der Darstellung zu ersehen ist*).
Wahrscheinlich wird der Übergang noch allmählicher vor sich gehen, als er bei der Kurve der
berechneten Werte hervortritt. Dafür spricht auch sicherlich der Umstand, daß die Tidenhübe der
Stationen an diesen Querschnitten nicht auf 0 herabgehen, sondern nur etwas sinken. Hier hätte
vielleicht die Wirkung der Reibung etwas größer angesetzt werden können. Wahrscheinlich wäre
dann der Übergang etwas allmählicher erfolgt, wie er sich nach den Beobachtungen darzustellen
scheint. — Die vier vorhandenen Stationen aus der Miramichi-Bay bei Querschnitt 1 ziemlich un
mittelbar an der Westmündung der Northumberland-Straße sind in ihrem Wert für die Phase ein
geklammert worden, da sie nicht für einen Vergleich in Frage kommen, weil bei ihrer zurückge
zogenen Lage im Innern der Bay naturgemäß das H. W. später eintritt als am Eingang der Bucht.
Urteilt man allein nach den Hafenzeiten, so kann man bei der Northumberland-Straße meinen,
daß zwei Wellen durch die Mündungen hereindringen, die beide sehr stark durch die Reibung ver
spätet werden und in der Mitte der Straße, etwa bei den Querschnitten 8 bis 11 Zusammentreffen;
hier haben sie ungefähr die gleiche Phase von etwa 10 h ,5, die den größten Wert der Hafenzeit in
der Northumberland-Straße darstellt. Allein die Rechnung zeigt, daß man nicht so oberflächlich
über den Vorgang allein nach dem Verlauf der Flutstundenlinien wird urteilen können. Sowohl die
Ostwelle, als auch die Westwelle stellen jede für sich allein eine fortschreitende Welle dar, und
erst die Überlagerung dieser beiden fortschreitenden Wellen ergibt das wahre Bild der gesamten
Mitschwingungsgezeit in der Northumberland-Straße.
Selbstverständlich sind die beiden Wellen, dieOst- und die Westwelle für die Gestaltung der Ge
zeiten gleich wichtig, doch will es scheinen, als ob die Ostwelle in der Northumberland-Straße eine
wesentlichere Rolle spielt, weil sie wegen der etwas breiteren Ostmündung die stärkere ist. Außer
dem trägt sie zu dem Ansteigen der Amplituden in der Mitte wesentlich bei. — Daß in der West
hälfte der Northumberland-Straße die eintägige Gezeit besonders hervortritt, hat seine Erklärung
darin zu suchen, daß die halbtägigen Tiden dort sowohl nach Rechnung als auch nach Beobachtung
ziemlich gering sind. Infolgedessen treten natürlich die eintägigen Tiden stärker in Erscheinung als
in den mittleren Gegenden, wo auch die halbtägige Gezeit hoch ist. Zudem wirkt die Reibung auf
die eintägige Tide wegen der geringeren wagerechten Verschiebungen bei weitem nicht so stark wie
bei der halbtägigen. Eine Berechnung der eintägigen Gezeit und ihres Verhaltens in der Northumber
land-Straße ist durchaus möglich; doch hat eine solche im Augenblick nur geringe Bedeutung, da
die Beobachtungen nicht einmal ausreichen würden, um überhaupt die Grenzbedingungen hierfür
festzustellen, geschweige denn einen Vergleich zwischen Berechnung und Wirklichkeit zu ermög
lichen.