Edgar Sehultze: Die nichtperiodischen Einflüsse auf die Gezeiten der Elbe bei Hamburg
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C. Die Auswirkung besonderer Wettertypen.
Während im vorhergehenden Abschnitt das Auftreten von Abweichungen in Verbindung mit außer
gewöhnlichen Wasserständen festgestellt wurde, soll jetzt noch der Zusammenhang zwischen größeren
Abweichungen bei der Berechnung des Staues und besonderen Wetterlagen untersucht werden. Es ist
nicht unbedingt erforderlich, daß bei einer Luftdruckverteilung, die so ungleichmäßig ist, daß ihre Wieder
gabe durch eine Ebene, welche durch die drei Punkte Yarmouth—Tynemouth—Blaavandshuk gelegt ist,
nicht mehr ausreicht, stets außergewöhnliche Wasserstände auftreten. Unter Umständen kann also bei
relativ schwachen Winden, die innerhalb des geradlinigen Bereichs der Beziehungslinie zum Stau liegen,
allein dadurch eine Verzerrung eintreten, daß eine Unregelmäßigkeit in der Luftdruckverteilung vorliegt.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, werden, wie bereits erläutert wurde (S. 58), solche Verteilungen
bei Tiefs über und neben der Nordsee auftreten. An einer größeren Auswahl von merkbaren Abweichungen
des vorausberechneten Staues wurde daher untersucht, wieweit die Art der Abweichungen mit der geo
graphischen Lage des Tiefdruckkerns zusammenhängt. Dabei konnten die Abweichungen nach zwei Ge
sichtspunkten eingeteilt werden: einmal nach ihren Vorzeichen, dann nach ihrer Größe bei den Beziehungs
gleichungen Form A und B.
Als Ergebnis wurden einige Anhaltspunkte gewonnen, die zwar in Anbetracht der vielen Unsicherheiten,
die schon dadurch entstehen, daß die Art der Depression nur durch die Lage des Kerns gekennzeichnet
wurde, keinen Anspruch auf exakte Gültigkeit erheben, die aber für den Zweck dieser Untersuchung aus
reichen.
Vorwiegend negative Abweichung, also zu gering berechneter Stau, tritt auf, wenn der Kern des Tiefs
etwa nördlich des 53. Breitengrades und östlich des 2. Längengrades gelegen ist. Dieses Gebiet umfaßt
Nordholland, Nordwestdeutschland, die Deutsche Bucht, die südliche Nordsee und wird ungefähr im Norden
durch die skandinavische Küste begrenzt. Bei außergewöhnlichen Wasserständen erweitert sich dieser
Bereich im Westen bis nahezu an die englische Küste. Für die Restfläche sind vorwiegend positive Ab
weichungen zu erwarten.
Auch bezüglich der Größe der Abweichungen der Formel A und B lassen sich zwei Flächen aufzeigen,
innerhalb derer ein Tief mit bestimmten Auswirkungen häufig gelegen ist. Die Form A liefert geringe
Abweichungen, wenn der Kern außerhalb der Nordsee nördlich von Schottland und westlich von Skandi
navien sich aufhält. Dagegen treffen die Angaben der Formel B besser zu, wenn die Depression über
Nordwestdeutschland, Jütland und dem Skagerrak ruht. Die Grenzen dieser Gebiete sind schwankend, es
ist daher davon abgesehen worden, sie auf einer Karte durch Linien zu begrenzen.
Welche Schlüsse lassen sich aus diesen Tatsachen ziehen?
Befindet sich der Tiefdruckkern über der westlichen und südlichen Nordsee, so entstehen an der
dänischen und englischen Küste entgegengesetzte und entgegengesetzt drehende Winde. Da beide Wind
richtungen in verschiedener Weise stauen, so kann der dem Stau in Hamburg zugrunde gelegte mittlere
Wind nicht mehr maßgebend sein. Aus der Tatsache, daß der Stau zu niedrig ausfällt, geht hervor, daß
in dem angedeuteten Gebiet die aufstauenden Winde an der englischen Küste stärkeren Einfluß ausüben.
Dieses Übergewicht wird dadurch erklärt, daß bei einer Wanderung des Tiefs längs der Süd- und Nord
ostküste der Nordsee die englischen Winde die größere Wasserfläche bestreichen. Verlagert sich der Kern
nach Westen, etwa in die Nähe der englischen Küste, so verhält es sich umgekehrt. Die ablandigen
dänischen Winde überwiegen. Der berechnete Stau aus dem mittleren Wind wird zu groß.
Wandert ein Tiefdruckkern vom Kanal kommend über Nordwestdeutschland nach Dänemark, so drehen
die Winde in England links von östlichen nach westlichen Richtungen. Bei schneller Bewegung des Tiefs
findet bei dessen Annäherung an Nordwestdeutschland ein plötzlicher Übergang von positivem zu negativem
Stau statt. Es wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, daß bei plötzlichen Änderungen des Windes
die Formel B genauere Resultate liefern muß, da sie unabhängig von den vorhergehenden Wasserständen
ist und daher auf den Wind leichter reagiert.