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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 53. Bd. Nr. 5
Erstens ist die Kenntnis oder Vermutung derjenigen Einflüsse vonnöten, die auf die untersuchte
Größe einwirken könnten. Diese Kenntnis kann entweder auf Grund von allgemeinen Überlegungen oder
von Erfahrungen gewonnen werden. Wichtig ist hierbei, daß wesentliche Einflüsse nicht außer acht
gelassen werden.
Zweitens muß die Form festgestellt werden, in der die unabhängigen Größen auf die Veränderliche
einwirken. Hier kann entweder aus allgemeineren Gesetzen auf den vorliegenden Fall geschlossen werden
oder versuchsweise eine Funktion zwischen den verschiedenen Einflüssen und der von ihnen hervorgerufenen
Änderung des Wasserstandes aufgestellt werden, deren Berechtigung nachher an Hand der Ergebnisse
nachzuweisen ist.
Drittens werden die Koeffizienten, die in der gefundenen Funktion auftreten, aus dem Beobachtungs
material durch Anwendung eines der statistischen Kechenverfahren wie die Methode der kleinsten Quadrate,
Methode der Momente, Korrelationsrechnung oder harmonische Analyse ermittelt.
Viertens wird eine Deutung der gefundenen Koeffizienten, durch die der Verlauf des Vorganges näher
bestimmt wird, vorgenommen.
Fünftens werden die Abweichungen der neuen Schätzungen von den Beobachtungen erörtert.
Da es sich bei den nichtperiodischen Einwirkungen auf den mittleren Wasserstand eines Tideflusses
um nicht immer ganz einfache Vorgänge handelt, mußten, um überhaupt ein übersichtliches Bild derselben
zu erhalten, verschiedene vereinfachende Annahmen getroffen werden, deren Zulässigkeit geprüft wurde.
Es ist natürlich möglich, besonders unter Zuhilfenahme des erforderlichen statistischen Arbeitspersonals
bei der Rechnung noch einige Feinheiten zu berücksichtigen, die hier bei der ersten Übersicht nicht mit
erfaßt werden konnten. Der Sinn dieser Arbeit liegt weniger in der rechnerischen Durcharbeitung von
Einzelheiten als in der grundsätzlichen Untersuchung der Vorgänge.
Das reichhaltige zur Verfügung stehende Beobachtungsmaterial konnte dank maschineller Hilfsmittel
bei der Auszählung und Verteilung der Wertepaare, sowie durch Benutzung von elektrischen Additions
und Multiplikationsmaschinen immerhin so weit ausgewertet werden, daß die Genauigkeit der erzielten
Resultate den hierbei theoretisch wie auch praktisch zu stellenden Ansprüchen vollständig genügt.
Bezüglich der gebrauchten Bezeichnungen sei auf: Rauschelbach, H., Begriffsbestimmungen von Be
zeichnungen zur Beschreibung und Berechnung von Gezeitenerscheinungen des Meeres. Ann. der Hydr.
(LX. Jahrgang 1932 Heft VII) und auf den entsprechenden Abschnitt in der Anleitung zum Gebrauch der
Gezeitentafeln für das Jahr 1934 hingewiesen 1 ). Für die Schwankungen des mittleren Wasserspiegels,
die mit der Differenz der beobachteten und der aus den periodischen Berechnungen hervorgegangenen
Werte der Gezeitentafeln identisch sind, ist die Bezeichnung: Stau üblich. Dieser Stau kann sowohl
positiv wie auch negativ sein. Die eingetretenen Wasserstände sind daher die Summe eines Gezeiten
wertes und eines mit Vorzeichen versehenen Stauwertes. Derjenige Teilbetrag des Stauwertes, der auf
die Wirkung des Windes zurückzuführen ist, heißt Windstau. Das Entsprechende gilt für die übrigen Einflüsse.
I. Abschnitt.
Die Einflüsse auf die Pegelstände stehender und fließender Gewässer.
A. Allgemeine Form der Abhängigkeit.
Soweit die Höhenlage eines Wasserspiegels von den Geschwindigkeitsverhältnissen und dem Druck
auf die Oberfläche des Gewässers abhängt, gilt für deren Verlauf die Formel von Euler. Setzt man nur
waagerechte Geschwindigkeiten, die außerdem nur in der «-Richtung veränderlich sind, voraus, so lauten
die Gleichungen:
l ) Vgl. den ausführlichen Literaturnachweis S. 67 Nr. 12 nnd 43.