Dr. Hugo Mandelbaum: Gezeitenströme und Restströme bei Borkum-Riff Feuerschiff. 1
I. Das Reststromproblem in der Deutschen Bucht
auf Grund der bisher vorliegenden Untersuchungen.
Die folgende Untersuchung des Reststroms bei dem deutschen
Feuerschiff Borkum-Riff soll einen Beitrag zur Lösung des Reststromproblems in der
Deutschen Bucht liefern. Von den bisherigen Arbeiten geben die älteren von
Fulton 1897 undPettersson 1906, die die Stromverhältnisse der Nordsee bearbeiteten,
keinen Aufschluß über diese besondere Prags. Bei der Arbeit ITendickes 1913^', der
die Strommessungen von deutschen Feuerschiffen auswertete, stellte sich später her
aus, daß die nicht berücksichtigte Deviation der Kompaßnadel die Ergebnisse erheb
lich gefälscht hatte. Die Arbeit weist auf die Möglichkeit eines selbständigen
Reststromwirbels in der Deutschen Bucht hin, der an der ostfriesischen Küste ent
lang nach Osten setzt, in der ßlbmündung nach Norden dreht und bei Amrum-Bank nach
Testen abbiegt. Einen Reststrom nach Osten ergeben auch die Schwimmerbeobachtun-
gen der fterft Wilhelmshaven 20). Böhnecke 1) zeichnete auf Grund des Verlaufs der
Isohaiinen ebenfalls einen Wirbel in der Deutschen Bucht, den er im allgemeinen
aber weiter nördlich auf der Höhe von Sylt oder Blaavands-Huk nach Westen aobie—
gen läßt. Er nimmt an, daß die ,, Wirbelbildung in der Deutschen Bucht und ganz all-
gemein in der südöstlichen Nordsee durch W- und NW-Winde begünstigt wird, die dem
Kanalwasser nordatlantisches, dem Küstenwasser der Deutschen Bucht aber Kanalwas
ser in die Flanke treiben. S- und SO-Winde hemmen dagegen die Wirbelbildung, da.
sie eine glatte Abfuhr des Kanal- und des deutschen Küstenwassers nach Norden för
dern”. Noch genauer zeigt die Arbeit Carruthers 3) den starken Einfluß der Wind
lage auf den Strömungsverlauf. Er stellt ebenfalls einen aus dem Kanal und den
Hoofden stammenden Strom fest, der an der holländisch-friesisch-deutschen Küste
nach Osten entlangstreicht und dann in der Deutschen Bucht nach Norden umbiegt "&)
Durch entgegengesetzte Winde wird er gehemmt und zum Teil umgekehrt. Bei S-, S0-
und 0-Winden dringt dieser Strom nicht in die Deutsche Bucht ein, sondern streicht
weiter von der Küste entfernt vorüber und trifft erst nördlich von Sylt auf die
Küste. Auch Carruthers kommt daher zur gleichen Ansicht wie Böhnecke: ’’die S-und
SO-Winde erleichtern eine ungehemmte Bewegung des Kanal- und des deutschen Küsten
wassers nordwärts entlang der dänischen Küste”. 3). Bei N- und NW-Winden dagegen
strandeten die von den Kanalschiffen ausgesetzten Flaschenposten fast alle zwischen
IJmuiden und Sylt.
Von Untersuchungen der neueren Zeit von deutscher Seite aus sind zwei zu
nennen: Schumacher und Thorade, ”Die Gezeiten der Sylter Gewässer” 16) und Thora-
de "Gezeitenuntersuchungen in der Deutschen Bucht der Nordsee” 17), Die erste Ar
beit zeigt die vollständige Abhängigkeit des Oberflächenreststroms vor Sylt von
der Windrichtung. Die Beobachtungen des Vermessungsschiffes "Panther”, die Tho
rade in der zweiten Arbeit auswertet, decken sich gut mit den "bislang gemachten
Wahrnehmungen für einen ziemlich beständigen, entlang der ostfriesischen Inseln in
die Nordsee eindringenden Strom".17). im einzelnen zeigt sie jedoch Abweichungen
von der Hauptrichtung, die auf den Einfluß des sich ändernden Windes zurüokzufüh-
ren sind. So wurden z.B. auf einer Station nördlich von Langeoog und beim Feuer
schiff Norderney bei um West drehenden Winden SO- und OSO-Strom gemessen. Beim
Außeneider-Feuerschiff jedoch wurde bei gleichen Winden konstanter Strom nach SW
berechnet. Das Oberflächenwasser hatte also bei solchen Winden keinen Abfluß nach
Norden. Beobachtungen der Dänen auf den Feuerschiffen Hornsrev und Vyl ®) zeigen
an, daß bei Windstille ein Strom nach Süden vorhanden sein kann. "Zur Klärung die
ser Frage", schreibt Jacobsen 6) "wäre es wünschenswert, die Stromverhältnisse in
der Nordsee und deren Abhängigkeit von den meteorologischen Verhältnissen genau
zu kennen".
Die Frage nach den tatsächlichen Stromverhältnissen in der Deutschen
20) S. l£. 3) S. 31 U. S. 1)6. 17) S.56. 6) S. 35.